Nachruf auf August Hermann Kotschy - evangel. Pfarrer in Steyr 1889-1890

— 10 — In dem HErrn geliebte Leidtragende! So groß meine Freude war, als ich unseren Freund in sein Amt als Pfarrer der evang. Gemeinde Steyr ein¬ führen durfte, größer noch ist mein Schmerz, da ich ihm die Grabrede halten soll. Wir können es noch gar nicht fassen, daß der Hirt und Seelsorger seiner Gemeinde so plötzlich entrissen worden ist, er, der ihr nach unseren menschlichen Gedanken so nöthig gewesen wäre, der mit so großer Freudig¬ keit und Hingabe gearbeitet hat in seinem Amte und an den verschiedenen Liebeswerken. Ja, theure Gemeinde Steyr, Du hattest in dem Heim¬ gegangenen einen liebevollen, eifrigen Hirten, dem das Wohl der ganzen Gemeinde ebenso wie das eines jeden Einzelnen am Herzen lag, der das Wort Gottes in der Kirche und Schule reichlich und lauter verkündigte und es Jedem in das Haus und so viel an ihm war, auch in's Herz zu bringen bemüht war, der besonders den Betrübten und An¬ gefochtenen nach seiner eigenen Erfahrung den rechten Trost bieten konnte und in seiner Eigenschaft als Strafhaus=Seel¬ sorger den Gefangenen ein treuer Berather, Helfer und Tröster war. Ja, liebe Gemeinde, Du hast in Deinem Pfarrer Kotschy viel verloren, und wenn wir erst erwägen, was er seiner Familie, was er seinen vielen Freunden in der Nähe und Ferne, und was er besonders uns war, so werden wir mit tiefem Schmerze, der noch lange nachempfunden werden wird, klagen: „Ach, warum mußtest Du uns genommen werden? Haben wir denn nicht genug zu schätzen gewußt, was wir an Dir hatten, oder haben wir Dir zu viel auferlegt, daß Du unter der Last Deiner Arbeit erliegen mußtest?“ Gewiß wird das jähe Hinscheiden unseres lieben Bruders, der noch am Sonnabend den Religionsunterricht ertheilte und sogar daran dachte, am Sonntag zu predigen, solche oder ähnliche Gedanken da und dort erregen; aber wer den un¬ ermüdlichen Mann kannte, welcher nicht genug thun konnte, der wird sagen: Er hat es so gewollt. Er wollte wirken, so lang es Tag ist. Er hat mit Luther gedacht und ge¬ sprochen: „Rast' ich, so rost' ich!“ Er wollte seine Kräfte im Dienste seines Herrn aufzehren und er hat es gethan. Wo er das Amt eines Predigers versehen hat, in Scharten als Vikar, am längsten in Attersee und zuletzt in Steyr, wird ihm das Zeugniß gegeben werden, daß er sein Amt

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