Ingeborg Krenn - Häuserchronik der Altstadt Steyr

37 widerstanden. Nur so ist es ja erklärlich, dass der Grünmarkt und vor allem die Enge trotz der Brände noch Häuser, die ihrem Grundcharakter nach der Gotik, in einzelnen Teilen sogar der Romanik angehören, aufweisen. Nun zurück zum Brand des Jahres 1522. Von den unmittelbaren unerfreulichen Folgen habe ich bereits gesprochen. Mittelbar, d.h. dass wohl der Brand den Wunsch zu einem Neubau oder Umbau erweckt hat, dieser aber erst ein halbes Jahrhundert später ausgeführt worden ist, haben wir dem Brande das einzige Renaissancehaus (H. 15) zu verdanken, das seine Rolle der Überleitung vom Grünmarkt zum Stadtplatz auf eine angenehme und schöne Weise löst. Elisabeth Händl verw. Gruber hatte es ihrem 1582 verfassten Testament zufolge „von grundtauf neu ... gebaut“. Auch das H. 47 (in der Pfarrgasse) mit seinen renaissancenen Seitennischen rechts und links der Tür weist auf den Umbau nach dem Brand hin und sicherlich steht auch der Zusammenbau der beiden Häuser zu dem großen Madlsederhaus und der Einbau des schönen Renaissancehofes mit seinem Sgraffitoschmuck nicht ganz ohne Zusammenhang mit dem Brand, wenngleich der letzte Anlass dafür erst die Erwerbung des Nebenhauses durch Hans Matlseder sein konnte. Ähnlichen segensreichen Wirkungen werden wir auch bei den folgenden Großbränden begegnen. Denn selbst, wenn der Wunsch zu einem Neubau ähnlich dem des Hauses 15 vorhanden ist, wird man sich doch hüten, ein völlig intaktes Haus abzureißen, während ein beschädigtes dem Wunsch in vieler Beziehung entgegenkommt. Auch einen anderen Fragenkomplex möchte ich nicht umgehen, da wir heute angesichts unserer durch den Krieg zerstörten Städte an den Fragen des Wiederaufbaues ganz besonders interessiert sind: wie war es möglich, dass nach Brandkatastrophen, die nicht kleiner waren als unsere durch Bombenwürfe verursachten Brände, die Städte in so kurzer Zeit wiedererstanden, während wir Jahrzehnte brauchen, um die Schäden wieder zu beheben? Da kommt es uns erst so richtig zu Bewusstsein, was den Wiederaufbau heute so hemmt: es ist der allgemeine Tiefpunkt, von dem unsere Wirtschaft sich immer noch nicht erholt hat; im Gegensatz dazu fielen die Brandkatastrophen früherer Zeit selten mit wirtschaftlichen Notzeiten zusammen, lediglich eine Stadt wurde in einem bestimmten Zeitraum von einem solchen Unglück heimgesucht. Da die Bevölkerung selbst sich einer gewissen Wohlhabenheit erfreute, traf sie der Verlust an sich schon nicht so schwer wie eine durch Krieg und Inflation verarmte Bevölkerung. Dazu konnten auch die verschonten Nachbarstädte alle erdenkliche Hilfe an Nahrungsmitteln, Kleidung und Geld beisteuern. Ein klassisches Beispiel für die Solidarität österreichischer Städte bilden die Unsummen an Geschenken jeder Art, die der Stadt Steyr nach dem Großbrand des Jahres 1842 (der allerdings Steyrdorf betrat) von allen Seiten zugegangen sind.1 Eine andere Art der Erleichterung des Wiederaufbaues zeigt wiederum der Brand von 1727: der Landesfürst (Kaiser Karl VI.) befreite „die abgebrennten Burger bis auf Reichung deren auf ihre Häuser kommenden ordinari und extraordinari Steuern und Contributionen von 1727 anzufangen 15 Jahre lang“. Außerdem mussten einem Schreiben vom 5.4.1730 des Kaisers an die Stände zufolge, die nicht abgebrannten Besitzer ihre Steuern durch 3 Jahre hindurch den Abbrändlern zur Erbauung ihrer Häuser geben.2 Wie wirksam diese Unterstützung war, wie leicht die Besitzer die finanzielle Schädigung trugen, beweist, dass von allen vom Brand 1727 betroffenen 72 Besitzern nur 4, d.s. 5,6 %, von den vom Brand 1824 betroffenen 52 Besitzern ebenfalls 4 d.s. 7,5 % zum Verkauf ihres Hauses gezwungen waren, da sie selbst den Wiederaufbau nicht zu leisten imstande waren. Die übrigen benützten nach 1727 die Gelegenheit zu einer mehr oder weniger weitgehenden Restaurierung, die besonders den Fassaden jene barocke Freudigkeit verlieh, die dem Stadtplatz sein Gepräge verleiht, meist aber unter Bewahrung des gotischen Baucharakters des ganzen Stadtplatzes, obwohl nur ein Teil davon vom Brand in Mitleidenschaft gezogen worden war, denn die übrigen Besitzer wollten nicht zurückstehen und ließen deshalb auch ihre Fassaden barockisieren. So entstand damals die herrliche Fassade der Häuser 73, 80, 170, ganz zu schweigen vom Neubau des Cölestinerinnenklosters, der Cölestinerinnenkirche und des Schlosses. Eine segensreiche Wirkung des Brandes von 1824 war, vom Standpunkt des Verkehrs aus gesehen, der Abbruch des Steyrtores, das als erstes der Tore fiel, wobei der Brand Wegbereiter war. 1 Blümml, Brand von Steyr. 2 Brand 1727, Schreiben vom 29.3.1729 des Kaisers an die Stände.

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