Werner Konstantin - Kremsmünster in Wort und Bild

82 hauptsächlich liturgische und asketische Werke, aber auch schon die Romödien des Terenz und der Donat, das mittelalterliche Lehrbuch des Latein. Zur hohen Blüte gelangte Kunst und Wissenschaft unter dem großen Abte Friedrich von Zich, der gleichzeitig mit dem ersten Habsburger Rudolf 1273 seine fünfzigjährige, segensreiche Regierung begann. Er begründete in Kremsmünster eine großartige Schreib¬ schule, deren Einfluß sich über ganz österreich erstreckte; sein Seit¬ genosse, der heimische Geschichtsschreiber Bernardus Noricus, der den ersten Fachkatalog der Bibliothek anlegte, zählt bereits eine Menge von Werken auf, die zu seiner Seit geschrieben wurden. Heute bewundern wir noch in der Handschriftensammlung des Stiftes die riesigen Koli¬ anten, 60 cm hoch und 45 cm breit, die damals mit großer Eleganz und peinlicher Genauigkeit bis zur letzten Seite gleichmäßig schön ge¬ schrieben wurden. So die heilige Schrift mit prachtvollen Initialen und zahlreichen Miniaturen; die umfangreiche Chronik des Detrus Comestor, des Bücherverschlingers von Paris; eine besonders wert¬ volle Handschrift der Antiquitäten des Josephus Klavius in zwei mächtigen Bänden und viele andere. Wie in der berühmten „Lauren¬ tiana“ zu Florenz lagen damals auch in Kremsmünster die Bücher an Retten, mit denen sie an einer Eisenstange des Lesepultes befestigt waren, um dem Bücherraube zu wehren, der in den unruhigen Jehde¬ zeiten des Mittelalters häufig betrieben wurche. Noch jetzt tragen über vierzig Bände der Handschriften Teile von Retten oder wenigstens die Eisenringe zu ihrer Befestigung. Eine neue Epoche in der Geschichte unserer Bibliothek beginnt mit der Erfindung der Buchdruckerkunst. Abt Ulrich Schoppenzaun (1454—1484), der selbst Baccalaurens der freien Künste war, ließ noch viele Bücher abschreiben, aber auch schon eine beträchtliche Reihe neuer Druckwerke um hohe Preise anschaffen, die wir jetzt als wertvolle Wiegendrucke bekannter Offizinen hochschätzen. Aus der Seit vor 1500 besitzt unsere Bücherei jetzt noch 840 Inkunabeln in 560 Codices. Außer der reichen theologischen und philosophischen Literatur der damaligen Seit mit vielen seltenen Ausgaben ist besonders der ita¬ lienische Humanismus gut vertreten, wie die vorzüglichen Aus¬ gaben von §ilelfo, Marsilio Ficino, Bocaccio, Enea Silvio und Platina beweisen, sowie die Drucke von fast allen lateinischen und einigen griechischen Autoren. Auch äbt Johannes Schrein (1505—1524), der aus einer angesehenen Familie stammte und sich an der humani¬ stischen Bewegung seiner Seit mit größtem Eifer beteiligte, bereicherte unsere Bibliothek mit zahlreichen, wertvollen Frühdrucken. Unter Abt Erhard Doit (1571—1588) war die Jahl der Bücher bereits so angewachsen, daß eine neue „Liberei“ oberhalb der Frauen¬ kapelle errichtet wurde; er schaffte viele seltene und kostbare Werke

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