Oberösterreich, 39. Jahrgang, Heft 2, 1989

Von der Fürbergbucht steigt der Weg ziem lich stark an, er ist gezwungen, das Ufer zu verlassen, weil hier die Felswand senkrecht in den See abfällt. Hier erinnern uns ein Ge denkstein und der sogenannte Scheffel-Blick an den Dichter Josef Viktor von Scheffel, der von 1826 bis 1886 lebte, während seines Auf enthaltes in St. Wolfgang gerne auf den Fal kenstein wanderte und schließlich in seinen „Bergpsalmen" den See und seine prächtige Umgebungbesang. Der beschwerliche Aufstieg, einige haben freiwillig oder unfreiwillig auch noch einen Stein im Rucksack mitgetragen, lohnt sich wirklich: In malerischer Einsamkeit erhebt sich vor uns das Wallfahrtskirchlein am Fal kenstein. Das kleine Heiligtum wurde 1350 erstmals urkundlich erwähnt, der heutige Bau, dessen Südwand durch den Felsen ge bildet wird, stammt aus dem Jahr 1626. Die Legende weiß zu berichten, der heilige Wolf gang habe hier in der Felsenhöhle eine Ein siedlerklause errichtet und in Gebet und Fa sten die Zeit der freigewählten Verbannung verbracht. Im Volk hat sich die Überlieferung erhalten, daß jedem, der am Glockenstrang des Falkenstein-Kirchleins zieht und die Glocke zum Ertönen bringt, ein Wunsch erfüllt wird. Eine volkskundlich höchst interessante Besonder heit stellt in dieser Gnadenstätte „Zu Unserer Lieben Frau und zum heiligen Wolfgang" der Schliefstein dar. Es gehört zum Wallfahrts brauchtum, sich durch den in den Kirchen raum einbezogenen Felsspalt durchzuzwän gen. Auch den beleibtesten Menschen gelingt es, hier durchzukriechen, wenn sie nur frei von Sünden sind, verspricht die Volks sage. Nachdem sich alle Mitglieder unserer starken Wallfahrergruppe davon überzeugt haben, daß niemand in der geheimnisvollen Felsnische, deren Existenz mit dem Teufel in Verbindung gebracht wird, steckenbleibt, gilt es wieder, das gemeinsame RosenkranzGebet fortzusetzen. Das Wallfahrtskirchlein bildet den Haupt punkt einer Gruppe von Gedenkkapellenent lang des Wallfahrtsweges im Bereich der le gendenhaften Einsiedelei des heiligen Bischofs Wolfgang auf dem Falkenstein. In der Brunnenkapelle sehen wir ein großes Ta felbild des Salzburger Malers Wolfgang Spiß, es stellt die Entstehungslegende des „Wolf gangbrünnls" dar, wie der Heilige zur Zeit großer Trockenheit mit seinem Stab gegen die Felswand gestoßen habe und sogleich an dieser Stelle frisches Wasser hervorgespru delt sei. Man schreibt diesem Quellwasser Heilkraft zu, und kein Wolfgang-Pilger ver säumt es, sich hier die Augen auszu waschen. Wenige Schritte weiter steht, an die Felswand angefügt, die Schlafkapelle, ein barocker Rechteckbau mit einem Kreuzgratgewölbe und einem siebenteiligen Legendenbild. Schließlich kommen wir zur Hackelwurfkapelle. Von dieser Stelle am südlichen Ab bruch des Höhenweges zum See soll der hei lige Wolfgang sein Beil in die Tiefe geschleudert und gelobt haben, dort, wo er es wieder auffinde, eine Klause und eine Kir che zu bauen. Am Ufer des Sees soll Wolf gang das Beil nach drei Tagen gefunden und dort, wo sich heute die Pfarrkirche St. Wolf gang erhebt, mit den Bauarbeiten begonnen haben. Die letzte der barocken Wegkapellen am Falkenstein ist die Rastkapelle. Ihr Name deutet auf den Raststein des Heiligen hin. Dieser schwere, in der Mitte der Kapelle lie gende Steinquader gilt als Marterstein, weil sich die vorbeiziehenden Wallfahrer durch das Drehen des Steines eine Buße auferle gen, und als Wunschstein; wer es nämlich schafft, den schwer beweglichen Quader ein mal rundherum zu drehen, dem geht wieder ein Wunsch in Erfüllung. Nachdem wir in dichter Folge den steinernen Zeugen des Pilgerweges über den Falken stein begegnet sind, weitet sich nun der Blick, und ein imposantes Bild tut sich auf: Erstmals sehen wir den Markt St. Wolfgang mit der weltberühmten Wallfahrtskirche, Hö hepunkt und Ziel unserer Wanderschaft sind nahe. Beim Abstieg vom Falkenstein