Werner Konstantin - Kremsmünster in Wort und Bild

Klosters wollen wir auch einen Blick auf seine Baugeschichte werfen und uns vergegenwärtigen, in wie weit sie mit der allgemeinen Kunst¬ geschichte unseres schönen Heimatlandes zusammenhängt, um für die genauere Besichtigung der einzelnen Räume den richtigen Standpunkt zu gewinnen. In ganz Oberösterreich hat sich von den zahlreichen romanischen Kirchengebäuden aus der Seit, wo der Stein das Holz als Baumaterial verdrängte, nur sehr wenig erhalten. Nur spärliche Überreste von romanischen Bauformen sind uns in Kellern, Krypten und Zubauten einzelner Klöster und Gotteshäuser erhalten, nämlich in solchen Räum¬ lichkeiten, die als minder bedeutend in eine spätere Umwandlung nicht mehr einbezogen wurden. Dagegen gehört ein großer Teil der Gotteshäuser unserer Heimat noch dem gotischen Stile an, in dem bis Ende des sechzehnten Jahrhundertes gebaut wurde. Freilich weisen die meisten Landkirchen die Merkmale der Spätgotik und viele barocke Veränderungen und Umkleidungen auf. Auch in Kremsmünster ist es schon manchem Besucher, be¬ sonders aus Deutschland mit Befremden aufgefallen, daß diese uralte Stiftung aus der Karolingerzeit fast keine Überreste der romanischen und gotischen Baukunst aufweise, während zahlreiche Klöster in deutschen Gauen noch deutlich früh=mittelalterliches Gepräge zur Schau tragen. Nun haben sich tatsächlich aus der karolingischen Periode nur die wenigen Kunstgegenstände erhalten, die wir bereits angeführt haben und die spärlichen Überreste und geringfügigen Spuren der romanischen und gotischen Bauweise, einzelne Bögen und Wölbungen, Kapitäle und Säulenbasen muß man in entlegenen Räumen und auf dem Dachboden der Kirche mühsam zusammensuchen. Der Grund und die Erklärung dieser eigenartigen Erscheinung liegt eben darin, daß Kremsmünster wie viele andere Klöster des katholischen österreich auch nach den Wirren der Reformation in reli¬ giöser und wissenschaftlicher Beziehung noch ein reges Leben entfalteten und deshalb die Gebäude und Räume für eine größere Anzahl von Ordensgenossen und Schülern erweitert, vergrößert und im Geiste der Seit umgebaut werden mußten, um ihrem neuen Wirkungskreise an¬ gemessen zu sein, während in den protestantischen, deutschen Gegenden die Klöster verödet liegen blieben, keine Wirksamkeit mehr entfalten konnten und darum bis heute ihre alte Form bewahrt haben. Eine liebevolle Fürsorge für Bauwerke der Dorzeit und den Ge¬ danken des Heimatschutzes hat man ja in den Seiten des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts noch nicht gekannt; man war so be¬ geistert von den neuen Kunstideen der Renaissance, die von Süden und Westen her machtvoll zuströmten, daß man alles im neuen Geiste umgestalten wollte und die ehrwürdigen romanischen und echt deutschen gotischen Bauten oft gründlicher entfernte, als uns heute lieb ist.

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