Oberösterreich, 39. Jahrgang, Heft 4, 1989

Oberösterreich aktuell empfingen, ihre Kinder taufen ließen und Ehen schlössen. Nicht selten gab der prächtige, 36 Meter lan ge Saal den auf Taufe und Vermählung fol genden Festen sein würdiges Gepränge. Zu Empfängen und Familienfeierntraf sich der Adel des Landes bei Musik und erlesenen Ta felfreuden. Der vierte Stand allerdings blieb solchen Festivitäten stets fern. Mit dem Durchgreifen der Gegenreformation sank die Vormachtstellung der beiden Adels stände in sich zusammen. 1629 wurde die Landschaftsschule aufgehoben und mit dem Jesuitengymnasium vereinigt. Doch damit standen die freigewordenen Gebäude nicht leer. In den später „Präsidialtrakt" genannten Schulstock zogen nun die sich immer mehr ausbreitenden Ämter und Kanzleien ein, aus dem geräumigen Saal, in welchem heutzuta ge die Landtagssitzungen abgehalten wer den, wurde die Ratsstube für die Verordne ten, und auch sonst boten die Säle, Zimmer und Kammern des Ständehauses der rasch anwachsenden Schar der landschaftlichen Beamten und Diener Arbeitsstätte und Wohnung. Der oberste Beamte, Sekretär oder Syndikus genannt, hatte schon deshalb im Landhaus zu wohnen, damit er im Bedarfsfall jederzeit den Kollegien zur Verfügung stehen konnte. Dem Syndikus zur Seite stand der „Einneh mer", als bestbezahlter Beamter für die Ver waltung der Landesfinanzen zuständig. Be reits seit dem Abbruch des Minoritenklosters und dem Neubau des Landhauses war die wichtige Funktion eines Bauschreibers be setzt, aus der die Hofmeisterei und letztlich die Baudirektion hervorgehen sollten. Bunt und vielfältig war die Schar der landesfürstiichen Bediensteten. Der schon erwähnte Hauswirt oder „oeconomus" zählte gleicher maßen dazu wie der Geschirrknecht, der für die Bewohner des Hauses einen Bieraus schank betrieb. Für einen klaglosen Ablauf der Amtsgeschäfte und für Ordnung und Si cherheit sorgten ferner die Ratstürhüter, die Torsteher als Vorläufer der Landhausportiere, die Boten, der Kalfaktor, dem die Heizung der unzähligen Räumlichkeiten oblag, der Uhr richter, die Heerpauker und Trompeter und nicht zuletzt die beiden Turmwächter. Sie hausten im Landhausturm und ihre ver nehmlichste Aufgabe war, von dessen höch ster Stelle Tag und Nacht viertelstündlich nach allen Seiten hin Ausschau zu halten und jeden Feuerschein sofort zu meiden. Diese Vorsorge erwies sich im Jahre 1800 lei der als ungenügend, als in den Nachmittags stunden des 15. August im Linzer Schloß ein Feuer ausbrach. Es breitete sich in Windesei le über den längst überflüssig gewordenen hölzernen Wehrgang aus, der zum Landhaus führte. Zwei Tage lang wütete der Brand, dem schließlich 70 Gebäude zum Opfer fielen. Im Landhaus wurden die Löscharbeiten von den im Westen und Süden immer noch bestehen den Stadtwäiien arg behindert. Das gesamte Dachgeschoß, große Teile des ersten und zweiten Stockwerks, der Helm des Land hausturmes, die wertvolle Bibliothek, das Güitbuch und die Gemäldesammlung wur den ein Raub der Flammen. Das Landhaus teilte somit erneut das Schick sal der Stadt. Schon immer war es — nicht nur in Verwaltung und Politik — ein Spiegel der Landesgeschichte gewesen. Das begann 1626, als die aufständischen Bauern die Stadt belagerten. Ins Landhaus rückten kai serliche Soldaten ein, die von den Fenstern des Hauses aus über Wall und Graben die Bauern in den südlichen Vorstädten beob achten konnten. Von hier aus erlitt auch der „Oberhauptmann" der Rebellen, Stefan Fa dinger, der sich bei einem Erkundungsritt wohl zu dreist in Gefahr begeben hatte, seine todbringende Verwundung. Mag sein, daß Johannes Kepler Augenzeuge des Gesche hens war, denn er hatte während der zwei monatigen Belagerung im Südtrakt des Landhauses Wohnung genommen und sich bitter über die Mißstände beklagt, welche die Einquartierung mit