Werner Konstantin - Kremsmünster in Wort und Bild

75 Die beiden Kästen D und F enthalten eine reiche Sammlung von kunstreichen Gefäßen der Töpferkunst in gebranntem Ton, Fay¬ ence (Steingut), Majolika bis zu den köstlichsten Formen der Dor¬ zellankunst. Einzelne Droben von echten chinesischen Tassen, wie von Erzeugnissen der französischen Fabrik in Scores und der deutschen in Meißen, finden sich auch in den Glaspyramiden. Sehr reich ist die Sammlung an wertvollem Altwiener Porzellan, das auch in unserem Dolke weithin durch die weltberühmte „Bienenkorb=Marke bekannt ist, die aber in Wahrheit den altösterreichischen Balkenschild darstellt. Da finden sich zierliche Tassen und Schalen in mannigfachen Formen, geschmückt mit Blumenranken, zarten Ornamenten oder sogar mit köstlichen Miniaturen, wie in mittelalterlichen Handschriften, von den einfacheren, frühen Barockformen bis zu dem unnachahmlichen Reiz der feingeschwungenen, schlanken Henkelschalen der Rokokozeit. Die Wiener Porzellanfabrik, welche 1718 von Du Daquier begründet und unter Maria Theresia verstaatlicht wurde, erreichte ihre höchste Blüte in der Biedermeierzeit unter der Leitung des geschickten Bild¬ hauers und Keramikers Antonio Grassi, bis sie in der Seit des allgemeinen Kunst= und Geschmackverfalles 1864 ganz eingestellt wurde. In der Ecke befindet sich ein merkwürdiger Sessel aus dem Jahre 1554, der für die Altwiener Lokalgeschichte von Bedeutung ist und darum auch bei der großen Wiener Weltausstellung 1873 zu sehen war. Wie die lateinische Inschrift besagt, wurde er nämlich aus den Knochen des ersten Elefanten verfertigt, der bei dem feierlichen Ein¬ zuge Maximilians II. nach seiner Rückkehr von Spanien, durch die Straßen Wiens geführt wurde. Mit diesem Wundertier, daß bei der Wiener Bevölkerung ungeheures Aufsehen erregte, wurde die erste und älteste kaiserliche Menagerie zu Ebersdorf begründet; das Tier, welches 43 Zentner wog, ging aber bereits im nächsten jahre ein und aus seinem Vorderbug ließ der Bürgermeister der Stadt Wien, Seba¬ stian Huetstocker, dessen Wappen eingeprägt ist, diesen Sessel machen. Der hohe, prächtige Kasten E, welcher mit dem Wappen des Abtes Erenbert Meyer, des Begründers dieses Kabinettes geschmückt ist, enthält herrliche Droben der venezianischen Glaskunst¬ industrie, die bereits im Mittelalter bestand, aber erst im 16. Jahr¬ hundert durch das Studium der altrömischen Kunst, welche bereits das §adenglas und die Millefioritechnik kannte, zur höchsten Blüte kam. Die Vermittlerrolle für den Einkauf dieser Gläser wie andere Kunstsachen von Denedig spielten die großen Linzer Märkte zu Ostern und zu Bartholomäi (24. August), wo sich immer venezianische Händler einfanden. Kannen und Krüge, Humpen und Römer, Flaschen und Schalen, Stengel= und Spitzgläser, zierliche Pokale und geschwungene Henkelgläser finden sich da von sonderbaren Formen in reicher Menge. Besonders zu beachten sind die wunderbar feinen, oft ganz phanta¬

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