Oberösterreich, 39. Jahrgang, Heft 2, 1989

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Inhaltsverzeichnis Schwerpunktthema Salzburg/Salzkammergut Prof. Franz P. Enzinger Im Saizburgischen Salzkammergut 2 Dr. Franz Fuhrmann Symbiose von Architektur und Skulptur — Zu den Altären von Meinrad Guggenbichler 11 Dr. Monika Oberhammer „Salzburg und das Salzkammergut" als Themen der Landschaftskunst des 19. Jahrhunderts oder: „Warum hat Waldmüller nie Salzburg gemalt?" 21 Dipl.-Ing. Günther Hattinger Sole und Salz des Erzbistums und Kronlandes Salzburg — ein historisches Streiflicht Prof. Elfrlede Prillinger Die Vereinfachung des Sichtbaren — Zu den Aquarellen von Lutz Stadlbauer 27 39 Dr. Franz C. Lipp Hier lebt noch ein Stück der alten Kaiserzeit — Zur Eröffnung des neuen Museums der Stadt Bad Ischl im ehemaligen „Hotel Austria" 45 Autoren Heft 2/1989 Franz R Enzinger, Salzburg Professor, Salzburg Pädagogische Akademie, Salzburger Lehrerhaus Dr. Franz Fuhrmann, Salzburg Universitätsprofessor, Universität Salzburg, Institut für Kunstgeschichte Dipl.-Ing. Günther Hattinger, Bad Ischl Hof rat, Generaldirektion der Österreichischen Salinen Aktiengesellschaft Rudolf Lehr, Linz und Hallstatt Professor, Stellvertretender Chefredakteur der OÖ. Nachrichten Dr. Franz C. Lipp, Linz W. Hofrat i. R., Museumsdirektor i. R., U n iversitätsprofessor Dr. Silvia Müller, Bad Ischl Geschäftsführerin der Operettengemeinde Bad Ischl Dr. Monika Oberhammer, Salzburg Universitätsdozentin, Universität Salzburg Institut für Kunstgeschichte Elfriede Prillinger, Gmunden Professor, Museumsdirektorin i. R. Dr. Josef Pühringer, Linz Landesrat in der oö. Landesregierung für Umweltschutz, Bauwesen, Raumordnung und Landesplanung Dr. Silvia Müller Ischl in der österreichischen Theatergeschichte Umschlagmotiv: Pfarrkirche Lochen, Bezirk Braunau am Inn, hl. Florian, einer der beiden Schreinwächter am Hochaltar (siehe dazu: Seiten 11 ff: Symbiose von Architektur und Skulptur — Zu den Altären von Meinrad Guggenbichler, Beitrag von Universitätsprofessor Dr. Franz Fuhrmann) Foto: Oskar Anrather, Salzburg Gestaltung: Herbert Friedl Kulturzeitschrift Oberösterreich 39. Jahrgang, Heft 2/1989 Vierteljahresschrift: Kunst, Geschichte, Fremdenverkehr Erscheinungstermine: März, Juni, September, Dezember. Medieninhaber (Verleger), Herausgeber und Hersteller: LANDESVERLAG Gesellschaft m.b.H. A-4020 Linz, Hafenstraße 1—3. Telefon 0 73 2/27 81 21 ISSN 0253-7435 Bankverbindung: Raiffeisenzentrale Linz 7-01.032.697 Redaktion: Dr. Otto Wutzel, Dr. Elfriede Wutzel, A-4020 Linz, Hafenstraße 1—3 Jahresabonnement (4 Hefte): S 396.—; Einzelverkaufspreis: S 110.— (Alle Preise inkl. 10 % MWSt.) 57 Prof. Rudolf Lehr Dem Herrgott sein Klettergarten — Der Gosaukamm und seine Talorte in Oberösterreich und Salzburg Kulturnotizen Bücherecke 67 Oberösterreich aktuell Interview mit Landesrat Dr. Josef Pühringer für die Zeitschrift „Oberösterreich" Das Interview mit Landesrat Dr. Josef Pühringer führte Gerhard Hasenöhrl 75 84 88 Schwerpunktthema Heft 3/1989 Der ländliche Raum Abb. Seite 1: Aus dem Wald am Südufer des Fuschlsees ragt das Schloßhotel Fuschl mit seinem hohen Walmdach heraus. Der heutige eindrucksvolle Bau des ehemaligen erzbischöflichen Jagdschlosses stammt aus dem 16. Jahrhundert. — Foto: Oskar Anrather, Salzburg

