~9 '.2..~ 0 ANSICHTEN DER KRONPRINZ RUDOLF-BAHN LÄNGS DER STRECKE VON KASTENRElTH DURCH's GESÄUSE BIS SELZTHAL- LIEZEN. MIT BESONDERER BERÜCKSlCf-;lTIGUNG DER HOHEN GEBIRGE, WIE SICH DIESELBEN VOM WAGGON AUS REPRÄSENTIREN. ,r_,~,.._,,.,"'"'"""''~,.,.,.,...,.,,,. NACH DER NATUR AUFGENOMMEN. UND GEZ EI CH NET vo~ p,) .. FRANZ HOLZLHUBER. = ~ WIEN. DRUCK mm VERLAG VO:-1 L. c. ZAMA!tSKL G\ fu ~ 6 ~
Die Fahrt durch's Gesäuse. Himmelstürmen de Giga nten s teh ' n di e Felsen s ta rr und wild, Ungebroch 'nc r ·schöpfungskräfte taus e ndjähr 'ges Ebenbild; Durch die _na~ kten Ka lksteinmassen zieht a ufgähn end s ich e in Riss; Ihre Scheite l küss t d ie So nn e, unten he rrscht d ie Finstern iss. l'vlit dem Sturm, der du rch die Schatten nebel wirbe ln d vorll'ürts braust, J agt die W e ll e um die W e tte, schäumt in enge r Haft und saus t, Mit s ich rei,send, ·was de m Tosen t ro tzig sich entgegenstel lt , Vorll'ärts, vo rwä rts! was sie hemmte, liegt gebändigt, liegt ze rschellt. An den W eg zu Dante ' s Hölle mahnt 's mit Blitzesschnelle Dich. Siehst du dort die Feuer glühen ? Doch die arge Täuschung wich. Hi er, wo mit dem wilden Kampfe prahl end die Naturgewalt Jedem ander'n Ringer höhnend ~ins t e ntgegenrie f ihr „ Halt !" Hat der Mensch sich Bahn eröffn et, biindig t dienstbar er die lüaft, Raubt de r Erde ih re Scb ä tzc aus der Ti efe, ,Yirkt u nd schafft . Russ ige r Cyc lop , di_e Ha nd her! Fleiss'ge Händ e drück' ich ge rn , \ \Tappen von der Menschheit Adel, Scepter \'On der Erde ller rn. ~-- - ---------------
Aus der Residenz Wien mittelst ler Westbahn, aus dem deutschen Reiche über Salzburg _und Simbach, aus Böhmen über · Budweis treffen die Touristen m ·St. . V:alentin zusammen, um mit der Rudolf-Bahn in's Herz der österreichischen Alpen zu reisen. Die Stadt des weissen Panthers, die alte St)"Taburg, die dem Minnesäqger Heinrich von Ofterdingen so gastfreundlich gewesen, im Rücken, am stiU~n Garsten, dem einstigen Benediktinerstifte und der nunmehrigen Strafanstalt vortllJer, vorbei an den sagenreichen Ruinen Losenstein's folgen wir der jugendfrischen Enns stromaufwärts in die Berge: enger und enger wird das Flussthal, die \J\Tphn~tfüten der Menschen werden seltener und ringen der Natut' nur ·mC1bsam den spfü·lich gebotenen Platz zu behaglichem Heimwesen ab, nackte Felsen bilden steilabfallend die Ufer und über gähnende Schllinde, durch Kalksteinmassen, oft den Fluss . riberbrück.end, fcthrt uns unser Weg zu unserem Ziele, dem Gesäuse. Da wir uns ·die Wandelbilder, die in rascher Folge sich unserem Auge entrollen, aus dem Cqupe betrachten, muss bei der rastlos wechselnden Scenerie ein Eindruck. den anden:i . abschwächen und der Erinnernng entfremden; es liegt daher die Absicht nahe, das ge_botene Panorama in Bild und Wort zu fixiren und so ein Werk zu sc:)1affen, das als Vademecum dem Dichterworte gerecht wird: ,,Die Probe eines Genusses ist seine Erinnerung." · Und nun zur vorliegenden Bahnstrecke: Am Einrnündungspunkte der FJC1gelbahn Kl. Reifling-Amstetten in die Hauptbahn St. Valentin-Laibach, nach Passirung eines 325 M. langen Tunnels liegt die
