Oberösterreich, 39. Jahrgang, Heft 4, 1989

„Ankunft Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin von Österreich In St. Magdalena bey Eröffnung der Eisenbahn von Linz nach Budwels am 21. Juli 1832", Farblithographie von Anton Beyer, Linz Stadtmuseum Nordico, Inv. Nr. 2870. Repro: Franz Michalek ^*2' 'j'- zu sprechen, die berühmte Pferdeeisenbahn von Budwels nach Gmunden, eine techni sche — und wirtschaftliche — Pionierleistung von europäischem Rang. Aber erstens gibt es darüber schon zahlreiche Publikationen, und zweitens stand der Nutzen dieser Bahn für Linz leider In keinem Verhältnis zu Ihrer Berühmtheit: Zwar wurde der traditionelle Massengüterverkehr nach Böhmen erleich tert und wurden auch für einige Jahre ganz gute Transportleistungen erbracht, die Hoff nung aber, daß durch die Kreuzung der NordSüd verlaufenden Bahn mit der West-Ost ver bindenden Wasserstraße der Donau ein mo derner, International bedeutender Umschlag platz heranwachsen könne, erfüllte sich nicht. Im Gegenteil: Die technisch unzulängli che Ausführung der Bahn (Sparsamkeit!) ver hinderte Ihre Weiterentwicklung. Die Zukunft lag Im Internationalen Bahnnetz, an das Linz erst 1858 durch die Fertigstellung der Kaiserln-Ellsabeth-Bahn (Westbahn) Anschluß fand. Diese Verspätung, wenig Unternehmergelst und Investitionsbereitschaft der Einhei mischen und wohl auch der traditionell agra rische Charakter des Umlandes gehören zu den wesentlichsten Ursachen, daß die Im Vormärz sich abzeichnenden, durch die Pfer deeisenbahn symbolisierten Chancen schnell wieder verlorengingen. Erst In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kam wieder einige Bewegung In die wirtschaftliche Ent wicklung; Persönlichkelten wie Ignaz Mayer, Josef DIerzer, Johann Grillmayr, Franz Ho nauer sind mit dem wirtschaftlichen Auf schwung In Linz untrennbar verbunden — und schon an vielen Stellen entsprechend gewürdigt worden. Deshalb lassen Sie uns wieder In die erste Hälfte des Jahrhunderts zurückkehren. Obwohl also die wirtschaftliche Bedeutung und Entwicklung der Stadt nicht überwälti gend war, so geht doch der Anschluß an die „modernen Zelten" nicht verloren. Einrichtun gen zur „allgemeinen Bequemlichkeit" wer den von anderen Städten übernommen. 1830 richtet der Magistrat ständige Flakerstand plätze ein; die Flaker sind nicht nur „an die bestehenden Paß-, Polizei- und Postvorschrif ten" gebunden, eine eigene Regierungsver ordnung verbietet sogar zu schnelles und un vorsichtiges Fahren; bei Feueralarm müssen sie Pferde und Wagen der Polizei zur Verfü gung stellen. Als Vorform öffentlicher Ver kehrsmittel fährt seit 1836 ein „Stellwagen" regelmäßig nach Kleinmünchen und zurück, wenig später wird eine tägliche Stellwagen fahrt nach Wels eingerichtet. Eine ganz wichtige Funktion hat das Boten wesen. Wie sollte ein braves Linzer Dienst mädchen den Eltern In Alstershelm ein Päck chen mit einem Stück besonders schönen Stoffes zukommen lassen? Die staatliche Post befördert nur Briefe. Nun, das Mädchen erkundigt sich, wo und wann der „Alstershelmer Bote" abgeht; sie erfährt, daß die Pakete nach Alstershelm der „Grieskirchner Bote" mitnimmt und daß dieser — wie den gedruck ten und Immer wieder bekanntgemachten Botenlisten zu entnehmen Ist — alle Freitage bei der „Weißen Gans" losfährt. Das Mäd chen geht also zum Wirt der „Weißen Gans", deponiert dort das Paket, zahlt den Boten lohn und kann dann mit der beruhigenden Gewißheit zur „Herrschaft" zurückkehren, daß am nächsten Freitag das schöne Stoff stück auf dem Leiterwagen gemächlich und sicher nach Alstershelm schaukeln wird. Je der Ort Oberösterreichs wird zumindest ein mal wöchentlich von einem Boten angefah ren, der Immer vor — oder In — demselben Wirtshaus bereitsteht. Sicher kein schlechtes Geschäft auch für die Wirte, denn die Boten bringen ja nicht nur Pakete und Ähnliches, sondern natürlich auch Neuigkeiten aus „Ihren" Dörfern, die dankbar am Wirtshaus tisch erlauscht werden. An Gasthäusern herrscht ja wahrlich kein Mangel. Linz hat davon 69, selbst der be scheidene Markt Urfahr 17. Diese große Zahl Ist kaum mit besonderer Eß- oder Trinklust der Linzer zu erklären, eher vielleicht mit den zahlreichen Fuhr-, Schiffsleuten und Faßzlehern, bekannt trinkfesten Männern. Vor allem aber hat das Gasthaus eine wichtige Funk tion In der Kommunikation, bei der Verbrei tung und Kommentierung von Neuigkeiten, also auch bei der Meinungsbildung. Die „Lin zer Zeltung" der ersten Hälfte des 19. Jahr hunderts, die zweimal wöchentlich erscheint, enthält praktisch nur amtliche Bekanntma chungen und einige Inserate. Was der Ausru fer zu verkünden hatte, war zwar meist wich tig, aber der Bedarf an Neuigkeiten war durch seine Auftritte nicht zu stillen. Wie erfuhren die Linzer ohne Zeltung, Radio und Fernse hen all das, was heute den Hauptinhalt der Massenmedien ausmacht? Sie setzen sich ins Wirthaus und hören dort aus erster, zwei ter oder noch späterer Hand das Neueste, können die Ereignisse Im vertrauten Kreis gleich kommentleren, diskutieren (zumindest solange kein Polizeiagent In der Nähe war), werden davon natürlich durstig . . Das Stadt bräuhaus produziert um 1830 jährlich angeb lich fast 1,5 Millionen Liter Bier! Johann Maria Monsorno, Auf dem Freinberg, Aquarell, um 1833, Linz in aiten Ansichten Tafel 68 (im Bild zu beachten Gastgarten, gemischte Gesellschaft), Sammlung Herzog von Hohenberg, Schloß Artstetten. • Repro: Franz Michalek 20

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