■ 1 i i' In der Reihe der grenzüberschreitenden Hefte der Zeitschrift „Oberösterreich" wurde die kulturelle Nachbarschaft zum Bundes land Salzburg zum erstenmal in Heft 4/1982, 32. Jahrgang, mit dem Schwerpunktthema „Salzburg und das Land ob der Enns" behan delt. Im Mittelpunkt dieses Heftes 2/1989 ste hen die engen Verbindungen des Oberöster reichischen zum Salzburgischen Salzkam mergut. Wie bei allen Schwerpunkten konn ten nur einige Aspekte ausgewählt werden. Die Schriftleitung dankt allen Mitarbeitern und Fotografen, vor allem der Salzburger Kol legenschaft, für ihre Mühewaltung und die freundliche Aufnahme, die ich als Redakteur bei allen Gesprächen gefunden habe. Möge dieses Heft auch Eingang in die Salzburger Kulturkreise finden und gesamtösterrei chisch die Wertschätzung von Landschaft und Kultur des Salzkammergutes vertiefen.

Im Saizburgischen Saizkammergut Franz P. Enzinger „Bitf für uns, o heiliger Wolfgang, daß uns der Schauer nicht schaden kann!" — Ein ganz spezifisches Rosenkranz-Gesätzchen, das von den rund hundert Teiinehmern an der Waiifahrt zu Ehren des heiiigen Bischofs Woifgang, des Notheifers und Patrons vor Unwettern, wiederhoiend ausgesprochen wird. Alljährlich am Pfingstmontag wird diese Fußwallfahrt von der Hinterroiderkapelle bei Neumarkt am Wallersee bis nach St. Wolf gang abgehalten. Die 40-Kilometer-Strecke wird in drei Etappen zu je drei Stunden Geh zeit zurückgelegt; das bedeutet eine körperli che Anstrengung, vor allem aber auch ein re ligiöses Gemeinschaftseriebnis. Ich war gerade elf Jahre alt geworden, als mich mein Vater, der jahrzehntelang als Vor beter den Pilgergang anführte, zum ersten Mal nach St. Wolfgang mitnahm. Damals machte ich auch mit dem Salzkammergut erstmals Bekanntschaft, obwohl ich schon öf ters von der Umgebung meines Elternhau ses, nahe der Wasserscheide zwischen Waliersee und Irrsee gelegen, über die Landesgrenze hinübergeblickt und die ein drucksvolle Kulisse mit dem Schafberg und dem Mondsee bewundert hatte, inzwischen war ich noch oft beim „Woifgang-Gehen" da bei, und ich hoffe sehr, auch in Zukunft an dieser im Zeitalter der Vollmotorisierung und des Massentourismus anachronistisch wir kenden Waiifahrt zu Fuß teilnehmen zu können. Die interessanteste und landschaftlich reiz vollste Teilstrecke des uralten Pilgerweges liegt zwischen Scharfiing und Ried am Aber see, und das ist gerade ein Teil des Saizkammergutes, der zum Bundesland Salzburg ge hört. Wir gehen nicht entlang der großzügig ausgebauten Paßstraße mit dem starken Fei ertagsverkehr, sondern benützen die alte, steil ansteigende Route über den Scharflinger Berg. Wenn die Paßhöhe erreicht ist, steht die Sonne bereits hoch oben, Müdigkeit und Hunger steilen sich ein. Aber bald gibt es eine Aussicht, sowohl auf den romantischen Krottensee mit dem Schloß Hüttenstein als auch auf das „Batzenhäusl", wo traditionsge mäß die Mittagsrast eingelegt wird. In der dunklen Oberfläche des kleinen Sees spiegelt sich das zackenbewehrte Schloß, das einst als Sitz des Pflegers diente. Der •. . heutige Bau im Stil des romantischen Histo rismus stammt aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts und ist Privatbesitz. Hier be ginnt nun mit dem Weg zur malerischen Für bergbucht das dritte Drittel der Pilgerstrecke nach St. Wolfgang. Die schmale Straße führt durch den Wald hinab, vor uns breitet sich der Abersee aus. Er wird auch Wolfgangsee ge nannt. Mit einer Fläche von 1300 Hektar ist er der größte und mit