Oberösterreich, 39. Jahrgang, Heft 3, 1989

Bauen auf dem Lande Bedarfsbefriedigung und/oder kulturelier Auftrag Waiter Werschnig Vorbemerkung Wer immer auch Gegensatz und Spannungs verhältnis zwischen Stadt und Land wissen schaftlich erforscht, beschreibt oder sich da mit künstlerisch auseinandersetzt, er tut es aus der Position der Stadt, aus dem Bewußt sein der städtischen Kultur und Lebensform. Auch die folgenden Überlegungen, die aus der Praxis örtlicher Raumordnung und Sied lungsplanung abgefaßt sind, werden dabei keine Ausnahme bilden. Niemandsland oder: die Ver(vor)städterung des iändiichen Raumes Es Ist eine der vielen Folgen der ausgebliebe nen Aufarbeitung der Zeitgeschichte, daß das durch eine vordergründige „Blut und Bo den-Ideologie reichlich strapazierte und sol cherart abgestempelte Thema des „Land schaftsgebundenen oder Landschaftsge rechten Bauens" bis In die späten 60er Jahre aus jeder kulturpolitischen Diskussion aus geklammert und In der Öffentlichkeit weltge hend nicht existent war. Die Bevölkerung des ländlichen Raumes blieb damit In der unmit telbaren Nachkriegszeit zwar frei von Ideolo gischem Ballast, aber auch ohne entspre chendes kulturelles Selbstverständnis sich selbst und der Dynamik eines bloß von außen gesteuerten Strukturwandels überlassen. Die In dieser vom Wiederaufbau und begin nenden Wirtschaftsaufschwung geprägten Zelt der Landwirtschaft abverlangte — und heute zu einem eigenständigen Problem her angereifte — gesteigerte Produktivität forder te vorerst eine Konzentration der Bautätigkeit auf das bäuerliche Wirtschaftsgebäude, das sich In Form und Gestalt zwangsläufig In zu nehmendem Maße Industriellen Vorbildern annäherte. häufungen und Zentren als die Entwicklung peripherer Räume begünstigt, wanderte nach dem Arbeltsplatz bald auch die Kauf kraft der ländlichen Bevölkerung zu großen Teilen In Städte und Ballungszentren ab. Der ländliche Raum als eine ursprünglich durch weltgehende Selbstversorgung auf das (Über)Leben ausgerichtete nachbar schaftliche Gemeinschaft von Landwirten, Handwerk und örtlichem Handel wurde — je nach Standpunkt — ausgedünnt bzw. zu Gunsten einer beschleunigten Verstädterung einem „Gesundschrumpfungsprozeß" un terzogen. In einigen, darunter auch den besonders strukturschwachen Zonen und extremen Randlagen verlief diese Entwicklung weniger rasch und nicht so spektakulär, daß überall der Begriff „Landflucht" zutreffend gewesen wäre. Abwanderung In schwächerer Ausprä gung Ist regional allerdings auch heute noch feststellbar. In jenen regionalen Stadt-Land-Bezlehungen. In welchen das Phänomen der „Land flucht" seinen Höhepunkt überschritten hatte, setzte am Zielpunkt dieser Wande rungsbewegung In den Städten bald ein ent sprechender Sättigungseffekt ein: Dort sorg te eine Vielzahl von Faktoren, wie Verknappung des Baulandes, steigende Grundstückspreise, die Verdrängungseffekte des besonders rasch wachsenden Dienstlei stungssektors, aber auch beginnende Um weltkonflikte und die aus historischer Per spektive nachweisbare Unfähigkeit des sozialen Wohnbaues, allein durch Stadter weiterung dem Familienlebenszyklus gerecht werdenden Wohnraum sowie ein entspre chendes Wohnumfeld zu schaffen, zu einer letztlich mehr als ausgleichenden Reaktion. Diese Reaktion bestand In einem regelrech ten Zurückfluten von (mittlerwelle städtisch wohnender, arbeitender und konsumieren der) Bevölkerung und nahm konkret Gestalt an In Form von Haupt- und Zweitwohnsitzen Immer welter draußen Im „Grünen", anfangs an der Peripherie, In Vororten, später aber auch In bisher rein ländlich geprägten Zonen. Das schließlich bald für jedermann verfügbar gewordene, flächenerschließende Automobil hat dann nahezu den gesamten ländlichen Raum — zumindest saisonal oder wochen endlich — dieser nunmehr als „Stadtflucht" bezeichneten Trendumkehr ausgesetzt — bzw. positiv formuliert — zugänglich gemacht. Mobilität; Schulwandtafel Im Volksschulunterricht Mostobstallee Im oberösterreichischen Zentralraum Modernisierung In der Landwirtschaft — Auflösung traditioneller Hauslandschaften Ein Intensivierter Verkehrswegeausbau und das vermehrte Bildungsangebot verhalfen den jüngeren Bevölkerungsschichten am Lande zu einer bis dahin nie gekannten Mobi lität. Nachdem Mobilität langfristig eher An35

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