Ferdinand Krackowizer - Auf der Schulbank in Steyr
dasHimmelbett und das Nachtkästchen daneben enthielt einen Messingleuchter, sowie auf einer Blechtasse eine Lichtschere. Die Wände schmückten einige Oelgemälde, Porträte der El¬ tern, Silhouetten von Freundinnen. Und wie gemütlich dampfte der alte Kachelofen. Ein Nachmittag bei der „The¬ kerl=Tant'“ war für mich eine Wonne! Am 1. Oktober 1850 nahm die Zeit holden Spielens ein Ende. Ich wurde unter die Schar der ABC=Schützen eingereiht und besuchte nun die Kreishauptschule in Steyrdorf. Diese für die Jugend der Stadt sehr wichtige Anstalt war in einem alten Hause gegenüber dem ehemaligen Jesuiten=Kollegium unter¬ gebracht. Ein langgestreckter, niedriger Bau, den man auf ausgetretenen Stufen betrat. Gleich links an der Treppe führte eine hölzerne Stiege zur Wohnung des Schuldieners Redl, der früher einmal Schulgehilfe gewesen war und nun diese Stelle würdevoll bekleidete, und zwar mit ganz gutem Einkommen. Er führte nämlich einen umfangreichen Klein¬ handel mit allen möglichen Schulbedürfnissen. Dort bekam der Schuljunge alle vorgeschriebenen Hefte für Schreiben und Rechnen, Kielfedern (Stahlfedern gab es damals noch nicht), Griffel, Schwämme und andere Dinge. Vater kaufte mir nun einen tüchtigen Schulranzen von grünem Leder, in dem die Griffelbüchse und Lineale lustig klapperten und der so dauer¬ haft gearbeitet war, daß er im Winter zum Schlittenfahren über die steilen Straßen der Vorstadt gute Dienste leistete. In der ersten Klasse unterrichtete Herr Wiesner, ein sehr praktischer Lehrer. Er pflegte beispielsweise uns auf der Schiefertafel die Ziffern recht groß mit dem Griffel hin¬ zumalen und wir mußten sie dann zehnmal oder öfter nach¬ zeichnen. Noch entsinne ich mich der schönen Sätze vom braven Karl im Lesebuch. Da buchstabierte dann ein kleiner Knirps: — oft — — ist, — freut — sich — Karl“. Schu =le „So Und dann wurden alle guten Eigenschaften des braven Karl aufgezählt. Bei dem Einbläuen des Einmaleins gebrauchte der Lehrer einen sanften Drill, bis es wie eine gutgeschmierte Maschine von der ganzen Klasse herabgeleiert werden konnte. Da machte uns besonders das Multiplizieren der Zahl Fünf eine unbändige Freude. Und wenn es im Chorus taktmäßig ertönte: „Fünf mal fünf ist fünfundzwanzig“, da meinte man die Trommeln beim Zapfenstreich zu hören. Bei der Schulprüfung am 5. August 1851 durfte ich ein Gedicht vor¬ tragen und erhielt einen Fleißschein. In den folgenden Jah¬ 8
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