Nachruf auf August Hermann Kotschy - evangel. Pfarrer in Steyr 1889-1890

— 6 — So ist er innerlich je länger, je mehr gewachsen und herangereift. In dieses innere Leben durfte ich tiefe Blicke thun, und ich habe mich stets innig seiner Aufrichtigkeit, Lauterkeit und Wahrhaftigkeit gefreut. Wie dicht neben unserer stärksten Seite die schwächste zu liegen pflegt, so lag bei ihm neben dem wesentlichen Vorzuge, mit Begeisterung eine Sache zu erfassen, mit staunenswerther Schnelligkeit zu arbeiten, die Gefahr nahe, im Eilen unwillkürlich etwas zu versehen. Wurde er auf ein Verseheu aufmerksam gemacht, so war er herzlich dankbar dafür; hatte er irgend gefehlt, so bekannte er es aufrichtig. Seine Zuflucht war der Herr, dessen Liebe unserer Sünden Menge deckt. Und wie er Vergebung fand, so konnte er in herzlicher Dankbarkeit dafür erfahrene Un¬ bilden gerne vergeben und vergessen. Nun hat er den Lauf vollendet. Schmerzlich werden wir ihn vermissen in Amt und Haus, im Vereinswerke und Bruderkreise. Wie viel ist er den ihm befohlenen Gemeinden, der heiß geliebten Gattin und Tochter, der greisen Mutter, einen Geschwistern und Anverwandten, seinen Amtsbrüdern und Freunden gewesen. Wie ist er mir ein Jugendgefährte, Studien= und Hausgenosse, ein langjähriger Amtsnachbar, treuer Freund und Gevatter gewesen. Viel ist er uns ge¬ wesen, viel, unendlich viel haben wir ihm über das Grab hinaus zu danken. Sein Hinscheiden ist, menschlich gesprochen, für uns ein empfindlicher Verlust, aber im Lichte des göttlichen Wortes betrachtet, kein Verlust. Er bleibt uns und wir ihm unver¬ loren, wenn auch von uns gilt: „Christus, der ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn“ wenn wir, die wir wissen, daß wir hier keine bleibende Statt haben, die zukünftige suchen und das himmlische Vaterhaus droben. Und in diesem Vaterhause sind viele Wohnungen. Dieses Wort unseres HErrn und Heilandes leuchtet als ein helles Licht in unsere Trübsal hinein und erquickt wie ein Balsam unsere wunden Herzen. Denn für die Gläubigen ist das Sterben nicht ein Ziehen in ein unbekanntes finsteres Laud, oder gar etwa ein spur¬ loses Verschwinden, sondern ein Heimgang aus der Fremde, ein Eingang in das Vaterhaus mit den vielen, lichten Wohnungen. Vermissen wir den Geliebteu wohl schmerzlich: unser Schmerz wird verklärt durch die feste Hoffnung, er ist nun daheim.

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