Ferdinand Krackowizer - Auf der Schulbank in Steyr

und sich selbst als Doktor einen „Anbrauchkerl“, das Ordina¬ tionszimmer den „Anbrauchkobel“. Der Militär in Pension war ihm „ein feiernder Kriegsknecht“, ein Beamter ein „Ta¬ gelknecht (Tintentiegelknecht). Husaren hießen bei ihm „Schnürljoppen=Reiter“, Ulanen „vierzipfelkappete Spie߬ reiter“. Anstatt Sparkasse sagte er „Knicktruhe“, statt Gum¬ miball „Hupfknödel“. Sardellen waren ihm „Durstfischel“ daher Sardellenbutter eine „Durstfischel=Schmiere“ Ebenso gern wie zum Onkel Pepi ging ich zur Tante Thekla, die auf dem Hauptplatze im Hinterhause eines Kauf¬ mannes altertümliche Zimmer bewohnte, zu deren Fenstern die Ennsleiten und die Waldberge im Hintergrunde herein¬ grüßten. In diesen gemütlichen Räumen lebte noch die Bie¬ dermeierzeit in der besten Blüte. Alles duftete nach Lavendel. Die ganze Einrichtung, der Kasten mit der figurenreichen — Opieluhr unter einem Glassturz und mit dem zierlichen Schubladenkästchen daneben, welches tausend Dinge enthielt, die Neugierde eines Kindes zu reizen. Da lagen, in rosa Sei¬ denpapier sorgsam eingehüllt, zarte Miniaturen auf Elfen¬ bein, Schmuckdöschen, kleine Kalender in Schubern von Bunt¬ papier, Almanache mit Modekupfern und einem Spieglein voran. Man sah feingeschnitzte Fächer, einige Stammbücher mit vielen bemalten Blättern in Goldschnitt, Porzellanfigür¬ chen, Andenken an Badeorte, wo Tante Thekla mit ihren Eltern einst gewesen. Es gab Büchschen mit Potpourri, das von Apothekern hergestellt wurde und zum Räuchern der Stuben diente; öffnete man die Büchse, so dufteten Rosen¬ blätter, Resedablüten, Waldmeister, Thymian und anderes Gemengsel angenehm heraus. Andere Lädchen enthielten Spielkarten für Whist und L’Hombre mit mannigfachen Spielmarken, auch ein Dominospiel und ein kleines Schach¬ brett mit Figuren von Elfenbein. Auch mehrere Geldtäschchen mit feiner Perlstickerei gab es zu bewundern und religiöse Gegenstände, von Mariazell oder Altötting als Andenken mitgebracht. Von diesem Wunderkasten war ich gar nicht weg¬ zubringen. Und doch hatte die Tante, eine kleine, etwas ängstliche Dame, noch andere interessante Sachen. Ihr Bü¬ cherschrank barg hinter grünseidenen Vorhängen viele Bände, die ich später gar gerne verschlang, wie die Werke der braven Karoline Pichler und jene von Bulwer und Walter Scott. Auch die besten unserer Klassiker in altmodischer Ausgabe, auf Löschpapier gedruckt, waren vorhanden. Am Fenster stand

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