Giselbert Hoke und sein Gesamtkonzept für die Kapelle der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz Peter Möseneder Wie eine Perie zwischen harten Muschel schalen, so ist die Kapelie der Pädago gischen Akademie der Diözese Linz im Zen trum des von Gias, Eisen und Beton gebiideteten Baukörpers am Saiesianumweg Nr. 3 situiert. inmitten eines von der nüchter nen Sachiichkeit zweckgebundener Architek tur geprägten Ambientes biidet sie eine künstlerisch gestaltete Enklave, die einen für Auge und Geist erholsamen Kontrast zu ihrer Umgebung abgibt. Gestaltet wurde der In nenraum nach den Vorstellungen des Kärnt ner Künstlers Giselbert Hoke, der von 1975 bis 1981 an der Verwirklichung seiner Ideen arbeitete. Bewältigt werden mußten in dieser Zeit nicht nur künstlerische Gestaitungsprobleme, sondern auch zu oft heftigen Diskus sionen führende Widerstände, die seiner Konzeption entgegengebracht wurden. Bereits im Entwurfskonzept des Gesamt baues war von den Architekten Dipl.-Ing. Franz Riepi und Dipi.-Ing. Dr. Othmar Sack mauer für die Kapelle „eine künstlerische Be malung der Wände und Decke" vorgesehen worden. Vom damaligen Direktor der Akade mie, Univ.-Prof. Dr. Rupert Vieriinger, wurde die Idee vertreten, einen zeitgenössischen Künstler mit dieser Aufgabe zu betrauen. Die Suche nach ihm endete bei zwei Kandidaten, dem Linzer Piastiker und Biennale-Teilneh mer Rudolf Hoflehner und dem auf Schloß Saager beheimateten Wahl-Kärntner Gisel bert Hoke. Man entschied sich für den 1927 in Warnsdorf (Nordböhmen) geborenen Ander sen-Schüler Hoke. Eine Wahl, die von vorn herein Zündstoff in sich barg: Hoke ist mit sei nen 1956 für den Klagenfurter Bahnhof geschaffenen Wandbildern im Mittelpunkt eines „Kunstskandals"gestanden, war ob der „Modernität" seiner künstlerischen Auffas sung Ziel heftiger Attacken gewesen. Daß es auch die Linzer Auftraggeber mit ihm nicht leicht haben würden, zeigte sich be reits, als Hoke den Kapellenraum erstmals besichtigt hatte. Was nach den Vorstellungen der Architekten als idealer Meditationsraum streng geometrisch — über einem quadrati schen Raum erhebt sich ein auf acht Säulen ruhender Pyramidenstumpf, der sich zu einem Lichtschacht öffnet — konzipiert wor den war, löste beim Künstler andere Empfin dungen aus, wie er in einem an Vieriinger ge richteten Schreiben im Jänner 1975 festhielt. Darin heißt es unter anderem: „Im Gegensatz dazu umschloß mich der Kapellenraum eis kalt und feindlich. Dieser rein geometrische Raum (Pyramidenstumpf mit Kubenlaterne auf flacher Raumscheibe) ist ein Kristall. Dieser Körper ist »blutlos' wie alle geometri schen Figuren. In seinem jetzigen Zustand komme ich mir vor, wie ein in einem Kunst harzwürfel eingegossener Käfer." Nach Hokes Empfinden war eine bloß „künst lerische Bemalung der Wände und Decken" nicht ausreichend, um der Blutlosigkeit des Raumes entgegenzuwirken und das Käferda sein in ein menschliches zu verwandein. Schon in ersten Gestaltungsvorschiägen wei tete er seine Vorstellungen zu einer Gesamt konzeption des Innenraumes aus, die im Ver ein mit der Malerei die „mechanische Struktur" des Raumes entschärfen und in eine nach menschlichem Empfinden Ruhe und Geborgenheit vermittelnde Atmosphäre münden sollte: So schlug er einen Holzfußbo den vor, statt industriell gefertigter Sitzgele genheiten handgearbeitete Fichtenhoizbänke, kein Kunststoffiicht, sondern lose gehängte Lampen und einen „sehr gut ge stalteten" Holzaltar. Hokes Vorstellungen fie len auf fruchtbaren Boden, wurden im Sinn einer gesamtkünstlerischen Raumgestaltung letztlich auch vom Geldgeber, der Diözesanfinanzkammer, akzeptiert, nachdem der da malige Kulturreferent und jetzige Landes hauptmann Dr. Josef Ratzenböck einen Zuschuß des Landes Oberösterreich zu den Gesamtkosten von 2,4 Millionen Schilling in Höhe von 500.000 Schilling zugesichert und sich auch das Bundesministerium für Unter richt und Kunst mit einer Subvention in Höhe von 200.000 Schilling eingestellt