Oberösterreich, 39. Jahrgang, Heft 4, 1989

Der Weg zur Hochschulstadt Linz Harry Slapnicka Stellt man die Frage „Was ist eine Hochschul stadt?" und beantwortet sie einfach mit dem Hinweis, eine Stadt, die Sitz einer Hochschuie ist, dann ist dem wenig hinzuzufügen. Dann ist der Weg zur Hochschulstadt Linz einfach die Summe offizieller und inoffizieller Bemühungen, das Engagement von Einzel nen, ganzen Gruppen, von Körperschaften, vom Land Oberösterreich und der Landes hauptstadt Linz. Ist man aber mit dieser Antwort nicht ohne weiteres zufrieden und meint, zu einer Hoch schulstadt müsse kommen, daß das Land, die Stadt und die Bürger diese Hochschule, ihre Professoren und Studenten akzeptieren, ja begrüßen, und auch umgekehrt, so ist dieses Frage-Antwort-Spiel schon komplizier ter. Erst recht, wenn man weiterdringt und fragt, ob die studierende Jugend — in Linz rund 5000 — die Stadt mitprägt, ob die Pro fessoren das geistige Leben dieser Stadt mit beeinflussen oder mitformen, wieweit neue Publikationen, Bücherreihen, Zeitschriften für die Stadt von Bedeutung werden, so wird die Frage nach dem Wesen einer Hochschul stadt immer schwerer zu beantworten sein. Trotz allem scheint es notwendig, auf die aus führlichste der Fragestellung einzugehen: Hat sich Linz dadurch gewandelt, daß es Hochschulstadt wurde, daß es schon bald 25 Jahre Hochschulstadt ist? Eine Befragung der Linzer würde gleich zu Beginn in Turbulenzen geraten, wenn man feststellen müßte, daß nur wenigen Linzern zu Bewußtsein gekommen ist, daß Linz sogar Sitz dreier Hochschulen ist, daß neben der nunmehrigen Kepler-Universität, die 1966 ihre Pforten öffnete, im Jahr 1973 die Kunst hochschule hinzukam, und daß nach einer zehnjährigen Probezeit die Katholisch-Theologische Hochschule nunmehr seit 1988 eine päpstiiche Fakultät auf Dauer geworden ist. Diese drei Linzer Hochschulen haben unter schiedliche Wege (und Irrwege) hinter sich, haben verschiedene Traditionen, auf die we nigstens kurz eingegangen werden soll, ha ben neben viel Unterschiedlichem doch man ches Gemeinsame. Natürlich gehen die Linzer Planungen nicht so weit zurück wie die der traditionellen Uni versitäten, etwa Prag und Wien. Man muß be denken, daß, als Kaiser Karl IV. 1348 in Prag und sein Schwiegersohn 1365 in Wien Uni versitäten errichteten, das Land ob der Enns erst im Entstehen war, daß sich erst um diese Zeit langsam die Trennung vom Lande unter der Enns volizog und ein Landtag zu wirken begann. Aus den vielfachen Bemühungen — etwa auch zur Errichtung einer medizinischen Fakuität — seien ausführlicher nur die heraus gegriffen, die zu den drei Gründungen der Nachkriegszeit führten. Zielrichtung: Technik, Wirtschaftsund Naturwissenschaften Als die deutschen Professoren der Univer sität Lemberg im zisleithanischen Galizien für den Fall einer Polonisierung ihrer Univer sität nach Salzburg gehen wollten, Wien aber für eine Verlegung nach Mähren plädierte, wurden in Linz neue Initiativen erkennbar. So wurde im Linzer Gemeinderat 1869 für die Er richtung einer Technischen Hochschule in Linz plädiert, eine Initiative, die vom Kauf männischen Verein in Linz unterstützt wurde. Man betonte, die Zeit habe eine „betont reale Richtung", das Land ob der Enns sei eines mächtigen industriellen Aufschwungs fähig. Im Gegensatz zu Salzburg, das erklärt hatte, keine Mittel auftreiben zu können, verweist man in Linz auf Überschüsse aus den Stu dienfonds, die aus den Erträgen der dem Je suitenorden abgenommenen Liegenschaften erzielt werden. Das Land Oberösterreich, das in diesem Fall allerdings übergangen wurde, hat wieder andere Argumente gegen Wien parat: die in Oberösterreich erbrachten Steu ern übersteigen bei weitem jene Mittel, die für Oberösterreich verwendet würden; andere Kronländer zehrten also von Oberösterreich, das bei eigenen Belangen stiefmütterlich be handelt