Kunst und Kunsthandwerk, 15. Jg., 1912, Heft 1

DIE BESTECKSAMMLUNG IM SCHLOSS STEYR ~ VON ALFRED WALCHER VON MOLTHEIN-WIEN ~ EBEN mehreren großen Spezialsammlungen von Messern und Bestecken auf reichsdeutschem Boden ent– stand in Österreich im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts die bedeutendste Kollektion dieser Art auf Schloß Steyr. Franz Emmerich Graf von Lamberg, geboren 1832, gestorben 1901 in Graz, hat sie begonnen und ihr durch rege Sammel– tätigkeit eine Ausdehnung und eine Vollständig– keit gegeben, daß sie die schon allgemein aner– kannten Sammlungen Paul und Zschille um ein Bedeutendes überflügeln konnte. Ihren Umfang charakterisiert die große Zahl der Objekte, die das Tausend überschreitet, ihre Vollständigkeit die geschlossene Reihe vom Steinmesser bis auf das Besteck der Mitte des XIX. Jahrhun– derts. Entstanden in Steyr, dem alten Hauptsitz der Klingen– industrie Süddeutschlands, war ihr Ausbau schon in lokaler Hinsicht begünstigt. Die notwendigen Ergänzungen erwarb Graf Lamberg in Italien, Norddeutschland und Frankreich. Im Schloß Steyr untergebracht und nicht allgemein zugänglich, ist die Sammlung nur einem verhältnismäßig engen Kreis von Kunstfreunden bekannt geworden, und auch die Beteiligung an einzelnen kleineren lokalen Ausstellungen ließ die Kenntnis von der Existenz dieser Schätze kaum über das Kronland hin– ausdringen. Bei dem großen Reichtum der Sammlung müssen wir uns auf die Abbildung der wichtigsten Objekte beschränken ; den Gang der Entstehung und der künstlerischen Ausbildung dieser verfolgen wir am besten an der Hand der historischen Entwicklung der Tischgeräte. Das Altertum kannte bei Tisch weder Messer noch Gabel; man bediente sich beim Essen im allgemeinen der Finger. Erst im Mittelalter wurde der Gebrauch des Messers allgemeiner. In seiner ältesten Form war es ein Vorschneidemesser, bezie– hungsweise eine Anzahl von größeren und kleineren Messern, welche zum Zerlegen des Fleisches dienten. Für den eigent– lichen Gebrauch bei Tisch gab es stets nur einzelne Messer, welche sich die Teilnehmer an der Mahlzeit gegenseitig reich– ten. Im Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg (u59 bis ~::·d;; B~;,:;'. n75) sehen wir Messer abgebildet von einer Form, die bereits das Bedürfnis nach einer Gabel erkennen läßt (Abb. 2). Bei der Darstellung des Mahles, an welchem König Mardochäus, zeit, grüne Pa• tina, Rbeinfund. Länge 14·6 Zentimeter

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