einer Tiefe von 114 Metern der tiefste See des Bundeslandes Salzburg. Allerdings, ein Streifen entlang des Nordost ufers gehört bereits zu Oberösterreich. Der Grenzverlauf zwischen den beiden Bundes ländern ist hier sehr eigenartig und nicht geo graphisch bedingt. Wir befinden uns auf dem Gemeindegebiet von St. Gilgen, dem mit über 98 Quadratkilometern größten des gan zen Flachgaues. Zu St. Gilgen gehört die ge samte westliche Hälfte des Seeufers; vom Gennerhorn im Süden erstreckt sich das Ge meindegebiet bis zum Südufer des Mond sees und sogar bis zum Attersee, wo der Burgauer Zwickel mit der auf einem Schwemmkegel liegenden Ortschaft Burgau nur über oberösterreichischen Boden er reichbar ist. Aber auch der St. Gilgener Ge meindeteil Ried ist, von St. Gilgen aus be trachtet, äußerst abgelegen; eine direkte Verbindung bilden nur der Schiffs- und der Fußweg. Will man die Straße benützen, muß man einen Umweg um den Abersee herum, durch die beiden Nachbargemeinden Strobi und St. Wolfgang, eine Strecke von 22 Kilo metern Länge, in Kauf nehmen. Diese merk würdige Festlegung der Landesgrenze ist das Ergebnis der wenig sinnvollen Schlich tung eines uralten salzburgisch-mondseeischen Grenzstreites zugunsten Salzburg. MmLZ: Ein kleiner, aber „unergründlich" tiefer See: der Krottensee mit dem neugotischen Schloß Hüttenstein (1843). Die Traufe und die vier Turmkronen sind mit abgestuften Zinnen verziert.

Von der Fürbergbucht steigt der Weg ziem lich stark an, er ist gezwungen, das Ufer zu verlassen, weil hier die Felswand senkrecht in den See abfällt. Hier erinnern uns ein Ge denkstein und der sogenannte Scheffel-Blick an den Dichter Josef Viktor von Scheffel, der von 1826 bis 1886 lebte, während seines Auf enthaltes in St. Wolfgang gerne auf den Fal kenstein wanderte und schließlich in seinen „Bergpsalmen" den See und seine prächtige Umgebungbesang. Der beschwerliche Aufstieg, einige haben freiwillig oder unfreiwillig auch noch einen Stein im Rucksack mitgetragen, lohnt sich wirklich: In malerischer Einsamkeit erhebt sich vor uns das Wallfahrtskirchlein am Fal kenstein. Das kleine Heiligtum wurde 1350 erstmals urkundlich erwähnt, der heutige Bau, dessen Südwand durch den Felsen ge bildet wird, stammt aus dem Jahr 1626. Die Legende weiß zu berichten, der heilige Wolf gang habe hier in der Felsenhöhle eine Ein siedlerklause errichtet und in Gebet und Fa sten die Zeit der freigewählten Verbannung verbracht. Im Volk hat sich die Überlieferung erhalten, daß jedem, der am Glockenstrang des Falkenstein-Kirchleins zieht und die Glocke zum Ertönen bringt, ein Wunsch erfüllt wird. Eine volkskundlich höchst interessante Besonder heit stellt in dieser Gnadenstätte „Zu Unserer Lieben Frau und zum heiligen Wolfgang" der Schliefstein dar. Es gehört zum Wallfahrts brauchtum, sich durch den in den Kirchen raum einbezogenen Felsspalt durchzuzwän gen. Auch den beleibtesten Menschen gelingt es, hier durchzukriechen, wenn sie nur frei von Sünden sind, verspricht die Volks sage. Nachdem sich alle Mitglieder unserer starken Wallfahrergruppe davon überzeugt haben, daß niemand in der geheimnisvollen Felsnische, deren Existenz mit dem Teufel in Verbindung gebracht wird, steckenbleibt, gilt es wieder, das gemeinsame RosenkranzGebet fortzusetzen. Das Wallfahrtskirchlein bildet den Haupt punkt einer Gruppe von Gedenkkapellenent lang des Wallfahrtsweges im Bereich der le