Werner Konstantin - Kremsmünster in Wort und Bild

91 baren Wandteppiche, welche in den Kammereirechnungen stets als „niederländische Spaliere“ bezeichnet werden, stellen Szenen dar aus der orientalischen Geschichte, für die man damals besonderes nteresse hatte, und zwar die Kämpfe zwischen dem Mongolenfürsten Timur Lenk und dem türkischen Sultan Bajasid, der 1102 bei Angora besiegt wurde. Der unglückliche Gefangene wurde in einen eisernen Käfig gesperrt, auf den Kriegszügen mitgeschleppt und mußte dem grausamen Mongolen beim Besteigen des Pferdes als Schemel dienen, der Königin wurden zur Schmach die Kleider abgeschnitten usw.; der¬ artige Szenen sind auf den Gobelins dargestellt. Das riesige Baldachin¬ bett mit Bildern verziert, die eleganten Stucco=Ornamente der Decke, die feingepolsterten Möbel im französischen Stile, der prachtvolle in Gold und Weiß gehaltene Rokoko=Ofen mit der Jagdgöttin Diana, der als der schönste im Stifte bezeichnet werden muß, alles stimmt harmonisch zusammen und spiegelt trefflich den Geist der Seit um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts. Am Ende des Ganges werfen wir noch einen Blick in das von dem kunstsinnigen Abt Thomas Mitterndorfer 1846 eingerichtete Musik¬ zimmer, wo wir die hervorragendsten Komponisten und Musiker des Stiftes in lebenstreuen Bildern kennen lernen. Diele Notizen in unserer Hauschronik und manche Codices und Antiphonarien mit sorgfältig geschriebenen Néumen und Choralnoten beweisen, daß eine stilvolle Kirchenmusik schon in den ältesten Seiten eifrig gepflegt wurde. Für den Musikfreund dürfte es von Interesse sein, daß unser ältester Chronist Bernhard der Moriker unter den damals vorhandenen Büchern bereits er¬ wähnt „de libris musicis, regulas Guidonis“, womit nichts anderes gemeint sein kann, als die Musikregeln des Guido von Krezzo, dem wir die heutige Tonskala verdanken und dessen Bild wir in der Bibliothek schon begegnet sind. Am Ende des achtzehnten Jahrhunderts war Krems¬ münster die erste Stätte des Landes auf dem Gebiete der höheren klas¬ sischen Musik; im alten prachtvollen Stiftstheater wurden umfangreiche deutsche und italienische Opern aufgeführt, im Konzertsaale eifrig das Oratorium und edle Kammermusik gepflegt, besonders Hayans ge¬ waltige Tondichtungen, „Die Schöpfung“ und „Die Jahreszeiten“ er¬ lebten hier glanzvolle Aufführungen, zu denen Musikfreunde aus dem ganzen Lande zusammenströmten Von den hervorragenden geistlichen Musikdirektoren, die sich als Romponisten einen bedeutenden Namen erwarben, seien nur jene er¬ wähnt, die wir hier im Bilde sehen, wie Georg Pasterwitz (1730— 1803) der mit über zweihundert wertvollen Kompositionen unter allen den Vorrang einnimmt und dessen große Oper „II Giuseppe riconos¬ cinto“ (Der wiedererkannte Josef) mit italienischem Texte zum tausend¬ jährigen Jubiläum 1777 mit größtem Beifall dreimal aufgeführt wurde Daß dieser große Meister mehr als lokale Bedeutung hatte, beweisen

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