Oberösterreich, 39. Jahrgang, Heft 3, 1989

Bücherecke Orakelspender zu entnehmen, sie in den Hausgar ten einzupflanzen und aus ihrem Verhalten den günstigsten Anbautermin zu schließen, war auch andernorts — wenn auch vereinzelt — in Ober österreich bekannt, worauf A. Baumgarten 1860 aufmerksam gemacht hatte. Nur ein einziger Beleg aus dem Mühlviertel nennt aber das Fest Maria Himmelfahrt als geeigneten Orakeltag. Gerade diese unikale Besonderheit hatte den Bearbeiter veranlaßt, die brauchtümliche Stellung des Kalen dertages, die Geschichte des Marienfestes und auch die der Marienverehrung zeitlich und räum lich zu untersuchen. Beachtlich die von ihm für seine Studien herangezogene Literatur, die auch auf andere an das Thema anschließende Abhand lungen neugierig macht. Rudolf Rochier Georg Friedrich Most: Encykiopädie der Voiksmediein. Einieitung Kari Frick und Hans Biedermann. — Graz: Akademische Druck- und Veriagsanstait 1984, XXIX, 815 Seiten, 12 x 19 cm, hart gebunden, Ladenpreis S 340.—. Die Akademische Druck- und Verlagsanstalt in Graz entdeckt immer wieder neue Möglichkeiten zur Renaissance historischer Buchkultur. Mit Er folg hat sie sich nunmehr auch der Volksmedizin angenommen, wie diese und folgende Rezensio nen zeigen. Bei vorliegender Enzyklopädie han delt es sich um ein medizinisches Hausbuch, wie derartige Publikationen einstens beliebt waren und förmlich zerlesen worden sind. Hergestellt wurde die jetzige Ausgabe als photomechanischer Nach druck des Originals von 1843. Dessen Titelei war dem damaligen Sprachgebrauch entsprechend umfangreicher: „Encykiopädie der gesammten Volksmedicin oder Lexikon der vorzüglichsten und wirksamsten Hans- und Volksarzneimittel aller Länder. Nach den besten Quellen und nach drei ßigjährigen, im In- und Ausland selbst gemachten zahlreichen Beobachtungen und Erfahrungen aus dem Volksleben gesammelt und herausgegeben." Aus der Einleitung des Nachdruckes erfahren wir, daß Georg Friedrich Most zu seiner Zeit eine medi zinische Autorität war, geboren 1794, Studium in Göttingen, verstorben als Professor an der Univer sität Rostock, Todesjahr nicht geklärt, wissen schaftlich tätig, vor allem eifrig bemüht um eine po pulärwissenschaftliche medizinische Publizistik. In seiner Vorrede schreibt er Sätze, die heute wie der höchste Aktualität besitzen: „Alle grosse, wahr hafte Aerzte und Helfer der leidenden Menschheit, sowol der Vor- und Jetztzeit, waren und sind davon überzeugt, dass der ächte, tüchtige Arzt die Volks medicin, die Haus- und Volksarzneumittel, nicht verachten, vornehm bespätteln und geringschät zen, sondern kennen lernen, untersuchen und prü fen müsse, ob darin nicht manches Goldkorn ver graben liege.. ." Wie ernst diese historische Enzyklopädie auch heute noch zu bewerten ist, er gibt sich rasch aus einer Durchsicht der Schlag wörter in alphabetischer Reihenfolge und aus der Lektüre von fünf „Anhängen", darunter z. B. „Allge meine Bemerkungen über die Nahrungsmittel, nebst Anwendung zur Bereitung zweckmäßiger Speisen und Getränke für Kranke und Genesende" oder „Über Menschenerziehung, in diätmedicinischer Hinsicht." Diese Publikation ist ein richtiges Hausbuch! O. Wutzel Christian Rätsch: Lexikon der Zauberpfianzen aus ethnoiogischer Sicht. — Graz: Akademische Druck end Veriagsanstait 1988, Ln. geb., 180 Seiten Text, 20 Strichiilustrationen, 24 Farbtafeln, Format 14,8 x 20,4 cm, Ladenpreis S 270.—. Einer indischen Weisheit zufolge liegt in den Kräu tern die ganze Kraft der Welt geborgen. Wer ihre Fähigkeiten kennt, sei allmächtig. Die mit Pflanzen gemachten Erfahrungen sind zwar in Indien in dieser Weise formuliert worden, doch Kenntnis da von besaß man bei allen Völkern dieser Erde. Der Autor hat demnach seine Arbeit — und das geht schon aus dem Zusatz im Titel hervor — „auf die Begegnung mit fremden Kulturen" angelegt, die zu den aufregendsten Erlebnissen in unserer moder nen Welt gehört. Tiefer noch könne man in jene Kulturen durch das „Tor Zauberei" eindringen. Allein schon durch diesen im Vorwort gegebenen Hinweis zeigt sich der Unterschied dieses Buchin haltes zu den vom selben Verlag 1986 herausge brachten „Zauberkräutern" von Hans Schöpf. Zauberei und durch welche Mittel und Wege sie vollbracht werden kann, das ist der Tenor dieses zum Blättern und Lesen verführenden Buches. „Was ist Zauberei?" oder „Was sind Zauberpflan zen?" bzw. „Wer benutzt Zauberpflanzen?". Diese sicherlich für den Verfasser, als auch für den Leser notwendigen Fragen werden zunächst ausgiebig beantwortet. Die Quellen, aus denen die vielen In formationen über die in europäischen und außer europäischen Kulturen (und Kulten) bezüglich ih res Geheimwissens um die Wirkung bestimmter Pflanzen stammen, findet die Forschung in relativ jüngeren Schriften (19. und 20. Jh.), nicht zuletzt aber in Prozeßakten der