Oberösterreich, 39. Jahrgang, Heft 3, 1989

ten Einstellung zur Natur und zur örtlichen Gemeinschaft muß unbedingt darauf geach tet werden, daß der unverwechselbare Cha rakter des Dorfes nicht verlorengeht. Wenn man heute vom Dorf spricht, stellt man sich meistens einige dicht und verwinkelt ste hende Bauernhäuser vor, die an einer schmalen Dorfstraße aufgereiht sind. Die neuen Siedlungsgebiete werden zumeist nicht erwähnt. Ais gebräuchliche Definition für die Dorfentwicklungsaktion könnte ein Dorf als bodenständige Siedlung bezeichnet werden, in dem die Landwirtschaft noch eine Bedeutung hat und auch in der Bevölkerung, wie in der Siediungsstruktur ihren Ausdruck findet. Gewiß gehören zu einem Dorf auch Dienstleistungen und Handwerk zur Unter stützung der primärwirtschaftlichen Grundla gen, wie Fischerei, Land- und Forstwirt schaft. Das zentrale Anliegen der Dorfentwicklung ist nicht die Schaffung neu er Strukturen, es geht vieimehr um die quali tative Verbesserung der Strukturen und ins besondere um eine Mitverantwortung der Bewohner an den Planungs- oder Entwick lungsvorgängen. Die Zusammenarbeit zwischen den Gemein deorganen und der Bürgerbeteiligung wird sich nach den örtlichen Gegebenheiten rich ten müssen. Wolf Juergen Reith hat in sei nem Vortrag am 8. November 1988 in Enns bei der Dorfentwickiungsenquete „Unsere Dörfer haben Zukunft — Dorfentwicklung in Oberösterreich" darauf hingewiesen und dazu gemeint, daß ein solches Vorgehen Zeit erfordere und konfliktreicher sei, als eine „tra ditionelle" Planung. Dorferneuerung und Ortsentwicklung zielen darauf ab, Bevölke rung und Umwelt miteinander zu versöhnen. zu verbinden, die Menschen aufzufordern, sich in ihre Probleme einzumischen. Dabei geht es darum, bisher weniger beteilig te Bevölkerungsgruppen, wie Frauen, Ju gendliche, Pendler und Zweitwohnungsbesitzer, stärker einzubeziehen. Dorfentwicklung soll von unten ausgehen und nicht von oben angeordnet werden. Es gibt auch die Hoff nung, daß die Probleme mehr am Menschen orientiert werden. Das Dorfentwicklungskomitee, das aus Ver tretern der oö. Landesbaudirektion (Ge schäftsstelle), der Kulturabteilung, der Agrarabteilung, von den Agrarbezirksbehörden Linz und Gmunden, als auch vom Institut für Volksbildung und Heimatpflege besteht, hat in einem Arbeitspapier Leitsätze erarbeitet, die als Grundlage für die weitere Arbeit in Oberösterreich gelten sollen. In einem Maßnahmenkataiog werden die geistigen, kultu rellen, wirtschaftlichen, ökologischen sowie die baulichen Ziele und der Umweltschutz analysiert. Die „geistige Dorferneuerung" muß in der Be völkerung zu einer Bewußtseinsbildung füh ren, die mehr als bisher das Gemeinschaftli che betont. Es soll nicht dörfliche Idylle wiederhergestellt werden, sondern Zusam mengehörigkeitsgefühl soll Ausdruck des ge sellschaftlichen Lebens sein. Der Dorfge meinschaft muß es ein Anliegen sein. Altes zu erhalten. Neues zu gestalten, beides har monisch zu verbinden und damit zu einer bestmöglichen Einheit beizutragen. Im Rahmen der geistigen Dorferneuerung ist die Grundlage zu schaffen für eine Identifizie rung der Bevöikerung mit ihrem Ort, die in Auseinandersetzung mit Geschichte, Tradi tion und bodenständigem Brauchtum erfol gen soll. Erst wenn sich die Bürger mit ihrem Ort identifizieren, wird in gemeinsamen Maß nahmen zur Dorfentwicklung die Eigeninitiati ve wichtiger als Fremdbestimmung von Seiten der Berater oder Behörden und damit eine Stärkung des Heimatbewußtseins möglich. Die soziale Struktur im ländlichen Raum weist Eigenarten auf, die für die gesellschaft liche Entwickiung von zukunftsweisender Be deutung sein können. Alle Altersgruppen ha ben ihren Platz und sind in die Gemeinschaft eingegliedert. Familiensinn, Nachbarschafts hilfe und die dem Dorfieben entsprechende Vertrauensbasis soiien wieder zu den tragen den Merkmaien dörfiicher Gemeinschaft ge hören. Die Erziehung der Kinder und Jugend lichen sowie die Weiterbiidung von Erwach senen sollen im Dorf auf breiter Basis mög lich sein und Bildung, ästhetisches Empfin den und Kreativität fördern. Die sozialen und gesellschaftlichen Einrichtungen soiien durch ihre verbindende Funktion das Identi tätsbewußtsein stärken, Meinungsbildung er möglichen und mithelfen, die sozialen Unter schiede abzubauen. Die „kuitureiien" Grundlagen des Dorfes, die in Religion, Tradition und Brauchtum beste hen, sollen nicht zu bezahlten Attraktionen für den Fremdenverkehr herabgewürdigt wer den. Wesentliche Berücksichtigung muß die Erforschung, Pflege und Erhaltung der kultu rellen Güter unserer Heimat finden. Im Rah men der Bewußtseinsbildung soll auch die Besinnung auf religiöse Inhalte und Werte enthalten sein. Neue kulturelle Aktivitäten sollen nicht als Konkurrenz zu bestehenden Einrichtungen angesehen werden, sondern der Bereiche rung der Kulturszene dienen. ; Z i Links: Altes bäuerliches Anwesen am Hausruckhang bei Frankenburg. - Foto: H. G. Prillinger Rechts: Ländliche Idylle an diesem Haus. — Foto: H. G. Prillinger ä Kt ■ -

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