Oberösterreich, 39. Jahrgang, Heft 4, 1989

Allerdings sind es nicht die feinen Leute, die dieses Bier trinken. Das ist das Getränk der Arbeiter, Taglöhner, kleinen Handwerker, der einfachen Soldaten und Wanderburschen, der Bediensteten, des Haus- und Küchenper sonals, der vielen tausend Menschen, die in der wohlgeordneten Welt der Linzer Bürger keine aktive Rolle spielen. (Wir wissen wenig über diese „Masse"; man kann gespannt sein, wie neuere Forschungen ihre Rolle und Bedeutung im vormärzlichen Linz beurtei len.) Viele von ihnen leben in miserablen, feuchten Zimmern, da es zu wenig Wohn raum gibt. Holz zum Kochen oder Helzen Ist zu teuer, denn Arbelt ist gerade im Winter rar. Die Ernährung ist unregelmäßig, oft unge sund einseitig (immer das Billigste). Über Käl te und Hoffnungslosigkeit soll dann Brannt wein hinweghelfen. Der ganze Besitz armer Handwerker, meist Weber, besteht oft aus einem Bett und einem Kasten, ein oder zwei Garnituren Wäsche und — fast schon ein Sta tussymbol — einem Sonntagsgewand. Die Lebenserwartung ist unter diesen Umstän den kurz. Zwar werden die Armen unentgelt lich von den Linzer Ärzten behandelt, aber was konnte das schon ändern? Manche Ver lassenschaftsabhandlungen nach Wander burschen, die — von unbekannter Herkunft — zufällig in Linz verstarben, nennen als ein zigen Besitz die nur mehr zum Verbrennen taugliche Kleidung des Verstorbenen. Die Lebensweise dieser „Unterschicht" ent spricht in vielem nicht den Vorstellungen der Kirche und der bürgerlichen Gesellschaft. Es gilt als Binsenweisheit, daß Armut nur eine Folge von Faulheit oder Verschwendungs sucht, insbesondere der Trunksucht sei. Auch die Unmoral der „gemeinen Leute" gilt als notorisch: in diesen Schichten ist das Hei raten ein Schritt, den sich jeder gut überle gen muß: Wie soll er eine ganze Familie er nähren? Die Folge sind viele uneheliche Kinder, die sich ohne Erziehung und Pflege durchschlagen müssen, zahlreiche Alte und Arbeitsunfähige, die ohne familiären Rück halt dastehen und der erst in Ansätzen vor handenen „öffentlichen Wohlfahrt" zur Last fallen (vor allem die „k. k. milde VersorgungsAnstalt" als Nachfolger des Bürgerspitales im Prunerstift, das Armeninstitut etc. dienten der Altenversorgung). Aber auch ehelich geborene Kinder haben in diesem Milieu kein beneidenswertes Schick sal zu erwarten: kaum dem Kleinkindalter entwachsen, werden sie als Hilfsarbeiter an den damals modernen Maschinen bei bis zu 16stündiger Arbeitszeit eingesetzt oder zu anderen, oft gefährlichen Arbeiten herange zogen (Qualifikation war der kleine Körper bau), Mädchen sitzen buchstäblich den gan zen Tag bei schlechter Beleuchtung über stupiden Handarbeiten, sind manchmal schon mit 14 Jahren davon verkrüppelt und todkrank; der Lohn, den die Eltern erhalten, ist — bei gleicher Leistung — nur ein Bruch teil des Verdienstes eines Erwachsenen. Daß diese Kinder nie eine Schule von innen se hen, versteht sich von selbst. Trotz ständiger 21

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