sehen wir aus dem Bergwald eine schwarze Rauchwolke aufsteigen: Die Zahnradbahn müht sich den Schafberg hinauf und überwindet dabei fast ständig eine Steigung von 25 Prozent. Die 5,8 Kilometer lange Bergbahn ist bald hun dert Jahre alt, denn im Jahr 1893 ist sie in Be trieb genommen worden. Der Schafberg ist sowohl ein weithin sichtbares Wahrzeichen als auch ein gernbesuchter Aussichtsgipfel. Ein Rundblick von seiner markanten Spitze, die gegen Norden in schwindelhafte Tiefen senkrecht abstürzt, bietet ein lohnendes Pan orama der nördlichen Kalkalpen. Aus einer Pracht der Gipfel und Höhen und Tiefen blin ken die Spiegel von vierzehn Seen. „Nostalgie auf Schienen" — so könnte man die Zahnradbahn auf den Schafberg bezeich nen, denn die originelle Bergbahn im Besitz der Österreichischen Bundesbahnen ver wendet nur zwei Dieseltriebwagen, aber noch fünf Dampflokomotiven. Die modernen Dieselzüge sind natürlich schneller, ihre Fahrzeit von St. Wolfgang bis zur Bergsta tion, etwa fünfzig Meter unterhalb des Hotels Schafbergspitze, das auf 1780 m Seehöhe steht, beträgt vierzig Minuten, während eine dampfbetriebene Garnitur eine volle Stunde für die Bergfahrt benötigt. Die Trasse der Zahnradbahn verläuft zu einem Sechstel auf oberösterreichischem, zu fünf Sechstel auf salzburgischem Gebiet. Da zeigt sich wieder, daß das Salzkammergut scheinbar die Lan desgrenzen aufzulösen vermag. So ist es ver ständlich, wenn das Salzkammergut manch mal als „heimliches zehntes Bundesland" betitelt wird. Das Salzburger Salzkammergut stellt mit nur 12 Prozent den kleinsten Anteil, dagegen nimmt sich der oberösterreichische Teil mit 72 Prozent der SalzkammergutFläche gigantisch aus. Man muß dazu erwäh nen, daß im Laufe der Zeit das Salzkammer gut immer größer geworden ist, weil mit der Zugehörigkeit zum Salzkammergut eine be trächtliche Attraktivität im Hinblick auf die Fremdenverkehrswerbung verbunden ist. Ur sprünglich haftete der Landschaftsbegriff Salzkammergut auf den bedeutenden Salz abbaustätten von Ischl, Hallstatt und Aussee. Dieser Kernzone wurden schließlich „Wid mungsräume" zugeordnet, die über den Be reich der Gewinnungs- und Verarbeitungs stätten von Salz hinausgingen. Vor allem waren das Gebiete mit großen Wäldern; denn sowohl für den Stollenbau als auch für die Sudpfannen verschlang die Salzerzeugung Unmengen von Holz. Bei der Suche nach er giebigen Widmungswäldern stieß man auch auf solche, die gar nicht im habsburgischen Herrschaftsgebiet, sondern schon im Land des Salzburger Erzbischofs lagen. Seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert lieferten die großen Widmungsforste in den drei heutigen Gemeinden Strobl, St. Gilgen und Fuschl am See das Holz auf dem Wasserweg an die Sa linen. So entwickelte sich ein Wirtschafts raum, in dem die Bevölkerung ganz stark vom Salz abhängig war. Geographisch gesehen, ist das Salzkammergut eine eindrucksvolle Berg- und Seenlandschaft, wenn auch der geographische Begriff Salzkammergut weiter gespannt ist als der historische. Wenn man nämlich unter dem salzburgischen Salzkam mergut den alpinen Anteil des Flachgaues versteht, so umfaßt diese Region nicht drei, sondern sogar zehn Gemeinden: Hof bei Salzburg, Koppl, Ebenau, Faistenau, Hinter see, Plainfeld, Thalgau, Fuschl am See, St. Gilgen und Strobl. Diese zehn Flachgauer Gemeinden bilden auch den Fremdenverkehrs-Gebietsverband „Salzburger Salzkam mergut". Sie locken die Gäste mit einem beachtenswerten touristischen Angebot an, vor allem in der Sommersaison. Einige Ge meinden des Salzburgischen Salzkammer gutes haben auch Möglichkeiten für den Win tersport ausgebaut. Attraktive Schigebiete gibt es in Strobl (Postalm), in St. Gilgen (Zwöl ferhorn) und in Hintersee (Schischaukel Spielbergalm). Die weitaus meisten Gästenächtigungen verzeichnen die traditionel len Salzkammergut-Gemeinden St. Gilgen,

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