gendenhaften Einsiedelei des heiligen Bischofs Wolfgang auf dem Falkenstein. In der Brunnenkapelle sehen wir ein großes Ta felbild des Salzburger Malers Wolfgang Spiß, es stellt die Entstehungslegende des „Wolf gangbrünnls" dar, wie der Heilige zur Zeit großer Trockenheit mit seinem Stab gegen die Felswand gestoßen habe und sogleich an dieser Stelle frisches Wasser hervorgespru delt sei. Man schreibt diesem Quellwasser Heilkraft zu, und kein Wolfgang-Pilger ver säumt es, sich hier die Augen auszu waschen. Wenige Schritte weiter steht, an die Felswand angefügt, die Schlafkapelle, ein barocker Rechteckbau mit einem Kreuzgratgewölbe und einem siebenteiligen Legendenbild. Schließlich kommen wir zur Hackelwurfkapelle. Von dieser Stelle am südlichen Ab bruch des Höhenweges zum See soll der hei lige Wolfgang sein Beil in die Tiefe geschleudert und gelobt haben, dort, wo er es wieder auffinde, eine Klause und eine Kir che zu bauen. Am Ufer des Sees soll Wolf gang das Beil nach drei Tagen gefunden und dort, wo sich heute die Pfarrkirche St. Wolf gang erhebt, mit den Bauarbeiten begonnen haben. Die letzte der barocken Wegkapellen am Falkenstein ist die Rastkapelle. Ihr Name deutet auf den Raststein des Heiligen hin. Dieser schwere, in der Mitte der Kapelle lie gende Steinquader gilt als Marterstein, weil sich die vorbeiziehenden Wallfahrer durch das Drehen des Steines eine Buße auferle gen, und als Wunschstein; wer es nämlich schafft, den schwer beweglichen Quader ein mal rundherum zu drehen, dem geht wieder ein Wunsch in Erfüllung. Nachdem wir in dichter Folge den steinernen Zeugen des Pilgerweges über den Falken stein begegnet sind, weitet sich nun der Blick, und ein imposantes Bild tut sich auf: Erstmals sehen wir den Markt St. Wolfgang mit der weltberühmten Wallfahrtskirche, Hö hepunkt und Ziel unserer Wanderschaft sind nahe. Beim Abstieg vom Falkenstein sehen wir aus dem Bergwald eine schwarze Rauchwolke aufsteigen: Die Zahnradbahn müht sich den Schafberg hinauf und überwindet dabei fast ständig eine Steigung von 25 Prozent. Die 5,8 Kilometer lange Bergbahn ist bald hun dert Jahre alt, denn im Jahr 1893 ist sie in Be trieb genommen worden. Der Schafberg ist sowohl ein weithin sichtbares Wahrzeichen als auch ein gernbesuchter Aussichtsgipfel. Ein Rundblick von seiner markanten Spitze, die gegen Norden in schwindelhafte Tiefen senkrecht abstürzt, bietet ein lohnendes Pan orama der nördlichen Kalkalpen. Aus einer Pracht der Gipfel und Höhen und Tiefen blin ken die Spiegel von vierzehn Seen. „Nostalgie auf Schienen" — so könnte man die Zahnradbahn auf den Schafberg bezeich nen, denn die originelle Bergbahn im Besitz der Österreichischen Bundesbahnen ver wendet nur zwei Dieseltriebwagen, aber noch fünf Dampflokomotiven. Die modernen Dieselzüge sind natürlich schneller, ihre Fahrzeit von St. Wolfgang bis zur Bergsta tion, etwa fünfzig Meter unterhalb des Hotels Schafbergspitze, das auf 1780 m Seehöhe steht, beträgt vierzig Minuten, während eine dampfbetriebene Garnitur eine volle Stunde für die Bergfahrt benötigt. Die Trasse der Zahnradbahn verläuft zu einem Sechstel auf oberösterreichischem, zu fünf Sechstel auf salzburgischem Gebiet. Da zeigt sich wieder, daß das Salzkammergut scheinbar die Lan desgrenzen aufzulösen vermag. So ist es ver ständlich, wenn das Salzkammergut manch mal als „heimliches zehntes Bundesland" betitelt wird. Das Salzburger