-- 4 -- Haltestelle Kastenreith vor uns. FlussCiber die Hfü1ser von Angern, weiter am Gaflen'{_- bach hinein der bedeutende Marktflecken Wiyer, befinden wir uns hier in der Mitte zwischen den Mariazeller und Admonter Alpen, am Fusse des Alpkogels (1509 111 ), dessen herrliche Fernsicht nach Norden, wie das prachtvolle Gebirgspanorama ,im SCiden auch Damen znr Besteigung (in einem Tage ausführbar) verleitet. Bleiben wir aber im Waggon, so gelangen wir nach 5 Minuten durch ein malerisches Felsenthor in die Station KZ. Reifling, dem eigentlichen Anschlusspunkte nach Amstetten: Den kurzen Aufenthalt benützen wir in der guten Restauration zu einem GabelfrCihstück, um nunmehr den uns erwartenden geistigen Genüssen volle Rechnung tragen zu können. Hart an der Enns führt uns die Schienenstrasse, bald bahnt sie sich durch Kalkgestein den Weg, bald vermitteln kühne Viaducte die Verbindung über Spalten und Erdrisse; parallel mit der alten Eisenstrasse am rechten Ennsufer durchlaufen wir den Schönau- (219 m), den grossen (176 m) und kleinen (25 m) Laussa-Tunnel, eilen auf dem im Bogen angelegten Viaducte über den Klausgraben, rnid überschreiten beim Laussabache die steirische Grenze; links auf dem Berge liegt der Marktflecken Altenmarkt, rechts führt der Weg nach St. Gallen, mit Schloss Gallenstein, wir fahren in Station Weissenbach-St. Gallen ein. Touristen verlassen den Zug, um die den Hintergrund des Thalkessels abschliessende Voralpe (1718 rn), den Buchstein (2214 m) zu besteigen oder durch die Laussa nach Windischgarsten oder in den Stoder zu vvandern. Uuser Vorfeld verengt sich; die zur Flossfracbt benützte Enns eilt durch ihr Felsenbett, immer kunstreicher gestaltet sich die Bahntra~e. Der Wolfsbachau- (92 m), der Lofer- (377 m), der Krippau-Tunnel (344 m) werden zurückgelegt und Cross-Reifling ist erreicht. Die alte Brücke über die Enns benCitzend, eilt ein Theil der Reisegesell= schaft in's Gebiet des Hochschwab, um den Hochkolzr, den Ga111sstei11, den Hochstadl, j,:•;---------------------------------------}l;
-- 5 - ""---------------------------------------- ~ die Kra'uterin zu erklimmen, den Gamsgraben mit der Felsenge „In der Notiz" zu besuchen, in Wi ldalp e sich gütlich zu thun oder auch durch die Mirakelquelle nächst der Rochusgrotte am Fusse des Ker:r,,emnandl's leiblicher Gebresten ledig zu werden, ja, in treuer Erfüllung eines Gelübdes nach dem Gnadenorte Maria-Zell zu pilgern. Wir abe_r bewundern den Recken der Buchsteingruppe, den Damischbachthunn (2025 m), aus dem Thale; wer kühn ihn besteigt, ist reichlich belohnt; Steiermark, Ober- und Niederösterreich stellen ihm ihre Gebirgsreize zur Schau. Kurz ausserhalb der Station nimmt uns die Nacht des Salr_a-Tunnels (260 m) auf, in dessen scharfer Krümmung wir das Knie, das die Enns beim Einfluss der Salr_a bildet, vermeiden; wir übersetzen den Fluss und laufen nunmehr am rechten Ufer desselben, die Berge der Buchsteingruppe vor Augen, in die Haltstelle Landl ein. Unseren Blicken verborgen liegt das reizende Dörfchen fiussLiber am Fusse eines Ausläufers des .Damischbachthurmes, der Almmauer. Menschenleere Wildniss ist der Charakter des Flussthales. Durch das Schweigen der Natur ertönt das Schnauben des Bampfrosses, das