Ingeborg Krenn - Häuserchronik der Altstadt Steyr

6 bedeutendste Waffenteilerzeuger Leopold Werndl, dessen Sohn Josef ab 1855 die Fabrik mit seinem weitblickenden Unternehmungsgeist zur ersten österr. Waffenfabrik emporhob. Ab 1869 war er Generaldirekter der AG. „Österr. Waffenfabriksgesellschaft“, die bei den Spannungen der letzten Jahrzehnte des 19. Jhdts. mit Aufträgen aus vielen europäischen und außereuropäischen Ländern überhäuft wurde.1 In rechtlicher Hinsicht führte die Entwicklung über den 1325 bezeugten Rat2, die erstmalige Erteilung der Blutgerichtsbarkeit an den Stadtrichter im Jahre 1495 und den dauernden Besitz dieses Rechts seit 1523, über die Erlaubnis mit rotem Wachs zu siegeln (1512) bis zum Recht der Wahl eines Bürgermeisters und der Einrichtung eines jungen 6-gliedrigen Rates neben dem alten Rat und später eines Collegiums von 18 Genannten zur Erledigung der sehr zahlreich gewordenen Pflichten der Stadtverwaltung.3 Die neuere Entwicklung von der Beaufsichtigung durch den aufgeklärten Absolutismus bis zur Stadtverfassung des 19. Jhdts. ging Steyr mit allen übrigen Städten gemeinsam. Die Träger der Stadtverwaltung habe ich im Kapitel Bewohner behandelt. 1347 ging der Burggraf endgültig seines Stadtrichteramtes verlustig. Streitigkeiten der einander so nahen und gleichartigen Gewalten warfen ihre Schatten bis ins 17. Jhdt., wo sie zu Gunsten der Stadt entschieden wurden. Dass die Bürger die Geschäfte ebenso gut, wenn nicht besser verstanden, beweist der Aufschwung der Stadt, und der wirtschaftliche und kulturelle Höhepunkt den die Stadt im 16. Jhdt. erreichte: Sie gehörte zu jenen Städten, von denen Kaser sagte: „Muss man es noch einmal sagen, dass eine stattliche Reihe von Stadt- und Marktgemeinden ihre besten Lebenssäfte aus der Eisenwurzen saugt! In Ihren Mauern sitzen die Erzeuger weltbekannter Waren, die Eisenkaufleute und Verleger, deren Kapitalien den Betrieb befruchten, die Arbeit am Berg und in den Hämmern erst möglich machen und mit dem Weltmarkt direkt oder indirekt in Verbindung stehen. Sie sind es, die dem kommunalen und sozialen Leben ihrer Stadt erst Mark und Farbe verleihen, deren Reichtümer malerische Stadtbilder schaffen halfen.“ 4 Und nicht nur dem Leben ihrer Stadt verleihen die Steyrer Händler „Mark und Farbe“, sondern darüber hinaus dem ganzen Gebiet der Eisenwurzen, dessen kulturelles Gesicht sie einheitlich gestalteten. Der Großhändler von Steyr war soziales Vorbild des Landes (über die Rats- und Hammerherren auch für die arbeitende Bevölkerung) Steyr der allein bestimmende Kulturmittelpunkt.5 Wie wichtig die Stadt in ihrer Blütezeit war, zeigt nicht nur die riesige Steuersumme, die sie jährlich zu leisten hatte (30% der Gesamtsumme, die die 7 landesfürstlichen Städte ob der Enns aufzubringen hatten 6), sondern auch die Tatsache, dass sie lange Zeit im alten Städteviereck Wels, Linz, Enns, Steyr die wirtschaftliche und kulturelle Führung inne hatte, was noch seinen letzten Ausdruck zu Beginn der Reformation in den grimmigen Kämpfen der neuen Lehre mit der alten Kirche, im Wiedertäuferprozess vom 1528 7 findet, obwohl schon damals Linz sich zur Landeshauptstadt emporgeschwungen hatte.8 Die wirtschaftlich und militärisch günstige Lage, „Natur und Politik“ hatten zum Aufschwung Steyrs mitgewirkt.9 Als Bollwerk gegen die anstürmenden Magyaren wurde die Burg errichtet; es fehlen alle Nachrichten drüber, ob sie jemals Gelegenheit hatte, sich als solche zu bewähren. Während der im Lichte der Quellen liegenden Zeit jedenfalls hat sich nie eine Flut aus dem Osten an den festen Mauern Steyrs gebrochen. Die Devise der Feldherren des Jahres 1945 „An der Enns wird gestanden“ 10 versuchte auf historischen Analogien aufzubauen, die jeder Grundlage entbehren: der Krieg zwischen Mathias Corvinus und Friedrich III., dessentwegen die Stadt unter Einbeziehung der Vorstädte eine 1 Klunzinger, Steyr, S. 73 ff. 2 Lahusen, Verfassung, S. 39. 3 Preuenhuber, S. 161 ff. 4 Kaser, S. 76. 5 Grau, Mundart, S. 95. 6 StB 1573. 7 Eder, Glaubensspaltung, S. 6. 8 Sekker, Entwicklungsgrundlagen, S. 172. 9 Kaser, S. 117. 10 Ausspruch Eigrubers

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