Ingeborg Krenn - Häuserchronik der Altstadt Steyr

einer schönen, großen Kirche nicht erlahmt, man musste jedoch vorderhand von der Einwölbung der Kirchenruine Abstand nehmen, da Sachverständige erklärt hatten, die Pfeiler seien für ein neues Gewölbe nicht mehr tragfähig. Dafür wurde 1454 das Portal der Vorhalle neben dem Pfarrhof geschaffen, das allerdings schon Merkmale verfallener Gotik zeigt; aus dem Jahre 1559 stammt das schöne, aus Glockenspeise gegossene, mit Zinnreliefs auf dem trichterförmigen, später aufgesetzten Deckel verzierte Taufbecken. 11 Während der Reformationszeit war die Kirche eine der heißest umtobten Stätten des religiösen Kampfes. Selbst die alte Tradition des Benediktinerklosters Garsten war kein Garant für die Predigt einer rein katholischen Lehre ohne Neuerungen von der Kanzel der ihm anvertrauten Stadtpfarrkirche herab. Und so kam es, dass nach dem in Steyr sehr raschen und schrankenlosen Durchbruch der Reformation auch in der Stadtpfarrkirche (von 1545 bis 1621)12 evangelischer Gottesdienst gehalten wurde und Bilder und Statuen daraus verschwanden. Nur einem gütigen Geschick beim Brand von 1522 und einem Versehen der bilderstürmerischen Protestanten haben wir die Erhaltung der drei schönen gotischen Statuen am Nordportal zu verdanken: Apostel Jakob major, hl. Elisabeth und Märtyrerin Agnes, schlanke Plastiken, deren weicher und einfacher Fluss der Gewandung und vor allem deren seelischer Ausdruck (besonders bei Agnes) nach Harters Meinung noch auf die erste Zeit der Kirche (also vor 1443) hinweisen. 1900 hat sie Franz Christoph Erler, ein Meister gotischer Bildhauerkunst, restauriert und die vierte Statue (Evangelist Johannes) ersetzt. 13 Auch das bekannte Relief „Maria End“ am Nordportal feierte damals unter Erlers Meisterhänden eine Wiedergeburt. Nach dem Sieg der Gegenreformation versuchte man, auch die alte gotische Pfarrkirche dem neuen Geschmack anzupassen. Das Schiff wurde nun endlich im Jahre 1628 (unter Abt Anton II von Garsten) barock eingewölbt, der Turm erhielt einen barocken Helm, der noch auf der Photographie des Jahres 1854 zu sehen ist. Damals wurde wahrscheinlich auch der Lettner entfernt, der die Kirche beim vierten Pfeiler durchquerend den Raum der Laien vom Priesterchor schied. Auf dem in der Wiener Akademie der bildenden Künste aufbewahrten alten Plan der Steyrer Stadtpfarrkirche ist dieser Lettner noch ersichtlich, auf ihn führte eine Stiege neben dem Ausgang an der Epistelseite und eine Türe vom Turm aus, deren Spuren heute noch kenntlich sind. 14 In diesem Zustand blieb die Kirche über 200 Jahre, bis die Zeit aufgeschlossen wurde für die Schönheiten der Gotik. Man begann plötzlich die Disharmonie in den barockisierten gotischen Kirchen zu sehen und damit unerträglich zu finden. 1857 ging man an die Rückgotisierung der Stadtpfarrkirche, wobei freilich manch treffliches Stück aus dem Barock verloren ging. Der gotische Hochaltar wurde bei Fidelis Schönlaub in München bestellt, der Altar der Turmkapelle dem Steyrer Kunsttischler Johann Jaumsch anvertraut.15 Das Hochaltarbild von Röselfeld kam in die Margaretenkapelle. (Siehe H. 22.) In der Nacht vom 8. zum 9. Jänner 1876 brannte die obere Turmwarte infolge schadhaften Rauchfanges der Turmwächterwohnung nieder. (Ein Bild des Brandes hängt in der Kanzlei des Pfarrhofes.) Turmhelm und Kreuz stürzten in die Tiefe, letzteres blieb unversehrt und wird an der Außenwand der Kirche gegenüber demMesnerhaus aufbewahrt. Nun erst, 1885, wurde nach Plänen des Dombaumeisters Schmidt der Turm in seiner jetzigen schönen, hohen Form ausgebaut, einer Form, die nach unserem dem Gotischen zugeneigten Empfinden in solchem Maße mit dem übrigen Bau harmoniert, dass wir geneigt sind, zu glauben, sie wäre von vornherein nicht anders geplant gewesen. Der Bau dauerte vier Jahre und kostete 200.000 Kronen. Wichtiger als diese Jahreszahlen ist die Tatsache, dass die Pfarrkirche in Steyr in ihrer Gesamtanlage mit dem Stephansdom in Wien einen engen Zusammenhang aufweist. 16 Dies erklärt sich einfach aus dem Einwirken der Bauhütte St. Stephan in Wien, das sich in späterer Zeit (so wie am Beginn der Gotik der Einfluss der Bauhütten der großen französischen gotischen Dome in Deutschland) in den mittleren Donauländern geltend machte. Die Pfarrkirche von Steyr ist eine dreischiffige Hallenkirche wie St. Stephan, die auch im Grundriss manche Ähnlichkeit und im Chorabschluss aller drei Schiffe dieselbe aus dem Achteck gebildete Form hat. Die Pfeiler des Mittelschiffes zeigen eine sehr ähnliche Profilierung wie jene der Stephanskirche, auch bilden sie wie dort von Baldachinen überdachte Nischen für Heiligenstatuen. Im Westen ist der Kirche eine einfache breite Vorhalle vorgebaut, über welche sich im Innern die Orgelempore erhebt. Am reichsten gestaltet ist im äußeren Bau die nördliche Vorhalle mit den zwei Portalen. Daneben baut sich das Treppenhaus für die Empore an, aus dem sich ein achteckiges Türmchen loslöst. Unter der Kreuzblume desselben windet sich ein Spruchband mit der

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