hatte. Trotzdem galt es, bis zur Verwirklichung von Hokes Ideen noch eine schwierige Hürde zu überwinden, wie sich der bereits damals am Kapelienprojekt mitarbeitende VieriingerNachfolger, Direktor Dr. Johannes Riedl, erin nert: „Ais Hoke seine ersten bildnerischen Vorstellungen zu den Themen »Kreuzigung', »Babylonische Türme', »Marienwand' und .Abendmahl' präsentierte, brach Entrüstung los. Seltsamerweise kamen die Einwände nicht von der Ordensgemeinschaft der Maria nisten, für die dieser Raum als Hauskapelle dient, sondern von einigen Kunsterziehern unserer Anstalt, während sich sogar der Reiigionspädagoge Janda Hokes Vorstellungen gegenüber aufgeschlossen zeigte, vor allem auch die Themenwahl begrüßte." Hokes Kritiker stießen sich nicht an den The men, sondern an deren bildnerischer Umset zung, angemeldet wurden in erster Linie äs thetische Vorbehalte. So wurden kritische Stimmen an der „Radikalen Reduktion der menschlichen Figur" laut, wurden Einwände gegen den „sichtbaren Einfluß an mexikani scher Kunst" vorgebracht, die als Ausdruck einer heidnischen Kultur für Darstellungen in einem christlich-religiösen Themenkreis als unpassend empfunden wurden. Wobei Hoke von Beginn an klargestellt hatte, daß er sich bei den Wandbildern nicht auf tradierte For men christlicher Biidiegenden festlegen las sen würde: „Es erscheint mir verfehlt, eine Kirche für einen menschlichen Zustand (jung, alt, krank, gesund) oder eine Situation der besonderen Wirksamkeit (Erziehung, Warnung, Trost etc.) zu gestalten. Es er scheint mir verfehlt, eine Kirche »interessant' zu machen oder diese zu »schmücken'. Es er scheint mir überflüssig, konstruktiv um Auf merksamkeit zu buhlen. Es erscheint mir richtig, sich mit größter Intensität um die Ge stalt des Lebens, das mit »heiterem Ernst den Tod miterlebt' zu bemühen und einen Aus druck dafür zu finden, der die Einsamkeit aufhebt." Den Brückenschlag zwischen den Intentio nen des Künstlers und den Meinungen seiner Kritiker schafften zahlreiche, zum Teil hitzig geführte Diskussionen. Im Verlauf dieser gei stig-künstlerischen Auseinandersetzungen konnte sich Hoke, unterstützt von Vieriinger und Riedl, letztlich mit seinen Vorstellungen durchsetzen und seine Kritiker überzeugen. Verwirklicht hat er seine Biidvorstellungen auf durchaus gegenständliche, keinesfalls abstrakte, wenn auch formal reduzierte male rische Art. Aufgebaut sind seine Kompositio nen auf den in dunklem Rotbraun gefärbten Wänden des quadratischen Wandelganges, die von weiß gemalten Bibeltexten bedeckt sind, die mit den jeweils darüberiiegenden Darstellungen korrespondieren. Ein generelles Motiv findet sich in allen vier Darstellungen auf den Seitenflächen des Py ramidenstumpfes: Der Turm, von Hoke als „Motiv unserer Zeit" gewählt, Isolation wie Streben nach Höherem verkörpernd. Auf be klemmende Weise ist das Kreuzigungsthema dargestellt: betriebsame Schergen, dirigiert von erhaben auf zerbrechlichen Gerüsten thronenden Machthabern, mauern Jesus Christus ein, versuchen ihn hinter einem Waii aus Ignoranz und Intoleranz zu isolieren. Ähnlich isoliert, aber aus eigenem Wollen und Antrieb, die Turmbauer zu Babel: ge schäftige Sisyphusfiguren, die sich aus Machtstreben und Dünkel ihren Mitmen schen entrückt haben. Dem gegenüber stehen die Abendmahl- und die Mariendarsteiiung. Bei ersterer im Schutz des Turmes eine verschworene Gemein schaft, die aus der Gemeinsamkeit die Kraft schöpft, auch für andere da zu sein, ihnen zu helfen. Wände abzutragen. Geborgenheit strahlt auch Maria mit dem Kind aus: einge bettet in die im Hintergrund verteilten Frucht barkeitssymbole, ist sie Synonym für die schöpferische Kraft und deren Bereitschaft, Wachstum zu fördern. Bekrönt werden die Darstellungen von vier an den Wänden im un teren Teil des Lichtschachtes schreitenden Männern: deutbar als Sinnbilder für den Menschen, der kraft seines Geistes die Mau ern der ihn einengenden Türme überwunden 69
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