Ingeborg Krenn - Häuserchronik der Altstadt Steyr

14 Abschließend möchte ich über dieses schwierige und heikle Problem sagen: Ich schließe mich der Meinung Lahusens und seinem Vergleich mit Wels an. Parallelen finden sich auch in der Altstadt Bozen und Wien: Im ersten Fall verlor die Burgsiedlung am Virgl zunächst ihre Bedeutung an die Brückenkopfsiedlung, die zu ihren Füssen zu beide Seiten des Eisacks und gegen die Pfarrkirche zu entstanden sein wird. Diese musste wiederum den Rang abtreten an das Burgum Bozani, welches wahrscheinlich im späteren 12. Jhdt. im Anschluss daran in den oberen Teilen des Talferschuttkegels planmäßig angelegt und befestigt wurde und bis nun den Kern der Talferstadt bildet.1 Im zweiten Falle finden wir die planmäßige Anlage des Grabens ebenfalls im 12. Jhdt.2 Um die Zweiphasen-Entwicklung Wengerts auf die Entwicklung der Anlage der Altstadt anzuwenden, möchte ich sie nur dahin abgewandelt wissen, dass die erste Phase kein offener, sondern ein geschlossener Markt war und dass die zweite Phase kein Akt einer einheitlichen Gründung ist, sondern allmählich, aber planmäßig vor sich gegangen ist. Freilich musste die etappenweise Planung von einem städtebaulichen Instinkt geleitet gewesen sein, der die Gegebenheiten des Geländes in geradezu idealer Weise ausnützt, den wirtschaftlichen und technischen Anforderungen in geeigneter Weise Rechnung trug und rein künstlerisch glückliche Lösungen fand, wie wir sie heutzutage nur selten zu Stande bringen; wie z.B. die Herausstellung der geistlichen und weltlichen Herrschaftsgebäude (Kirche und Burg) an den beiden Enden der Niederterrasse, während sich das Rathaus, das Wahrzeichen des bürgerlichen Gemeinwesens, auf gleicher Ebene mit den bürgerlichen Wohnhäusern hält, ein primus inter pares. Die Klöster nehmen Plätze ein, wie in anderen Städten, beide die Stadtmauern durch ihre geschlossene Front verstärkend: Das Dominikanerkloster inmitten seines Wirkungskreises, das Kloster der Cölestinerinnen in der stillen Abgeschiedenheit des Berggässchens, die weder ein lauter Verkehr noch das Lärmen der Handwerker durchbricht. Die Stiftshäuser gruppieren sich um die Kirche, während alle dem Handel und Verkehr verbundenen Gewerbe der Lage am Stadtplatz und seinen beiden Zufahrtsstraßen zustreben. 2. Bauabschnitte der Altstadt und ihr Charakter 1) Urstadt 3Ich bin mir dessen bewusst, dass die Überschrift dieses Kapitels zu Irrtümern verleiten kann. Eine Definition wird dies vermeiden: Unter Urstadt verstehe ich jene älteste Siedlung unter der Burg, die wir als die Wurzel, den Ursprung, den Kern der Stadt anzusehen haben. Es ist jener Teil des Landzipfels, der fast in der Form eines Segmentes von den Radien Steyr- und Ennsfluss aus einem imaginären Kreis herausgeschnitten erscheint, dessen eine Hälfte die Burg, die andere aber jene Urstadt einnimmt und dessen Landseite durch einen Graben in der Breite des heutigen Schlossgrabens geschützt war. Ob diese Urstadt jemals Stadtcharakter hatte, ist zweifelhaft, vielleicht besaß sie einige von jenen Privilegien, die in ihrer Gesamtheit den Stadtcharakter ausmachen. Jedoch glaube ich, den Ausdruck ohne Verwirrung zu stiften, anwenden zu können. Es ist nicht mein Verdienst, den schon von Sekker 4 und Dehio 5 ausgesprochenen und durch Preuenhuber 6 angeregten Gedanken, dass sich schon ziemlich früh im Schutz der Burg auf dem Ländeplatz eine Kaufmannssiedlung entwickelt hatte, Leben eingehaucht zu haben. Dieses Verdienst kommt bereits Berndt zu und ich will es keinesfalls schmälern, auch wenn ich im Folgenden manche seiner Beweise kritisch anzuzweifeln gezwungen sein werde. Berndt hatte dabei den großen Vorteil, dass er sich 20 Jahre früher mit der Frage zu beschäftigen begann, wobei der Vorteil nicht so sehr in der Länge des Zeitabschnittes, sondern darin besteht, dass zu dieser Zeit noch manches erhalten war, 1 Hutter, Trient, S. 58; Hoeniger, Bozen, S. 23. 2 Voltelini, Wien S. (?). 3 siehe Beilage 4. 4 Sekker, Burgen, Nr. 171, nimmt sogar an, dass der in der Mistelbacher Synode verzeichnete Zehent nicht v. d. Styraburg allein, sondern mit von den Bewohnern dieser Siedlung geleistet wurde. 5 Dehio, Oberdonau, S. 200. 6 Preuenhuber, S. 6.

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