Werner Konstantin - Kremsmünster in Wort und Bild

96 1739 aus einem ehemaligen Getreidekasten erbaut und wie die Auf¬ schrift „Pictati juventutis academicae“ besagt, für den Gottesdienst der akademischen Jugend bestimmt. Der Gegenstand der Frescobilder wie die ganze Art der Dekoration deutet darauf hin, daß diese Kapelle für die Marianische Kongregation gegründet wurde, die der fromme äbt Fixlmillner unter dem Namen „Sanctae Mariac in Piscinula“ errichtet hatte und die bis 1783 hier bestand. Da diese zierliche Kapelle auch vom Standpunkte der Kunst¬ geschichte merkwürdig ist, sie gehört nämlich der letzten Entwicklungs¬ stufe der Barockzeit an, wollen wir sie etwas näher betrachten. Nach außen bildet die Kapelle nur eine Fortsetzung der Schatzkammer, mit welcher sie an Länge und Höhe ganz übereinstimmt. Unter dem Boden wurde ein zweiter Holzplafond gezogen und mit einem ziemlich flachen Spiegelgewölbe versehen, das mit zarten Rokoko=Ornamenten geschmückt ist. Der saalartige Raum erhält von oben einen günstigen Lichteinfall durch querovale Fenster, die unmittelbar unter dem Deckenansatz an¬ gebracht sind. Ein eigenes Kranzgesims ist nicht vorhanden, sondern nur über dem Kapitäl der Wandpilaster tritt das Gebälk zur Glie¬ derung der Fläche kämpferartig hervor. Die von dem Welser Maler matthäus heinal fein ausgeführten Freskogemälde in zarter Stucco=Umrahmung dienen der Verherrlichung Mariens. 1. Maria er¬ bittet den Studenten die Gnade einer guten Berufswahl. (Man sieht junge Leute mit dem Abzeichen ihres künftigen Berufes.) 2. Maria vermittelt die Gebete ihrer Schützlinge. (Briefe werden dem göttlichen Kinde übergeben und kommen wieder zurück). 3. Christus als Lehrer „ipsum audite“. Uhn hört an!) 4. Maria als Mittlerin „ipsam adite“ (u ihr tretet hin!). 5. Über dem Chore, Maria durch die Musik verherrlicht. Unter den ovalen Fenstern befinden sich zierliche, allegorische Dignetten mit lateinischen Sinnsprüchen auf die unbefleckt Empfangene. 1. Absque nota. (Ohne Makel; zwei ästronomen blicken auf die Sonne, die fleckenlos ist.) 2. Umbra procul. (Ohne Schatten; die Dyramice wirft keinen Schatten, wenn die Sonne im Senith steht.) 3. Intacta placct. (Unversehrt gefällt sie; ein Weinstock mit Traube in einer Gewitterlandschaft; nach Plinius war eine Traube, die vom Blitze getroffen wurde, zum Opfer nicht geeignet.) 4. Oriens exalto. (Sich zur Höhe erhebend; ein Siergarten mit Springbrunnen; die heil. jungfrau ist irdischen Gesetzen nicht unterworfen.) 5. Nec tingor ab unda. (ch werde nicht vom Wasser benetzt; das reine Gefieder des Schwanes wird nicht befleckt.) 6. Una domat. (Nur eine bezwingt mich; das wilde Einhorn sinkt nur vor einer reinen Jungfrau in die Knie.) 7. Nil fructus floribus obstat. (Die Frucht verhindert die Blüten nicht; der Orangenbaum bringt zugleich Blüten und Früchte hervor.) 8. Sine nubibus ortus. (Die ohne Wolken aufgehende Sonne als Sinnbild Mariens.)

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