Werner Konstantin - Kremsmünster in Wort und Bild

11 — Die älteren Derioden der Baugeschichte des Stiftes lernen wir aus den Berichten der Hauschronisten und aus Abbildungen in Hand¬ schriften und den sogenannten Rotelbüchern!) kennen. So zeigt uns ein schönes Initial aus dem Pfalterium des äbtes Ulrich Schoppen¬ zaun (1454—84) einen burgartigen festen Bau mit steilen Keildächern als die alte romanische Form der Stiftskirche. Die älteste Ansicht des Stiftes, als wehrhafte Burg mit starken Ringmauern, Wallgräben und zahlreichen romanischen Rundtürmen hat uns Eberhard Schäftlmaier in einem Rotelbuch von 1595 aufbewahrt. Mehrere gute Kupferstiche aus der Monasteriologie von Carolus Stengelius 1638, aus Merians Topographie 1640 und ausgezeichnete Abbildungen von Georg Matthäus Discher 1669 führen uns die Umwandlungen des großen Gebäude¬ komplexes im siebzehnten Jahrhundert anschaulich vor Augen bis zum vollständigen Umbau im Geiste der Barocke durch den Italiener Carlantonio Carlone und unserem heimischen Meister Jakob Prandtauer. In das Kunstgebiet der echten Renaissance fallen bei uns nur einzelne Räume der alten Abtei mit ihren Holzplafonds, mehrere Schränke, Ofen und Einrichtungsgegenstände, sowie der alte, reich mit Statuen geschmückte Hochaltar, der sich in der Pfarrkirche von Grünau im Almtale noch erhalten hat. Die Ursachen, warum sich in Oberöstereich nur so wenig Denk¬ mäler kirchlicher Renaissancekunst finden, sind die bewegten Seitverhält¬ nisse um die Wende des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts. Die gewaltigen Stürme der Reformationszeit, die Schrecken des Dreißig¬ jährigen Krieges und der damit zusammenhängende große Bauern¬ aufstand in unserem Lande hemmten jede gedeihliche Entwicklung und somit auch die Bautätigkeit. In ganz österreich tritt eine große Unter¬ brechung im Kunstschaffen ein und man kann behaupten, daß bei uns auf die Seit der Spätgotik gleich die Periode der Barockzeit folgt. Da die Periode des Barockstiles die Blüte der Kunstent¬ faltung für Oberösterreich bedeutet, wollen wir ihre Entwicklung in unserem Heimatlande kurz skizzieren. Nachdem die kirchliche Bautätigkeit fast hundert Jahre darnieder lag, wurden ausländische, meist italienische Baumeister und Künstler berufen, welche die größtenteils verwahrlosten Gotteshäuser umbauen und wieder herstellen sollten. In der ersten Seit der Frühbarocke von 1620—1660 schufen sie Räume mit Tonnengewölben, seichten Kapellen und noch schlichter Ausschmückung. In der zweiten Deriode, die wir als Stucco=Barock bezeichnen von 1660—1700, werden Wände und Decken der Tonnengewölbe überreich mit Stucco=Ornamente aller Art verziert; Fruchtkränze und Kartuschen, Engelköpfe und alle¬ 1) Rotel von rotulus (Rolle) bezeichnet die Todesnachricht eines Stiftsmitgliedes, die an andere Klöster geschickt wurde; die Roteln entsprechen also unseren „Dartezetteln“.

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