die bedeutend e Steigung hinaufkeucht. Der Zug verschwindet im vVandau- (77 m) dann imHiejlauer Tunnel (169 111 ), übersetzt auf eiserner Brücke denErr_bach und hält in Hieflau. Hier zweigt die Flügelbahn nach Eisenerr_ ab. In einer kleinen Stunde gela ngt man durch die wild0 reiche Radmer bei der bedeutenden Steigung von 1 : 40 an Leopoldstein mit seinem tiefernsten Bergsee (von der Bahn aus nicht sichtbar) vorüber, nach dem rei ze nden Markte Eisenerz, der Perle Steiermarks. In kl'1hner Gestaltung überragt der Pjajfenstein diesen Schatzort des Berg- und Hüttenmannes, den die uralte Pfarrkirche, das Schlösschen Geiereck und ein Calvarienberg wie der Ring den Edelstein, umfassen. Doch wir sind ja in Hieflau; der Stationsplatz ist durch Abscarpirung der Berg- --------------------------------------~,.,
- (i -- lehne gewonnen, vor und nach demselben rC1c ken die Wände unmittelbar bis an den Fluss heran. Hieflau selbst liegt in dem Thale des Erzbaches und aus den drei Hochöfen der Irinerberger Actien - Gesellschaft lagert sich der Qualm Liber den rothen D~ichern, erst' spät am Tage von der Sonne mit den Flussnebeln gehoben. Wir befinden uns inmitten von Bergriesen. Der bereits erwähnte Damischbachthwm steigt hier in ge\rnltiger Massenentfaltung fast senkrecht vom linken Ennsufer auf, der Luegauer (2198 '"), dessen knhne, hirnmelstLLrmende Spitze wir vor der Einfahrt in Hieflau bewundert, ist uns der Hero-ld der Hochthorgruppe, vor uns gähnt aus zerklllfteten Gesteinmassen eine schattenhafte Felsschlucht, das „ Gesäuse". Das schmale Bett, das starke Gefälle jagen die \,Vogen des Flusses in stet~ wachsender Eile ihre trlimmerbesäte Bahn entlang; saL1send brechen sie sich an den niedergestnrzten Felsblöcken, wälzen in rasendem Wirbel mächtige Steine und sch~iumen an die Ufer, dass die vereinzelten Bäume, die im kargen Erdreiche Wurzel zu schlagen versuchen, unter ihrem Anpralle erzittern. Wir legen den Ennsmauer-Tunnel (48111 ) zurnck, zunterfahren im HochstegTunnel (103 "') die Fahrstrasse, nbersetzen den Harte/graben, dessen Riesenkaskaden wilde Alpenwasser dem Flusse zuführen (eine wunderbar-p ittoresque Thalschlucht, die jeder Klamm des Salzkammergutes an die Seite gesetzt werden kann), kreuzen auf der Kummerbrücke die Enns und laufen auf deren linker Seite in Gstatterboden ein. Zur Linken präsentirt sich in scharfen Contouren der Planspit7t., rechts s_ind die gewaltigen Massen des Buchsteins aufgethC1rmt, die etwas breitere Thalsohle zu unseren Füssen ist die Ennsjlur. Hochthor, Sparajeld, Reichenstein, Planspit7t. mit ihren starren, nackten Formationen, scheinen im Süden eine unlibersteigliche Mauer zu bil den; das herrliche Johnsbachthal aber verm ittelt dem rC1stigen Touristen die
