Werner Konstantin - Kremsmünster in Wort und Bild

86 Den größten Schatz der Bibliothek bilden zwei Evangelien=Hand¬ schriften auf feinem Pergament aus dem achten Jahrhundert, deren hohes Alter durch viele Zeugnisse verbürgt ist und die darum sorgsam verwahrt werden müssen. Der Codex millenarius, das tausend¬ jährige Buch, enthält auf 331 Blätter, die in zwei Kolummen geteilt sind, in prachtvoller durchaus gleichmäßiger Majuskelschrift (in Gro߬ buchstaben) die vier Evangelien und mehrere für die Hausgeschichte äußerst wertvolle Urkunden; so die Bestätigung der Stiftung durch Karl den Großen 791 und zwei Urkunden aus der Seit Arnulphs um 890. Die Handschrift ist mit höchst altertümlichen steifen Bildnissen der Evangelisten geschmückt, welche vor Pulten sitzen, die mit Fischen ver¬ ziert sind, gegenüber befinden sich ihre herkömmlichen Symbole. Der prächtige Einband aus rotem Sammt mit reichen Derzierungen nach gotischen Motiven, trägt an den Ecken Silberbeschläge mit den drei Tieren des Stiftswappens und dem Löwen mit der Spindel, welcher auf den Abt Johann Spindler hinweist; in der Mitte das Bild des Erlösers und der vier Evangelisten, rückwärts Engelköpfe; diese geschmackvolle Arbeit rührt von dem Welser Goldschmied Heinrich Dorrath (1595) her. Betrachten wir nun einige von den wertvollen Handschriften in den Schaukästen. Die lateinische Bibel, Cod. 353, wurde unter Friedrich von Zich um 1300 hier in gotischer Mönchsschrift ge¬ schrieben, aus der sich später die Fraktur (deutsche Schrift) entwickelt hat. Die zarte Miniatur mit der Initiale P. zeigt uns, wie Saulus auf dem Wege nach Damaskus zu Boden stürzt. Das große zum Chor¬ gebrauch bestimmte Pfalterium wurde unter Abt Ulrich Schoppen¬ zaun 1464 geschrieben, wie die lateinische Inschrift links erklärt „Abt Ulreich“. Die Initiale B zeigt den König David mit der harfe, ganz umgeben von feinsten Blumenranken; in der zweiten Miniatur sehen wir den heil. Agapitus als Patron unter einem gotischen Baldachin, vor ihm der Stifter. Im gegenüberstehenden Kasten wertvolle Handschriften der huma¬ nistischen Seit. Cod. 261. Ciceros Brief ad familiares in einer eleganten Minuskelhandschrift des 15. Jahrhunderts. Cod. 305. Die Fasten des Ooid in einer sehr alten Schrift aus dem 12. oder 13. Jahrhundert Eine äußerst zierliche mit feinen Miniaturen und zarten Blumenranken geschmückte Petrarca=Handschrift, welche auf 190 Pergament¬ blättern die herrlichen „Sonetten an Laura“ enthält. — Das berühmte „Liber Isottaeus“, in welchem Sigismondo da Malatesta die ge¬ feierte Isotta von Rimini besingt, um 1450. Ein astrologisches Werk aus dem 12. Jahrhundert mit vielen Figuren über den Einfluß der Sterne und Planeten auf das Geschick des Menschen. Gegenüber be¬ finden sich orientalische Schriftwerke; ein Buch in Sanskrit, der alt¬ indischen heiligen Sprache; ein chinesisches Druckwerk mit Bildern;

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