12 Seidl 1 und Berndt 2 machen wiederum für die Form des Stadtplatzes einen Anger, eine Flur, ein Feld oder dergl. (die erste Subterrassenflur ausnützend) für die linsenförmige Gestalt verantwortlich. Man sieht aus diesen Bemühungen, den Grundriss aus anderen Faktoren heraus als dem einer Planung zu erklären, dass die Ablehnung der Annahme einer geplanten Anlage für Steyr nicht unbegründet ist. Dennoch fällt es bei der Betrachtung des Grundrisses wieder schwer, von einer Planung ganz abzusehen: die Symmetrie in der Anlage der Gassen und Plätze ist nicht zu leugnen. Es entsprechen einander: Zwischenbrücken Platz am Neutor Ennstor Neutor Steyrtor Reichenschwallertor Enge Grünmarkt Pfarrkirchenkomplex Schloss Pfarrstiege Schlossberg Pfarrgasse Schulstiege Eisengasse Untere Kaigasse Nur die Mayrstiege ist etwas zu weit vom Zentrum abgelegen, doch fällt sie nicht ins Gewicht, da sie ja lediglich nachträglich aus einer Reiche 3 entstanden sein dürfte. So ist es also, wie wir gesehen haben, nicht leicht, die Frage, ob gewachsene oder planmäßig angelegte Stadt, zu beantworten. Maja Loehr hat in ihrer Häuserchronik von Leoben diese Stadt geradezu als das Musterbeispiel einer planmäßig angelegten Stadt hingestellt , „der Plan, der formgebende Schöpfungswille des Stadtgestalters geht von außen nach innen, vom Kontur des Ganzen zur inneren Durchgliederung der Teile vor“, während sie in Steyr, der nördlichen Schwester-Verlagsstadt des Erzberger Eisens den Typus einer organisch gewachsenen Stadt sieht: „Ausgliederung der Teile von einem inneren wesenhaften Kern“.4 Auch Weschta entscheidet sich für eine „allmählich gewordene Anlage“.5 Andererseits wollen die Hinweise auf die Gründung von Burgen und Städte wider die Einfälle der Ungarn auf dem Landtag von Tulln im Jahre 985 in der Literatur nicht ganz schwinden, trotzdem Hormayr sie schon im Jahre 1816 als eine Erfindung Aventins gebrandmarkt hat.6 Unabhängig davon halten Wagner 7 und unausgesprochen Lahusen 8 die im Anschluss an die Urstadt entstandene Marktsiedlung für gegründet. Es würde sich hierbei um einen zweiphasigen Entwicklungsprozess und nicht um eine einheitliche geistige Schöpfung der Anlage der Altstadt handeln. Wengert nennt diesen Prozess „Stadtwerdung“ und findet ihn bei steirischen Städten als „Ausbau offener Märkte zu Städten“.9 Aufgabe dieses Ausbaues war: Bereitstellung neuer Bauflächen mit den Straßen und Gassen, Vorsorge für Freiflächen, eventuelle Anordnung neuer Märkte, städtische Befestigung, wobei jedes Mal eine Auseinandersetzung mit dem Siedlungskern (demMarkt) notwendig war. Der städtische Ausbau konnte nur individuell in organischem Anschluss an den jeweils vorhandenen Baubestand und in bestmöglichster Auswertung des gegebenen Terrains erfolgen.10 Als Beispiele führt Wengert Feldbach, Pettau, Judenburg, Friedau, Marburg/Drau und besonders Rann am Zusammenfluss von Save und Gurk an. Die Entwicklung vomMarkt Rann zur Stadt geht auch nicht aus den Quellen hervor, aber die für offene Marktorte bezeichnende einseitige Orientierung (hier auf das Schloss) und ein gewisser Unterschied der Breitenbemessung der Hofstätte(!) zwischen dem südlichen und nördlichen Stadtteil scheinen auf zwei besondere Entwicklungsphasen zu deuten.11 Wengert geht sogar noch weiter und behauptet, man 1 Seidl, Erdgeschichte, S. 223. 2 Berndt, Baugeschichte, Die Stadt, S. 13. 3 siehe S. 35. 4 Loehr, Leoben, S. 34. 5 Bürgerhaus, S. 75. 6 Neustadt und Steyr, S. 92. 7 Häuserbuch, S. 10. 8 Verfassung, S. 38. 9 Stadtanlagen, S. 30 f, S. 14 f. 10 Stadtanlagen, S. 55. 11 Stadtanlagen, S. 61 f.
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