Ingeborg Krenn - Häuserchronik der Altstadt Steyr

36 städtisch eingerichteten Stuben war weiter Wohnung der Familie, während das Hinterhaus, die tiefen Keller und der Dachboden als Lagerräume dienten und die Inwohner meist in den Stöckelgebäuden untergebracht waren. Das erste Stockwerk des Hauses mit schmaler oder doppelter Giebelfront ragte meist vor, ein hohes spitzes Giebeldach schloss es ab. Die Veränderungen dieser Grundform des deutschen Bürgerhauses durch das Eindringen der italienischen Bauweise habe ich im Kapitel Bau- und Stilperioden angedeutet. Trotzdem nun die Grundform die gleiche war, lässt sich doch für gewisse Teile der Altstadt ein eigener Typus feststellen: die Enge ist nicht nur an sich eine der schmalsten Verkehrsstraßen Steyrs, ihre Häuser zeichnen sich auch durch den schmalsten Grundriss aus. Es herrscht der dreiachsige Typ mit zehn Häusern vor, während vier sogar nur zweiachsig sind. Besonders auffallend sind die langen tonnengewölbten Gänge, durch die man vom Haustor in den Hof gelangt, der ebenfalls sehr schmal ist und daher nur auf einer Seite eine Verbindung von Vorder- und Hinterhaus durch einen Säulengang zulässt. In den Kaufmannshäusern finden sich nahe der Eingangstür eine Reihe von längeren Nischen, die einst dem Verkauf dienten. Der Stadtplatz zeigt das Patrizierhaus in seiner vollen Entfaltung. Gewiss waren auch hier ursprünglich die Bauparzellen nicht um so viel breiter, aber das Streben nach Vergrößerung des Hauses durch Aufkauf eines oder mehrerer Nachbarhäuser und Zusammenbau konnte hier am besten zur Geltung gelangen. Ein sicherer Beweis dafür ist das Haus 68. Das Kaufmannshaus ist gewöhnlich 4-7 achsig und dreistöckig. Länge und Breite der Parzelle verhalten sich wie 2,5 zu 1.1 Am Grünmarkt herrscht der 4-achsige Typus vor, während in der Berggasse ein noch kleinerer, meist nur mit einem Lichthof, vertreten ist. b) Änderungen durch Naturkatastrophen Zwar erlebte die Stadt nie, zumindest nicht soweit die Überlieferung reicht, ein großes Erdbeben, doch sind Erschütterungen kleineren Stils wohl nicht ausgeblieben, worauf die windschiefenMauern in manchen Häusern der unteren Zeile (H. 155) (die allerdings nach Weschta ihren Grund in einer unfachmännischen, unsorgfältigen Ausführung haben können) und einige Höfe, (H. 143, 149) in denen die, die seitlichen Verbindungsgänge und Galerien tragenden Kragsteine von Säulen gestützt werden. Freilich könnten diese Säulen auch einer Modernisierung in der Renaissancezeit entstammen. Da sonst in der ganzen Stadt nicht die geringste Spur eines Erdbebens zu finden ist, wird diese Erschütterung (vielleicht als Ausläufer einer größeren) nur die untere Zeile betroffen haben. Wütende Brände verheerten einige Male imMittelalter und in der Neuzeit das Gebiet der Stadt, jedoch wie ein Phönix erhob sie sich schöner und strahlender aus der Asche. Durch Schaden wird man klug: darum mussten nach einem lokalisierten Brand eines „Beckenhausses“ (H. 172, 158 oder 155) „der Orten ums Schloss“ im Jahre 1545 alle hölzernen Dächer abgerissen und durch Ziegeldächer ersetzt werden. Für den übrigen Teil der Stadt verfügte Kaiser Ferdinand, dass in Hinkunft keine hölzernen Dächer mehr gebaut werden dürften.2 Und selbst der verheerende Brand des Jahres 1522, der die Stadtpfarrkirche für ein Jahrhundert als Ruine hinterließ, und den Dominikanern ihre Wirkungsstätte zerstörte, wird in dieser Hinsicht nicht ohne „segensreiche“ Wirkung gewesen sein, wenn sich auch schwer sagen lässt, wie weit damals die Zerstörung der Häuser ging, wie weit sie also neu gebaut werden mussten. Es ist dies überhaupt eine prinzipielle Frage: waren die in den Chroniken und Annalen als so verheerend geschilderten Stadtbrände wirklich so arg, haben sie tatsächlich ganze Stadtteile vollkommen bis auf die Grundmauern in Schutt und Asche gelegt, oder betraf die vollkommene Zerstörung doch nur immer einen gewissen kleineren Brandkern, in dem das Feuer besonders wütete, während die Randgebiete mit mehr oder weniger großen Schäden an Dach und höchstens noch dem oberen Stock davonkamen? Freilich, solange die Häuser aus Holz gebaut und mit Stroh gedeckt waren, ist eine vollständige Vernichtung gewiss, aber, wie ich im Kapitel Baumaterial näher ausgeführt habe, kam dies für Steyr nicht allzu lang in Betracht. Von dem Zeitpunkt an, in demman in Stein baute, konnte selbst der wütendste Brand nur mehr Dächer und Einrichtung verschlingen, die dicken Steinmauern 1 Weschta, Bürgerhaus, S. 83. 2 Preuenhuber, S. 264.

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