sich brachte. Die nächste große Besetzung des Stände hauses erfolgte 1741 durch bayerisch-franzö sische Truppen unter Kurfürst Karl Aibrecht. Gnadenlos nahmen sie vom Landhaus Be sitz, und ihr Kurfürst ließ sich im Linzer Schloß als neuer Landesherr huldigen. Der Spuk dauerte allerdings nur bis zum 23. Jän ner 1742, als Feldmarschall Ludwig Andreas Graf Khevenhülier seine Geburtsstadt ent setzte und das Land ob der Enns für die jun ge Herrscherin Maria Theresia zurücker oberte. Mit den Franzosenkriegen nahte die nächste, bislang schwerste Prüfung für das Haus der Landstände und wohl auch für das Land selbst. Sie kündigte sich schon 1796 an, als die Tiroler Archive, der Ambraser Schatz und wertvolles innsbrucker Kirchengut ins Land haus verlagert wurden. Wenige Jahre nach diesen bedrohlichen Vorzeichen setzten die Drangsale mit voller Wucht ein. Noch im Jahr des Brandunglücks, 1800, marschierten die Franzosen durch das Land und seine Haupt stadt, 1805 logierte Napoleon vier Tage lang im Landhaus und seine Truppen schlugen wertvolles Inventar kurz und klein. Doch das Unheil eskalierte 1809. Monatelang diente das Haus den Franzosen als Hauptquartier, die Marschälle und ihre Stäbe lebten darin in Saus und Braus, während die Bevölkerung bitterste Not litt. Das Landhaus beherbergte aber auch gern gesehene Gäste. Vor allem als das kaiserli che Schloß nicht mehr zur Repräsentation taugte, stiegen des öfteren gekrönte Häupter im Landhaus ab. Schon Maria Theresia hatte hier das Gastrecht genossen, und als 1792 Kaiser Franz mit Gattin und großem Gefolge angesagt war, hatten der Regierungspräsi dent, der Syndikus und der Bauschreiber ihre Wohnungen zur Verfügung zu steilen, und das gesamte Gebäude wurde in den Einquar tierungsplan einbezogen. Kaiser Franz schien es im Haus seiner obderennsischen Stände behagt zu haben, denn er kehrte noch zweimal —1814 und 1833 — mit der je weiligen Gemahlin hier ein. Auch Kaiser Franz Josef weilte 1849 ein paar Tage im Landhaus, das seit dem Wiederauf bau 1800 an der Süd- und Westfront von der gefälligen Promenade umgeben war. Sicher lich waren die Ehrengäste der Gaiatafel im Steinernen Saal vom Charme des jugendli chen Herrschers beeindruckt, doch verblaßte dieser Glanz vor der Verzauberung, die seine sechzehnjährige Braut auslöste, als sie am 21. April 1854 von Passau kommend in Linz eintraf. Wieder wurden die Repräsentations räume im Präsidialstock auf Hochglanz ge bracht. Von der biedermeierlichen Einrich tung des Schlafzimmers der Kaiserbraut gibt eine Bleistiftzeichnung Aufschluß; das Ge mach heißt noch heute „Eiisabethzimmer". Das Linzer Landhaus hat im Laufe der Jahr hunderte An-, Um- und Neubauten erfahren, Barock, Rokoko, Empirestil und Historismus haben schmückende Spuren hinterlassen, Meister wie Johann Baptist Spaz, Johann Kaspar Modler und Baudirektor Ferdinand Mayr haben sich seiner angenommen, und Moritz von Schwind war eingeladen worden, den seit dem Brand um das „Braune Zimmer" verkürzten Steinernen Saal mit Fresken zu schmücken. Eine wenig entscheidungsfreu dige Haltung des Landtages und die Umwäl zungen des Revolutionsjahres 1848 haben ihre Ausführung verhindert. Lediglich zwei Aquareiiskizzen künden noch von den ehr geizigen Plänen, das Linzer Landhaus in eine Reihe mit der Residenz in München, der Wartburg oder der Wiener Hofoper zu steilen. Alles in allem aber hat das Landhaus bis heute seine renaissancehafte Monumentali tät bewahrt. Ais ständischer Gegenpol zum mächtigen Baubiock des kaiserlichen Schlosses war es gedacht, geplant und aus geführt worden, und die Rivalität zwischen dem Landesherrn und seinen Ständen hat im 16. und 17. Jahrhundert harte, kämpferische und zuweilen groteske Formen angenom men, etwa wenn Kaiser Matthias einen erbit81

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