Ingeborg Krenn - Häuserchronik der Altstadt Steyr

42 b) „Mitleiden“ Das Interesse der Stadt daran, dass möglichst alle innerhalb ihrer Mauern Behausten oder Begüterten „mitleiden“ ist selbstverständlich, denn damit verteilte sich die oft nicht geringe Steuerlast, Wacht- und Robotgeld auf eine große Anzahl. Welche verheerenden Folgen das Abweichen von diesem Grundsatz zeitigte, sehen wir um die Mitte des 17. Jhdts. wo man höchst unfreiwillig davon abgekommen war: 38 Häuser standen leer, die Steuerlast, die auf die übrigen fiel, erhöhte sich derart, dass diese ohnehin selbst z.T. Verarmten sie nicht oder nur teilweise bestreiten konnten, sodass die Stadt binnen kurzem ein riesiges Schuldenkonto auf sich lasten sah. Wie wichtig das „Mitleiden“ den Zeitgenossen erschien, besagt schon die Aufnahme dieses Punktes in das Stadtprivileg von 1287 wo es heißt: „Ad hec quicumque lucri libertatum m et iurium Ciuitatis ciusdem participes fuerint, tamquam Ciues ad portandum cum ipsis seruiciorum et necessitatum suarlum onera obseruancius sint abstricti“. Weiters erneuerte Herzog Albrecht II. 1355 zu Wien dieselbe Pflicht 1 für alle Güter im Burgfried.2 Zu Wien, am 23. Dezember 1372, befiehlt Herzog Albrecht dem Richter, Rat und Bürgermeister von Steyr zu veranlassen, dass die Klöster und Gotteshäuser die ihnen gehörigen und im Burgfried liegenden Häuser und Güter innerhalb eines Jahres verkaufen, widrigenfalls von diesen alle gebräuchliche Steuer zu nehmen ist.3 Derselbe verpflichtete alle, die im Burgfried der Stadt und Herrschaft Steyr Häuser und Güter haben, wie die Bürger daselbst die gleiche Steuer zu zahlen. Die Privilegien von 1355 und 1380 scheinen mir vor allem gegen die Adeligen gerichtet, die zu Beginn des 14. Jhdts. noch herrschend, gegen die Mitte des Jahrhunderts an Macht im Stadtregiment stark einbüßten. Und 1471, am 7. Juni in Steyr, betont Kaiser Friedrich ausdrücklich, dass jeder Bürger und Inwohner nur in seinem eigenen Haus, wenn er der Stadt in Steuern, Wacht und Robot davon mitleidet, Weinschenken oder sonst mit Kaufmannschaft handeln darf.4 Auch andere Städte zeigten dieselbe Tendenz: für Graz erlässt Herzog Otto 1336 das Gebot, dass alle Besitzer von Stadthäusern „die seien edel oder unedel“ verpflichtet, der Stadt zum Bau der Befestigung behilflich zu sein. Und Rudolf IV. verordnet 1364 über Bitte der Bürgerschaft, dass auch alle Grazer Bürger, die aufs Land gezogen seien, von all ihrem Hab und Gut sowohl in der Stadt als auf dem Lande bei gerechtem Eid die Schatzsteuer mit der übrigen Bürgerschaft zu entrichten hätten und dass die Adeligen von ihren vielen Höfen und Stadthäusern, mit den Bürgern zu steuern und zu leisten hätten.5 Für Wien wurde mit Verordnung vom 20.7.1361 die Gültigkeit letztwilliger Zuwendungen an die „tote Hand“ an das Zeugnis zweier Ratsmitglieder, zweier „genannter“ oder „zwei ander unversprochen mann“ gebunden, sie „bei gesworn aiden besteten“ sollten, „daz das gescheft recht und redlich geschehen sei.“ Darüber hinaus aber hatten Kirchen und Klöster alle solcher Arten überkommene Güter „immer dem negsten iar darnach, so si der verschafften Gueter gewer begreiffent, ainer person, frawn oder mann, ze Wienn zu verkaufen, die mit der stat und mit der gemain der burger daselbs leidet oder dient.“6 Trotz aller Privilegien scheint es aber immer Ausnahmen gegeben zu haben, sonst wäre die in Kapitel Freihäuser erwähnte Verordnung Maria Theresias nicht nötig gewesen. Im Großen gesehen waren es nur 2 Gruppen, die sich immer wieder ihrer Steuerpflicht entziehen wollten, Kirche und Adel, Vertreter jener Stände, denen nach Aufkommen der Städte erst langsam beigebracht werden musste, dass hier ihren Vorrechten eine Grenze gesetzt war. 1 OÖUB IV/66. 2 Preuenhuber, S. 52. 3 OÖUB VIII/629, Or. Steyr, Mittelkasten, Lade 1. 4 Or. Steyr, Mittelkasten, Lade 1. 5 Wagner, Häuserbuch S. 497. 6 Walter, Wien, S.138.

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