Salzkammergut stellt mit nur 12 Prozent den kleinsten Anteil, dagegen nimmt sich der oberösterreichische Teil mit 72 Prozent der SalzkammergutFläche gigantisch aus. Man muß dazu erwäh nen, daß im Laufe der Zeit das Salzkammer gut immer größer geworden ist, weil mit der Zugehörigkeit zum Salzkammergut eine be trächtliche Attraktivität im Hinblick auf die Fremdenverkehrswerbung verbunden ist. Ur sprünglich haftete der Landschaftsbegriff Salzkammergut auf den bedeutenden Salz abbaustätten von Ischl, Hallstatt und Aussee. Dieser Kernzone wurden schließlich „Wid mungsräume" zugeordnet, die über den Be reich der Gewinnungs- und Verarbeitungs stätten von Salz hinausgingen. Vor allem waren das Gebiete mit großen Wäldern; denn sowohl für den Stollenbau als auch für die Sudpfannen verschlang die Salzerzeugung Unmengen von Holz. Bei der Suche nach er giebigen Widmungswäldern stieß man auch auf solche, die gar nicht im habsburgischen Herrschaftsgebiet, sondern schon im Land des Salzburger Erzbischofs lagen. Seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert lieferten die großen Widmungsforste in den drei heutigen Gemeinden Strobl, St. Gilgen und Fuschl am See das Holz auf dem Wasserweg an die Sa linen. So entwickelte sich ein Wirtschafts raum, in dem die Bevölkerung ganz stark vom Salz abhängig war. Geographisch gesehen, ist das Salzkammergut eine eindrucksvolle Berg- und Seenlandschaft, wenn auch der geographische Begriff Salzkammergut weiter gespannt ist als der historische. Wenn man nämlich unter dem salzburgischen Salzkam mergut den alpinen Anteil des Flachgaues versteht, so umfaßt diese Region nicht drei, sondern sogar zehn Gemeinden: Hof bei Salzburg, Koppl, Ebenau, Faistenau, Hinter see, Plainfeld, Thalgau, Fuschl am See, St. Gilgen und Strobl. Diese zehn Flachgauer Gemeinden bilden auch den Fremdenverkehrs-Gebietsverband „Salzburger Salzkam mergut". Sie locken die Gäste mit einem beachtenswerten touristischen Angebot an, vor allem in der Sommersaison. Einige Ge meinden des Salzburgischen Salzkammer gutes haben auch Möglichkeiten für den Win tersport ausgebaut. Attraktive Schigebiete gibt es in Strobl (Postalm), in St. Gilgen (Zwöl ferhorn) und in Hintersee (Schischaukel Spielbergalm). Die weitaus meisten Gästenächtigungen verzeichnen die traditionel len Salzkammergut-Gemeinden St. Gilgen,

Strobl und Fuschl am See. Wenn ich mich bei meiner Beschreibung der Salzburger Salzkammergut-Orte auf diese drei Gemeinden beschränke, möchte ich damit die Bedeutung und Schönheit der anderen nicht schmälern, aber ich halte mich dabei an die geschichtli che Einteilung des Salzkammergutes. Ein Besuch der Wallfahrtskirche St. Wolf gang hinterläßt immer wieder tiefe Eindrücke. Den Rang einer internationalen Kunststätte besitzt St. Wolfgang vor allem wegen seines Meisterwerkes der Gotik, des über 500 Jahre alten Flügelaltares von Michael Fächer. Während in früheren Jahren die Wallfahrer gruppe aus Neumarkt am Wallersee In St. Wolfgang genächtigt hat, ist es in letzter Zeit üblich geworden, noch am Abend des Pfingstmontags die Heimfahrt anzutreten. Vielfach werden die Teilnehmer an der Fuß wallfahrt von Familienangehörigen mit Autos abgeholt. Ich kann mich noch gut an meine einzige Fahrt mit der legendären Ischler Bahn, der Salzkammergut-Lokalbahn, erin nern, ehe sie im Jahr 1957 eingestellt wurde. Sie führte bis in die Stadt Salzburg. Der Bahnhof St. Wolfgang