- 7 - :)!. - - --------- ---------- -------~---------<)'(;.'' Radmer iiber den Sattel des Luegauer, ja, über die Salbingalpe den Niedersteig in die siidliche Abdachung, nach Gaishorn. „Am Abgrund leitet der schwindlichte Steg" sagt Schiller und getreu dies er Schilderung führt uns unser Weg. tlnter uns die sch!iumende Enns, über uns die steilen Wände des Buchstein, so eilen wir auf einer Bahn, den Saumpfaden der Pyrenäen zu vergleichen, dem Ausgange des Engpasses zu. Aber hat das Thal überhaupt einen Ausgang ? dicht rücken die Wände zusammen, nur der eingepresste Fluss erkämpft, tausendmal gestaut, seinen Weg, rings haltgebietende Felsen. Da kreuzt in scharfer Wendung die Bahn nochmals die Enns und keuchend Yerschwindet der Zug in der Nacht eines Tunnels ( G'säusTunnel = 235m). Noch klingt das Rauschen der Wogen in unserem Ohre, noch fühlen wir den Alpdruck der drohenden Felsmassen und die Erinnerung durchhiuft blitzschnell die ganze Scala der dämonischen Naturschönheiten, die wir durchrollt - da sind wir dem Tageslichte wiedergegeben und wie ein schattenhafter Traum liegen die eben genossenen Bilder wilder Romantik hinter uns, denn uns lacht ein Eden entgegen, das Thal von Admont. Unsere bisherigen Begleiter, die stanen Felsen, weichen als ernster Hintergrund zurück und vor uns ausgebreitet liegt in üppiger Fiille wieder ein Heimwesen der Menschheit, eine Sfätte der Cultur. Schwankend unter dem Wechsel der Eindriicke wenden wir den Blick zurück und griissen die Giganten, deren Heimath v,ir durchbraust. Vom Buchstein ziehen sich im Gebirge des P_yhrgas die Hallennauern, im weiten Bogen das Thal umfassend, gegen Westen; den E t 1gang zum Gesäuse verlegt das Hochthor und südlich liegt der l Magnet der Touristen, das Sparafeld (2239m) im Kreise der um den Preis ringenden Bergriesen. Die Kärnthner, Salzburger, ja selbst Tiroler und Krainer Alpenwelt zollt x:----~
T 8 -- der Aussicht vom Sparafeld ihren Tribut und winkt mit ernsten, von ewigem Schnee bedeckten Häuptern stammverwandte GrLrsse ins Ennsgebiet. Stift Admont selbst, ein aus den Flammen (28. April 1865) neugeborner Phönix, erghinzt mit den gothischen ThC1rmen . als Wahrzeiche1i. des mittelalterlichen Culturträgers, des Benedictinerordens. Reich wie das Land an Naturschönheit ist die Bibliothek an Schätzen der Wissenschaft und gllicklich der Forscher, der die Klosterarchive durchstöbert, gllick:lich der Tourist, der die Umgebung durchstreift, dreimal glücklich, wer gewürdigt ward, die Schätze des Stift;;ketlers mit kundigem Gaumen zu erproben. Nur schwer reissen wir . uns los. Der Wallfahrtsort Maria-Kulm auf dem Frauenberge zieht rechter Hand an uns vorüber, Hügelausläufe ·bilden die nächstliegende Scenerie, die Bahn wendet sich nach Sliden und Anblicks der Rottemnannertauern laufen wir in unser heutiges Ziel, die Station Sel:i;_thal, ein. Hier steht Hercules am Scheidewege; die Gisela-Bahn lockt uns Hings unserem bisherigen Wegweiser, der Enns, zu Sal'zburgs neuerschloss~nen Alpenwundern; die Rudolf-Bahn verheisst uns in ihrer unvergleichlichen Tour durch Kärnthen .und am Südabhange der Karawanken durch Krain, ebenbürtige Genüsse; Friesach, Hochosterwitz., Klagenfurt, Ossiach, Villach, Gqilthal, Veldes klingen wie Sirenengesang an unser Ohr. Sie führt uns dem einzigen Rivalen der Alpenwelt, dem Meere zu. Ich glaube, wir verfolgen nächstens di_ese Route und begrC1ssen, nachdem wir den zwar nur Hundertachtzigsten aber gewiss schönsten Theil des Meridians zurl:tckgelegt, die blaue Adria. D. M. :----------------~---------------------~
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