Oberösterreich, 39. Jahrgang, Heft 3, 1989

Verkehrserschließung ist (neben anderen Faktoren wie attraktive Umgebung) eine Grundvoraussetzung für eine Siedlungstätig keit; diese wiederum verursacht Verkehr und ist damit vielfach unmittelbarer Anlaß weite rer Ausbauwünsche des Straßennetzes. Die Wirkungsweise dieses Zusammenhanges können wir im Umland der Städte, aber auch im Umkreis von Märkten und Dörfern beob achten. Diese unter dem Begriff „Zersiedelung" zusammengefaßte Entwicklung zeigt auf, daß es nicht gelungen ist, die planeri sche Idealvorstellung, nämlich neue Sied lungsgebiete im Bereich bestehender Sied lungen zu konzentrieren und die freie Landschaft von Bebauung freizuhalten, in das reale Raumgeschehen zu übertragen. Trotz abgeschwächter Bautätigkeit ist dieser Prozeß noch nicht abgeschlossen. Es ist offensichtlich, daß dem Verkehrswesen im allgemeinen und dem Straßenverkehr im besonderen in diesem — oft als sich auf schaukelnder Regelkreis beschrieben — Zu sammenhang entscheidendes Gewicht zu kommen. Vorliegende Erkenntnisse zu diesem Problembereich zeigen auf, daß ins besondere im Umkreis von Städten im Stra ßennetz angebotene Kapazitäten zur Ausnut zung tendieren. Eine Anpassungsplanung an den tatsächlichen oder vermeintlichen Be darf führt demnach zwangsläufig zu Ver kehrszunahmen. Folgerichtig wäre in diesem Fall, den sich aufschaukelnden Regelkreis durch konsequente Förderung des öffentli chen Verkehrs oder durch raumordnerische Maßnahmen aufzubrechen. Wird also dem Verkehrswesen eine Funktion zur Steuerung des Siedlungsgeschehens zu erkannt, so kann im Hinblick auf den sparsa men Umgang mit Grund und Boden eine par tielle Übererschließung nicht in Abrede gestellt werden. Dieser Aspekt betrifft vorwie gend attraktive Landschaftsteile, die durch den Verkehr erschlossen und dadurch ver stärkt verbaut werden. Einen Ansatzpunkt zur Erklärung dieser Zu sammenhänge liefert uns die Verkehrsökono mie, die die Raumüberwindung als ökonomi sches Gut mit spezifischen Kosten und Nutzen interpretiert. Anschaulich läßt sich 'dies an der Ausuferung der Städte demon strieren: es ist anzunehmen, daß für die be troffenen Haushalte die Vorteile höher sind als die Kosten und sämtliche Nutzeffekte vor allem den unmittelbar Betroffenen zugeord net werden können, während die mit dieser Entwicklung verbundenen Kosten, wie ver stärktes Verkehrsaufkommen, Umweltbela stungen, unwiederbringlicher Landschafts verbrauch nur teilweise angelastet werden. Die Kosten künftiger Generationen sind ebenfalls außerhalb jedes ökonomischen Kal küls. Der Slogan „Privatisierung der Nutzen und Sozialisierung der Kosten" ist bei den derzeit geltenden Kostenstrukturen zumin dest teilweise richtig. Integrative Verkehrsplanung — ein notwendiges, aber weitgehend vernachlässigtes Gebiet Die bisherigen Ausführungen sollten zeigen, daß die Frage der Übererschließung im länd lichen Raum differenziert beantwortet wer den muß: —- im Hinblick auf die Mehrfunktionalität des Verkehrs kann aus der Gegenüberstellung von Verkehrsaufkommen und Kapazität der Verkehrsanlage allein kein Rückschluß auf Übererschließung abgeleitet werden, — im Hinblick auf Erschließungs- und Verbin dungserfordernisse agierte die Verkehrspla nung vorwiegend bedarfsorientiert und kon zentrierte sich weitgehend auf die Befriedigung der bestehenden Nachfrage; die Qualifikation „Übererschließung" ist hier nicht angebracht. — im Hinblick auf siedlungsstrukturelle Ent wicklungsprozesse wurde der Beitrag des Verkehrs lange Zeit weitgehend vernachläs sigt, so daß durch die räumliche Trennung komplementärer Raumnutzungen Verkehrs leistungen erbracht werden müssen, die bei anderen Siedlungsstrukturennicht entstehen oder aber im öffentlichen Verkehr erbracht werden könnten. In diesem Bereich ist zumin dest partiell eine Übererschließung nicht aus zuschließen. Die einseitige planerische Orientierung auf den Individualverkehr ließ das Zusammen wirken der einzelnen Verkehrsformen in einem Gesamtsystem und die Einordnung dieses Verkehrssystems in den Zusammen hang „Raum — Siedlung — Verkehr" weitge hend außer acht. Die Begrenztheit der Res sourcen, geänderte Wertvorstellungen,aber auch der sich zunehmend verengende finan zielle Handlungsspielraum der Gebietskör perschaften tragen wesentlich zu einer ver änderten Problemsicht und zu innovativen Lösungsansätzen bei. Die veränderte Pro blemsicht betrifft vor allem die Erkenntnis, daß Verkehr nicht Selbstzweck, sondern aus schließlich Mittel zum Zweck sein darf; Ver kehrslösungen sind demnach nicht aus schließlich nach verkehrlichen Zielvorstellun gen, sondern nach deren Beitrag zur Errei chung umfassender Zielvorstellungen zu beurteilen und zu bewerten. Neuere Lö sungsansätze im Bereich der Straßenpla nung betreffen vor allem sparsamere Ent wurfsprinzipien („neue Planungsphiloso phie") und die Kapazitätsausnutzung vor Kapazitätserweiteru ng. Auch dem öffentlichen Verkehr wird ein geän derter Stellenwert zuerkannt. Es ist leider eine Tatsache, daß derzeit der öffentliche Ver kehr nur Restfunktionen wahrnimmt. Die Raumerschließung erfolgt durch den Indivi dualverkehr, die Bahn- und Busdienste gelten Kirchen- und Fassadenrenovierungen MAYREDER Ingenieure Mayreder, Kraus & Co. Mayreder, Keil, List u. Co. Baugesellschaften m. b. H. Linz — Wien — Innsbruck — Graz Mitglied der Vereinigung industrieller Bauuntemehmungen Österreichs 63

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