stand gar nicht In St. Wolfgang, sondern am gegenüberliegen den Ufer, und das gehört bereits zum Bun desland Salzburg. Um dorthin zu gelangen, mußte man sich noch eines anderen Ver kehrsmittels bedienen, der WolfgangseeSchiffahrt. Im Sommer 1873 überquerte der 38 Meter lange Raddampfer „Franz Josef I." zum er sten Mal den Wolfgangsee. Die „Kaiserin Eli sabeth" folgte als zweites Schiff im Jahr 1888. Zu diesen beiden historischen Schiffen, die auch heute noch in Verwendung stehen, sind im Laufe der Zeit „St. Wolfgang", „Falkensteln", „Salzkammergut" und als größtes und modernstes das Motorschiff „Österreich" da zugekommen. Der rege Linienschiffsverkehr auf dem Wolfgangsee, der sich hier von An fang Mai bis in den Oktober hinein in alien Richtungen abspielt, wird, so wie die Zahn radbahn auf den Schafberg, von den Öster reichischen Bundesbahnen betrieben. Wir besteigen diesmal das Schiff in Richtung St. Gilgen. Wir bestaunen, wie mächtig die Falkensteinwand unmittelbar aus dem See steigt. Auf einem Felskopf am Fuß der Falken steinwand steht ein Steinmarterl mit der Jah reszahl 1609. Es ist das Hochzeitskreuz, das an eine merkwürdige Begebenheit erinnert; Eine Hochzeitsgesellschaft zog einst von St. Gilgen über den zugefrorenen Abersee heimwärts nach Ried. Glückiich an das Ufer gelangt, wurde noch ein Tanz auf dem See gewagt. Plötzlich krachte die Eisdecke, und die ganze Gesellschaft versank. Nicht weit vom Hochzeitskreuz entfernt steht auf einer kleinen Insel das Ochsenkreuz, über dessen Entstehung ebenfalls die Sage zu berichten weiß: Da soll am Uferweg ein Metzger einen starken Ochsen geführt haben, der plötzlich scheu geworden ist und den Metzger in den See mitgerissen hat. Die kleine Insel, der Fürberger Halbinsel vorgelagert, hat dem Metz ger das Leben gerettet. Die abwechslungsreiche Fahrt mit dem Dampfschiff, die uns noch einmal Gelegen heit bietet, die einmalige Schönheit des Wolf gangsees und seiner Umgebung zu genie ßen, vergeht wie im Flug; und wir erreichen wieder einen malerisch gelegenen Ort: St. Gilgen. Der Name des Hauptortes Im salzburglschen Salzkammergut erinnert an den heiligen Ägydius, dem die Pfarrkirche ge-

weiht ist. Dieses Gotteshaus ist eine spätba rocke Saalkirche mit drei Rokoko-Altären und zahlreichen barocken Schnitzfiguren. St. Giigen ist erst seit 1856 eine selbständige Pfar re, vorher gehörte es als Vikariat zur Mutterpfarre Thalgau. St. Gilgen gilt aber als alter Gerichtsort. Das Bezirksgericht ist im Haus Ischler Straße 15, einem schön gelegenen Gebäude aus dem Jahr 1720, untergebracht. Hier befand sich auch schon das ehemalige Pflegegericht der Herrschaft Hüttenstein. Das Haus war gerade fertig und der Sitz des Pflegers vom Schloß Hüttenstein nach St. Gilgen verlegt worden, als hier ais Tochter des Pfiegskommissärs Wolfgang Nicolaus PertI im Jahr 1720 Anna Maria PertI, die spä tere Gattin Leopold Mozarts und Mutter Wolf gang Amadeus Mozarts, geboren wurde. Der Zufall wollte es, daß ihre Tochter Maria Anna Mozart, genannt Nannerl, 64 Jahre später nach St. Gilgen übersiedelte und im gleichen Gebäude wohnte wie seinerzeit die Mutter. Die ältere Schwester Wolfgang Amadeus Mo zarts, die den Genius der Musik auf vielen Reisen begleitet hatte, heiratete nämlich 1784 den Landpfleger Johann Baptist von Berchtold zu Sonnenburg in St. Gilgen. Diese Ehe mit dem ältlichen zweifachen Witwer Berchtold dürfte eine