Inquisition oder in den Auf zeichnungen von Missionaren und Soldaten, die solche Vorgänge beobachten konnten. Vermutlich ist es nun nicht nur die Neugierde der Forscher gewesen, im besonderen der Pharmakologen, herauszufinden, ob die zu Zauberzwecken genützten Pflanzen auch tatsächlich gewisse Wirk stoffe enthielten oder ob „Zauber" in den Bereich des Aberglaubens zu verweisen sei. Wenn beim gegenwärtigen, so schwer einzudämmenden Dro genmißbrauch wohl nicht von Zauber die Rede sein kann, so wird man beim Lesen des lexikalisch gehaltenen Abschnittes „Die Zauberpflanzen von A—Z" doch stark an fatale Zusammenhänge erin nert. Die über 120 Stichwörter erklären jeweils den botanischen Namen und Zustand, die Bedeutung der Pflanze, ihre esoterische Anwendung und schließlich auch ihre pharmakologisch bestimmten Wirkstoffe und Indikationen. Zur Illustrierung hat man sich authentischer Dar stellungen, Codices (Inka, Vindobonensis Mexicanus etc.) bedient. Ein Verzeichnis der im Buch be handelten Pflanzen, eine reichhaltige Biblio graphie und ein Glossar stehen zur Verfügung. Hans Schöpf: Zauberkräute.r — Graz: Akademische Druck- und Veriagsanstait 1986, Leinen, 175 Seiten, 16 Farbtafein, 32 Schwarz-Weiß-Abbildungen, For mat 14,8 X 20,3 cm, Leinen, Ladenpreis S 270.—. Der Titel dieses gefällig aufgemachten Buches sollte nicht zur falschen Vorstellung führen, daß man in die Geheimnisse und Praktiken einer He xenküche eingeweiht wird. Davon ist sein Autor, der dieses Thema als eine „okkulte Studie der Pflanzenwelt" auffaßt, weit entfernt. Somit ist auch nicht zu erwarten, daß nach botanischen Besonder heiten, wie Stengel- oder Wurzelformen, gesucht oder Staub- und Blütenblätter zwecks Pflanzenbe stimmung gezählt werden. Es liegt auch kein „Kräu terbuch" im herkömmlichen Sinne vor, obgleich stel lenweise diesen Merkmalen nicht gut ausgewichen werden kann. Auf diese Besonderheit des vorwie gend als Nachschlagewerk zu benützenden Buches wird man schon im Vorwort hingewiesen. „Es war das Bestreben des Verfassers, für alle Freunde ok kulter Literatur, aber auch für jene Personen, welche sich mit der Bedeutung der Pflanzen — über ihre medizinische Wirkung hinaus —- befassen, ein The ma zu bearbeiten, das für den genannten Personen kreis von größtem Interesse sein dürfte." In der Tat ertappt sich der Leser gleich bei den er sten Kapiteln, daß ihn manches darin Gesagte un weigerlich fesselt. Wie schon erwähnt, handelt es sich nicht um Geheimnisvolles, das hier verraten werden soll, sondern um eine Art kulturhistorische Rückschau auf die im Volkswissen verankerte An wendung bestimmter Pflanzen; um Ansichten und Erfahrungen, die anscheinend auch heute noch nicht gänzlich überwunden sind. Wenn in ausführ lich angelegten Kapiteln von der „Magie der Pflan zen" gesprochen wird, dann ist dieser Begriff nicht allzu eng aufzufassen. „Zauber" bedeutet in diesem Zusammenhang nicht nur Beschwörung. Zauber also im weiteren Sinne verstanden, indem Pflanzen als Amulette und Talismane, Pflanzen als Wetterpropheten neben ihrer Anwendung in der Volksmedizin, natürlich auch im Liebesorakel und Liebeszauber eingesetzt werden. Kürzere Kapitel beziehen sich auf Beschrei- und Berufskräuter (von „berufen", d. h. verschreien, behexen etc.), auf sogenannte Hexen- und Teufelskräuter. Natürlich ist auch die Rede vom geeigneten Zeitpunkt, wann Heilkräuter zu ernten sind, denn sie seien in ihrer Wirkung nicht zu beliebigen Zeiten gleichartig. Die „Herbaiastrologie" kennt darum eine magische bzw. eine „Planetenstunde" in der jedes Kraut ein Maximum seiner Heilwirkung entfaltet. Es ist sicherlich nicht nur die Schönheit und Vielfalt der Pflanzenwelt, die den Menschen schon immer — und trotz aller nüchternen Sachlichkeit auch heute noch — begeistert. Auch die bald grenzenlo se Wirkweise, ihr staunenswerter Lebenswillen ließ vor allem die Blüten und Blumen zu direkten und analogen Mitteln werden, um solche Eigenschaf ten auf den Menschen zu übertragen. So konnten Pflanzen zu deutlich lesbaren Symbolen, zu Attri buten werden und es wird einem die Überlegung selbst längst überholter wissenschaftlicher Denk weise verständlich, wie sie Paracelsus mit seiner Signaturlehre niedergeschrieben hatte. Einen besonderen Hinweis verdienen die dem lexi kalischen Teil beigegebenen Abbildungen, die dem „Lust- und Arzneygarten des Königlichen Pro pheten Davids" (W. H. Freiherr von Hohberg, 1675) entnommen wurden, ganz besonders aber die wohlgelungenen Reproduktionen aus dem soge nannten „Wiener Dioskurides" (512 aus Byzanz), einer Handschrift des griechischen Arztes Pedanios Dioskurides, welche den Drogenschatz der Antike beschreibt und illustriert. Viele Stichworte von Affrodil bis Zypresse und Zwiebel machen dieses Buch zu einer vergnüglichen Postille. 81

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