Oberösterreich, 39. Jahrgang, Heft 2, 1989

Im Saizburgischen Saizkammergut Franz P. Enzinger „Bitf für uns, o heiliger Wolfgang, daß uns der Schauer nicht schaden kann!" — Ein ganz spezifisches Rosenkranz-Gesätzchen, das von den rund hundert Teiinehmern an der Waiifahrt zu Ehren des heiiigen Bischofs Woifgang, des Notheifers und Patrons vor Unwettern, wiederhoiend ausgesprochen wird. Alljährlich am Pfingstmontag wird diese Fußwallfahrt von der Hinterroiderkapelle bei Neumarkt am Wallersee bis nach St. Wolf gang abgehalten. Die 40-Kilometer-Strecke wird in drei Etappen zu je drei Stunden Geh zeit zurückgelegt; das bedeutet eine körperli che Anstrengung, vor allem aber auch ein re ligiöses Gemeinschaftseriebnis. Ich war gerade elf Jahre alt geworden, als mich mein Vater, der jahrzehntelang als Vor beter den Pilgergang anführte, zum ersten Mal nach St. Wolfgang mitnahm. Damals machte ich auch mit dem Salzkammergut erstmals Bekanntschaft, obwohl ich schon öf ters von der Umgebung meines Elternhau ses, nahe der Wasserscheide zwischen Waliersee und Irrsee gelegen, über die Landesgrenze hinübergeblickt und die ein drucksvolle Kulisse mit dem Schafberg und dem Mondsee bewundert hatte, inzwischen war ich noch oft beim „Woifgang-Gehen" da bei, und ich hoffe sehr, auch in Zukunft an dieser im Zeitalter der Vollmotorisierung und des Massentourismus anachronistisch wir kenden Waiifahrt zu Fuß teilnehmen zu können. Die interessanteste und landschaftlich reiz vollste Teilstrecke des uralten Pilgerweges liegt zwischen Scharfiing und Ried am Aber see, und das ist gerade ein Teil des Saizkammergutes, der zum Bundesland Salzburg ge hört. Wir gehen nicht entlang der großzügig ausgebauten Paßstraße mit dem starken Fei ertagsverkehr, sondern benützen die alte, steil ansteigende Route über den Scharflinger Berg. Wenn die Paßhöhe erreicht ist, steht die Sonne bereits hoch oben, Müdigkeit und Hunger steilen sich ein. Aber bald gibt es eine Aussicht, sowohl auf den romantischen Krottensee mit dem Schloß Hüttenstein als auch auf das „Batzenhäusl", wo traditionsge mäß die Mittagsrast eingelegt wird. In der dunklen Oberfläche des kleinen Sees spiegelt sich das zackenbewehrte Schloß, das einst als Sitz des Pflegers diente. Der •. . heutige Bau im Stil des romantischen Histo rismus stammt aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts und ist Privatbesitz. Hier be ginnt nun mit dem Weg zur malerischen Für bergbucht das dritte Drittel der Pilgerstrecke nach St. Wolfgang. Die schmale Straße führt durch den Wald hinab, vor uns breitet sich der Abersee aus. Er wird auch Wolfgangsee ge nannt. Mit einer Fläche von 1300 Hektar ist er der größte und mit einer Tiefe von 114 Metern der tiefste See des Bundeslandes Salzburg. Allerdings, ein Streifen entlang des Nordost ufers gehört bereits zu Oberösterreich. Der Grenzverlauf zwischen den beiden Bundes ländern ist hier sehr eigenartig und nicht geo graphisch bedingt. Wir befinden uns auf dem Gemeindegebiet von St. Gilgen, dem mit über 98 Quadratkilometern größten des gan zen Flachgaues. Zu St. Gilgen gehört die ge samte westliche Hälfte des Seeufers; vom Gennerhorn im Süden erstreckt sich das Ge meindegebiet bis zum Südufer des Mond sees und sogar bis zum Attersee, wo der Burgauer Zwickel mit der auf einem Schwemmkegel liegenden Ortschaft Burgau nur über oberösterreichischen Boden er reichbar ist. Aber auch der St. Gilgener Ge meindeteil Ried ist, von St. Gilgen aus be trachtet, äußerst abgelegen; eine direkte Verbindung bilden nur der Schiffs- und der Fußweg. Will man die Straße benützen, muß man einen Umweg um den Abersee herum, durch die beiden Nachbargemeinden Strobi und St. Wolfgang, eine Strecke von 22 Kilo metern Länge, in Kauf nehmen. Diese merk würdige Festlegung der Landesgrenze ist das Ergebnis der wenig sinnvollen Schlich tung eines uralten salzburgisch-mondseeischen Grenzstreites zugunsten Salzburg. MmLZ: Ein kleiner, aber „unergründlich" tiefer See: der Krottensee mit dem neugotischen Schloß Hüttenstein (1843). Die Traufe und die vier Turmkronen sind mit abgestuften Zinnen verziert.

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