ziemlich triste Vernunftehe gewesen sein. Ob Woifgang Amadeus seinen Schwager jemals zu Gesicht bekommen hat, ist nicht bekannt. Gemeinsames hatten die beiden jedenfalls gewiß nicht. Trotzdem gibt es in St. Gilgen nicht nur ein Doppeirelief, das Mozarts Mutter und Schwester darstellt, son dern auch einen Mozartbrunnen mit der Dar stellung Mozarts als Geiger. An der Taistation der Seilbahn auf das 1522 Meter hohe Zwölferhorn vorbei führt die Gra zer Bundesstraße in den Gemeindeteil Aber see. Dabei handelt es sich um eine Streu siedlung am Südufer des Sees auf der großen Schwemmzunge des Zinkenbaches. Bis 1981 hieß auch die Ortschaft Zinkenbach und war nach jenem Gewässer benannt, des sen Anschwemmungen hier den See auf nur 220 Meter einengen. Der gewaltige Schwemmkegel wird wohi in fernen Jahrtau senden den See in zwei Teile trennen. Mit der amtlich vollzogenen Umbenennung wurde der Ortsname Abersee festgelegt, ein Name, der bereits in jener Urkunde aufscheint, mit Oben: Eine Fahrt mit einem Wolfgangsee-Schiff ist ein Erlebnis (im Hintergrund: St. Gilgen). Für 1993 wird bereits ein großes Jubiläumsfest vorbereitet: Vor 120 Jahren wurde in Strobl der Raddampfer „Franz Josef I" aus den angelieferten Teilen montiert und vom Stapel gelassen Rechts: Nordwestliches Woifgangsee-Ufer bei Brunnwinkel, Gemeinde St. Gilgen. Die Waldkuppen reichen ganz an den See heran. Nur ein schmaler Promenadenweg, auf dem man in 45 Minuten von St. Gilgen nach Fürberg gelangt, hat zwischen dem Kalkfelsen und dem Gewässer Platz Links: Die winzige Metzgerinsel im Wolfgangsee trägt ein Marterl, das bereits 1579 urkundlich erwähnt Ist: das Ochsenkreuz P %

■ Ä' Der Salzburger Erzbischof DDr. Karl Berg, assistiert von Prälat Dr. Sebastian Ritter (links) und Konslstorialrat Matttiäus Appesbacher, weihte im April 1986 die Flllalkirche zum helligen Bruder Konrad In Abersee, erbaut von ArchitektGernotKulterer '& ^ JL-JLi7~'® der der Balernherzog Odilo um 740 dem Salz burger Bischof das Land um den Abersee schenkte. Seit 1875 gibt es hier eine Schule und seit 1986 auch eine Kirche, die Filialkir che St. Konrad von Parzham. Sie stellt den seelsorglichen Mittelpunkt für den Raum Abersee dar und dient den Bewohnern von Gschwend und Gschwendt beiderseits des Zinkenbaches, der die Gemeindegrenze zwi schen St, Gilgen und Strobl bildet. Betritt man das moderne Gotteshaus, fällt der Blick auf das kelchförmige Fresko der Kärntner Künstlerin Renate Hörtner. Es zeigt den Kir chenpatron, den heiligen Bruder Konrad, mit der Muttergottes von Aitötting, die beiden Salzburger Diözesanpatrone St. Rupert und Der malerische Ortskern von St. Gilgen besteht aus giebelständigen, meist mehrgeschossigen Häusern, die sich um die beherrschende Pfarrkirche zum heiligen Ägydius gruppieren St. Virgil sowie die Patrone der drei Aberseepfarren St. Wolfgang, St. Ägydius und St. Sigismund. Wenn man den Zinkenbach überschreitet, gelangt man in die südöstlichste Gemeinde des Flachgaues, nach Strobl. Die große, grü ne Halbinsel, der sich weit in den See hinein streckende Schwemmkegel des Zinkenba ches, bietet einen fruchtbaren Boden und damit günstige Voraussetzungen für die Landwirtschaft. Hier stehen nicht nur Einzel höfe, sondern auch einige Kleinweiier mit Blockfluren. Die Form des Bauernhauses entspricht dem Vorlandtyp des salzburgi schen Einheitsbaues. Darin bestätigt sich, daß die ziemlich späte Besiedelung dieses