würde. Die Wiener Argumente: man solie erst einmal eine Gewerbeschule für die mittlere prakti sche Ausbildung errichten; tatsächlich kommt es bald zur Errichtung einer Gewerbe schule mit Unterstützung aus Staatsmitteln. Weiteres Argument: Linz ist ja nur vier Eisen bahnstunden von Wien entfernt. Ein Argu ment wird nicht ausgesprochen: Das Erzher zogtum ob der Enns gehört mit einem Anteil von 1,65 Prozent der Bevölkerung der Habs burger-Monarchie und von 2,98 Prozent der Bevölkerung Zisleithaniens nicht etwa zu den mittleren, sondern zu den kleinen Ländern Österreichs. Dieses Projekt ruhte etwa ein halbes Jahr hundert, bis ein neuer Vorstoß in eine ähnli che Richtung folgte. Neuerlich sind es promi nente Oberösterreicher, vor allem der Linzer Bürgermeister und nachmalige Nationalrats präsident und Justizminister Dr. Franz Dinghofer, auch Dr. Karl Beurle, die eine gewisse Generosität anläßlich des 60jährigen Regie rungsjubiläums von Kaiser Franz Joseph I. nützen wollen, um den Hochschulgedanken zu aktivieren. Man ist klug, zurückhaltend und zukunftsorientiert, schlägt vor, erst ein mal eine medizinische und philosophische Fakultät beiseite zu lassen und sich auf eine juridische Fakuität und auf Handelswissen schaft zu konzentrieren. Linz schwebt das vor, was 1908 in Berlin gegründet wurde, eine Handelshochschule. Neues Gegenargument aus Wien: es werden derzeit sieben Universi täten bzw. Hochschuien gefordert, und wenn schon eine neue Handelshochschule, dann für Wien. Nach diesem Vorstoß der Jahre 1908/1910 er folgte einer zur Errichtung einer Technischen Hochschule in Linz; jetzt ist es die Handels kammer, die 1913 diese Inititative ergreift. Diesmal ist die Nachricht ausschlaggebend, daß man zur Vorbereitung einer Technischen Hochschule für Tirol technische Kurse an der Universität Innsbruck einzuführen gedenke. Neues Argument aus Linz: Linz sei nunmehr die größte Stadt Zisleithaniens, die keine Hochschule besitzt. Der Erste Weltkrieg beendet vorerst Initia tiven, Gespräche, aber sofort nach Ende des Krieges gibt es zwei ernstzunehmende Pla nungen. So wie man sich nach Kriegsende Denkmäler bedeutender Österreicher in die nunmehrige Republik zurückholt, etwa das Tegetthoffdenkmal aus Triest nach Graz, oder das Prager Radetzky-Denkmal nach Linz (eine Planung, die dann doch nicht realisiert werden kann), sollten auch deutsche Hoch schulen nach Österreich veriegt werden. Die Universität Czernowitz hätte nach Salzburg und die deutsche Franz-Josef Technische Hochschule der mährischen Landeshaupt stadt Brünn nach Linz verlegt werden sollen. Es ist übrigens eine gegenseitige Liebe und die Brünner Denkschrift, „vorgelegt im Na men der Gesamtheit der Professoren an der deutschen technischen Hochschule in Brünn", iistet sehr sorgfältig auf, warum ne ben Innsbruck und Salzburg vor allem Linz der Vorzug zu geben sei. „Die Professoren der Brünner Hochschule haben darüber Um schau gehalten, wo das passendste neue, schützende Obdach zu finden sei, welche von den von mehreren Seiten entgegenge streckten Freundeshänden sie ergreifen sol len" und haben gewichtige Gründe für Linz gefunden. Auch diese Planung endet 1920 negativ, weil die deutsche Technische Hoch schule in Brünn in der neuen Tschechoslowa kei verbleibt und erst 1945 aufgelassen wird, ohne daß im Chaos dieses Jahres irgendeine kollektive Übersiedlung möglich gewesen wäre. Reaktiviert wird der Plan einer Technischen Hochschule in Linz im August 1938, ein hal bes Jahr nach der Besetzung Österreichs. Am 14. November 1938 entscheidet dann Hit ler, daß es zu keiner Verlegung der Brünner Technik kommen werde — das war aber nach der Besetzung der sudetendeutschen Gebie te —, daß aber Linz eine eigene Technische Hochschule bekommen soll. Die Planungen des zuständigen Reichsministeriums werden 37

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