Oberösterreich, 39. Jahrgang, Heft 2, 1989

Dem Herrgott sein Kiettergarten Der Gosaukamm und seine Talorte In Oberösterreich und Salzburg Rudolf Lehr An Schönheit und Erhabenheit ist der Felsen wildnis des Gosaukamms kaum etwas gleich zusetzen in den Aipen. „Ein Gemenge wilder, riesenhafter Blöcke, Platten und Trümmer, die sich drängen und verwirrt ineinandergescho ben sind", fiüchtet man zu Adalbert Stifters' Erzählung „Bergkristall", um die Eigenart dieser Berge zu beschreiben. Kein Wunder, daß sich um die bizarren Steingebilde Sagen und Legenden bildeten, daß man in ihnen zwei Bischofsmützen sah, einen Teufelszahn oder die „Gottesmutter mit dem Jesuskind" (Schafkogel). „Dem Herrgott sein Klettergarten" nannte der Dachstein-Südwand-Pionier Georg (Irg) Stei ner, Sohn des Bischofsmützen-Eroberers Jo hann Steiner, den Gosaukamm, in dem sich die Kietterakrobaten austoben können. Der Alpenvereinsführer „Dachsteingebirge West" verzeichnet mehr als 700 Routen. Die besten Bergsteiger der Weit sind mit dem Gosaukamm verbunden. Viele von ihnen ha ben für ihre Liebe und Leidenschaft zu diesem betörenden und verlockenden, be glückenden, aber auch heimtückischen Gebirgsmassiv ihr Leben lassen müssen. Am Steiglweg erinnert eine Gedenkstätte an die Opfer des Gosaukamms. Der Name Gosaukamm ist erst seit Friedrich Simony allgemein üblich. Der berühmte Dachsteinforscher des 19. Jahrhunderts ist auch mit diesem Gebirgszug untrennbar ver bunden. In Gösau bezeichnet man noch heute den gesamten Kamm vielfach als Don nerkögel oder Scharwände, im Salzburgi schen redet man vom Stuhlgebirge oder man verwendet den Fremdenverkehrsslogan „Salzburger Dolomiten". So ehrend das ge Motiv aus den Schleifsteinbrüchen „in der Gösau". — Foto: Klaus Schenner, Bad Goisern meint sein mag, der Gosaukamm hat Verglei che nicht notwendig. Es gibt viele schöne Berge, doch die Pracht und Herrlichkeit des Gosaukamms ist einmalig. Rest einer Rifflandschaft Und wann hat der Herrgott diesen Klettergar ten geschaffen? Ins Mesozoikum (Erdmitteiaiter), in die Zeit vor 200 Millionen Jahren, müssen wir blicken, wenn wir an die Geburts stunde des Gosaukamms denken. Der scharfgezackte Felskamm ist nichts anderes als der Rest einer Rifflandschaft. Die fossi lienreiche, kalkige Triasschicht der Ostalpen ist unter dem Namen „Dachsteinkalke" bekannt. Versteinerte Korallen, Schnecken und Mu scheln erinnern an ein längst versunkenes tropisches Tierparadies. Im Gosaukamm kommen die Fossiiiensammler ebenso auf ihre Rechnung wie die Bergsteiger und Berg wanderer. Kein Wunder, daß sich gerade am Fuße des Gosaukamms, vor allem in Gösau, das Gewerbe der Steinschieifer großer Be liebtheit erfreut.

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