Ingeborg Krenn - Häuserchronik der Altstadt Steyr

35 und die 5 restlichen Häuser in der Berggasse (162, 163, 164). Einen großen Vorteil hatte diese Art der Nummerierung gegenüber der vorhergehenden: sie konnte durchlaufend geschehen, während die andere (siehe laufende Nr.) den großen Sprung vom Dammtor zum Neutor machen musste. Die nächste Häuserkonskription erfolgte 1846 und zwar für ganz Steyr in 2 Abschnitten fortlaufend: rechts und links der Steyr. Für die Altstadt änderte sich dabei nichts Grundlegendes, denn das Gebiet rechts der Steyr begann eben mit der Altstadt. Diese Nummerierung, im GB 1833 unter „neu“ eingetragen, war gültige Hausnummer bis 1880 und lebt als Konskriptionsnummer noch heute fort. Im Jahre 1880 wurde gleichzeitig mit der Einführung des neuen GB auch die neue Häusernummerierung nach Gassen und Plätzen immer von Nr. 1 beginnend, durchgeführt, wie sie das Volkszählungsgesetz vom 29.3.1869 1 für Städte vorsieht. Damit diese Neu-Einführung leichter durchdrang, gab der Magistrat und auch das Gericht in einem gedruckten Bändchen die alten und neuen Nummern vergleichsweise heraus.2 5) Das bürgerliche Wohnhaus a) Grundform Das deutsche Bürgerhaus ist aus dem deutschen Bauernhaus entstanden: es bestand ebenfalls aus einem Vorderhaus als Wohngebäude und einemNebengebäude am hinteren Ende der Hofstatt für landwirtschaftliche Zwecke, so lange die Bürger noch zum Teil Landwirtschaft betrieben.3 Die Weiterentwicklung ging dahin, dieses Nebengebäude ebenfalls zu Wohnzwecken auszubauen, wobei häufig das Vorder- und Hintergebäude in der Hand zweier Besitzer waren. Diesen Zustand spiegeln die älteren Urbare des Bürgerspitals 1494, 1504 und 1541 und das Steyrecker Urbar von 1481 wider. Erhalten hat er sich bis heute in den vier am Goldschmiedgässchen liegenden Häusern 159-162. Die Parzellenanordnung war damals schon die gleiche wie heute. Betrachten wir sie näher, so finden wir die Häuser entweder in Gruppen dicht beieinander „mit einer Scheidemauer, darauf die Rinne liegt“,4 oder voneinander durch schmale Zwischenräume, die sogenannten „Reichen“ getrennt.5 Zweck dieser Reichen war, bei Bränden das Übergreifen des Feuers zu erschweren und das Regenwasser von den Dächern und die Spülwasser in offene Kanäle (Schläuche) abzuleiten.6 Einzelne solcher Reichen wurden später zu öffentlichen Verkehrswegen, wie zum Beispiel die Mayrstiege und das jetzt vermauerte Badgässl in der Enge. Beim Zusammenbau zweier Häuser finden wir sie als Einfahrt verwendet. (H. 127, 133) Die Form der Parzelle war, wenn sie sich frei entfalten konnte, lang und schmal. Sie bedingte die Tiefenanordnung der Baustellen so zwingend, dass kein Baustil sie überwinden konnte. Haben wir uns im Mittelalter die Häuser anfangs eingeschossig, dann zweigeschossig vorzustellen, so ist die nächste Entwicklungsstufe bereits jenes deutsche spätgotische Haus, von dessen Vertreter die Altstadt erfüllt ist. Bedingt ist diese erweiterte Hausform durch das Eindringen des Frühkapitalismus in die Eisenkammergutswirtschaft, durch das das reine Händlertum herausgebildet wurde.7 Das Kaufmannshaus wurde weiterhin nur von einer Familie bewohnt, wobei „Familie“ in einem sehr weiten Sinne verstanden ist, denn auch das sehr zahlreiche Gesinde gehörte mit dazu. Doch scheint dieser Grundsatz in Steyr schon zu Beginn des 16. Jhdts. durchbrochen gewesen zu sein, denn schon im Steuerbuch 1543 fand ich eine Unmenge Inwohner (meist Gewerbetreibende, Mieter) verzeichnet. Die Ursache dieser grundsätzlichen Wandlung kann wohl in dem raschen Anwachsen der Bevölkerung und der damit verbundenen Wohnungsnot (in dem Sinn, dass nicht jeder mehr ein Haus innerhalb der Mauern erwerben konnte) gesehen werden. Das Vorderhaus mit seinen großen, 1 RGBl. Nr. 67, § 6. 2 Siehe Quellenverweise. 3 Loehr, Leoben, S. 40. 4 Luschin-Ebengreuth, Graz 496. 5 RP 1581/115/17.3. Bausachen Nr. 4422 (1654). 6 Luschin-Ebengreuth, ebenda. 7 Loehr, Leoben, S. 40.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2