Oberösterreich, 39. Jahrgang, Heft 4, 1989

Friedensschlüsse, Kriegsbündnisse und Staatsverträge Linz als Schauplatz politischer Verhandlungen In der frühen Neuzelt Georg Hellingsetzer ■.""tN Oberösterreichs Hauptstadt bildet heute wie in den vergangenen Jahrhunderten das poli tische und wirtschaftliche Zentrum des Lan des. Als solches ist es auch in Österreich und im Ausland weitum bekannt, wobei seit eini ger Zeit noch kulturelle Großereignisse, wie etwa das Internationale Brucknerfest, hinzu kommen. Weniger im Bewußtsein der Öffent lichkeit ist allerdings verankert, daß in Linz, vor allem während des 16. und 17. Jahrhun derts, oftmals politische Verhandlungen statt gefunden haben, die von großer Bedeutung für die österreichische und europäische Ge schichte waren. Der venezianische Gesandte Giovanni Michele, der nach dem Tode Kaiser Maximilians II. (1576) über Trient, Bozen und Innsbruck nach Passau reiste, besuchte auf seiner Wei terfahrt nach Wien auch Linz. Er berichtete von der Stadt, daß sie berühmt sei wegen ih rer Märkte, die zweimal im Jahr abgehalten würden und an denen mehr Kaufleute teil nehmen als an irgend einem anderen Ort in Deutschland. Aber er erwähnt auch beson ders die in Linz veranstalteten Landtage (Diete), an denen der Kaiser persönlich teilneh me. Dies ruft uns nun in Erinnerung, daß. nachdem Friedrich III. (t 1493) seine Resi denz in den letzten Jahren in Folge der Geg nerschaft zum Ungarnkönig Matthias Corvinus nach Linz verlegt hatte, sich auch seine Nachfolger, vor allem Kaiser Ferdinand I. und seine Familie, wiederholt hier aufhielten. Kai ser Rudolf II. hatte seine Residenz nach Prag verlegt und Wien wurde nach seinem Tode erst allmählich wieder zum wirklichen Mittel punkt des Habsburgerreiches. Aber auch noch später wurde in Notzeiten — während der Schwedeneinfälle im 30jährigen Krieg und der Türkenbelagerung von 1683 — die Hofhaltung nach Westen, zeitweise auch nach Linz, transferiert. Nun hatte allein diese Tatsache zur Folge, daß bei Anwesenheit des Landesfürsten und seiner Umgebung viele Gesandtschaften und Delegationen fremder Mächte nach Linz kamen und natürlich auch politische Ver handlungen geführt wurden, ebenso bei den von Michele erwähnten Landtagen, die frem de Beobachter anzogen. Eine besondere Be deutung hatte dabei sicher der gesamtöster reichische Generallandtag des Jahres 1614, auf dem im Juli und August über 70 Stände vertreter der Länder der deutschen Linie der Habsburger zusammenkamen. Der damalige Landesfürst, Kaiser Matthias, wollte in erster Linie von seinen Ländern Geld für die Rü stung gegen die Türken erhalten. Die Türken gefahr wurde zu diesem Zeitpunkt aber offen sichtlich von den Ständen nicht als so akut betrachtet, denn sie gingen auf diese Forde rungen des Kaisers nicht ein. Ein Motiv zu dieser Haltung liegt wahrscheinlich darin, daß die mehrheitlich protestantisch orientier ten Vertreter der Stände nicht ganz zu Un recht befürchteten, die Aufstellung einer gro ßen Truppenmacht könnte für sie selbst gefährlich werden, der Landesfürst mit diesem Druckmittel ihre Freiheiten beschnei den und ein absolutistisches Regiment ein führen. Das Scheitern dieses Linzer Generallandta ges zeigt deutlich, daß vor allem von Seiten der Stände ein gemeinsames Handeln mit dem Landesfürsten auf breiter Basis nicht mehr angestrebt wurde. Vielmehr gingen diese nunmehr selbst dazu über, eigene Kon zeptionen eines protestantischen Stände staates, wie er etwa in den Niederlanden ver wirklicht worden ist, zu entwickeln. Den Höhepunkt erreichten diese Bestrebungen

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