w m Vor der Portalsäuleniaube des mächtig wirkenden Rathauses erhebt sich der Mozartbrunnen, errichtet 1926 von Kari Woiieck, auf dem Marktpiatz in St. Giigen. Das schöne Kieindenkmai trägt über einer Gitterhaube eine Eisenfigur des Musikgenies Gebietes von Salzburg aus erfolgt Ist. Bau ernhöfe mit hochwertiger Architektur sind das Pilznergut, der liiingbauer, der Fumerbauer und das Hödigut. An der Grazer Bun desstraße, kurz vor Strobi, steht das Llpphäusl, ein kleinbäuerlicher Einhof aus der Zelt um 1500. Das Erdgeschoß Ist gemauert und mit einem schönen Sgraffito ge schmückt; das Obergeschoß Im Blockbau weist Interessante Holzverblndungen, den Hirnschrot, auf. Weitere Merkmale des origi nellen Bauernhauses sind der Balkon mit sei nen reich geschnitzten Brettern und das schöne Tonnengewölbe. Das Llpphäusi wur de vor zehn Jahren als Museum adaptiert und trägt nun den Namen „Aberseer Heimat haus". Es bewahrt sehenswerte Ausstellungs stücke aus der Geschichte des Salzburglschen Salzkammergutes auf: bäuerliches Gerät und Hausrat, Werkzeuge aus Hand werk und Gewerbe, eine „Rauchkuchi"-Elnrlchtung mit zwei offenen Feuersteiien und Dokumente des Brauchtums am Abersee. Das Llpphäusi trägt die Hausnummer „Strobi Nr. 4", da könnte man meinen, wir befänden uns bereits Im Ortszentrum, bis dorthin Ist es aber doch noch ein beträchtliches Stück Weges. Der aus einem KIrchwelier entstandene Ort an der Ostspitze des Woifgangsees hieß ur sprünglich St. Sigismund am Schober. Der heutige Ortsname Ist auf die Gastwirtsfamlile Strobi zurückzuführen. In deren Besitz sich einst die Herrschaft „Am Schober" befand. Der ziemlich junge Ort entwickelte sich bald zur Sommerfrische. Die zahlreichen Villen, meist späthlstoristlsch, sind für das Saizkammergut recht charakteristisch. Die weitläufige neobarocke Anlage des Schioßhotels prägt das Ortsbild. Umfangreiche Erweiterungen des Ortes gab es nicht nur um die Jahrhun dertwende, sondern auch In der jüngsten Ver gangenheit. Mit 3000 Einwohnern Ist Strobi schon fast so groß wie St. Giigen. In der Pfarrkirche St. Sigismund mit Ihrem fröhlichen Zwiebelturm freue Ich mich über die aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stam menden Meisterwerke zweier Künstler aus meiner Heimatgemeinde Neumarkt am Wal lersee: die seitlichen Schnitzstatuen hl. Chri stopherus und hi. Josef von Sebastian Eberl und das Altarblatt, das den hl. Sigismund am Grab des hi. Mauritius zeigt, von Benedikt Werkstätter. Es handelt sich hier um einen so genannten „römischen" Altar, bei dem Mensa und Tabernakel frei stehen, während das Hochaltarblid dahinter ohne Aufbau an der Chorwand angebracht Ist. Die spätbarocke Kirche wurde 1759 von Kassian Singer er baut. Der Großteil der Einrichtung stammt aus dieser Zeit, daher wirkt das KirchenInnere stilistisch einheitlich.

, <'''iüV f. ; t»:.,ÄS. «■• i»w» II . • Das neobarocke Lederer-Schlößl, erbaut 1899, stellt ein besonders schönes Beispiel der Vlllenverbauung in Strobl dar. Der ehemalige Besitzer Dr. Adalbert Lederer schenkte der Gemeinde den Bauplatz für die 1930 erbaute Volksschule und ermöglichte die Erweiterung des Dorfes, Indem er zahlreiche Grundstücke veräußerte. Der vermögende Ministerlalbeamte wurde dafür mit der Ehrenbürgerschaft ausgezeichnet Wie schon so oft Ist auch in Strobl ein seltsa mer Grenzverlauf festzustellen. Der markan te Bürglstein, der sich unmittelbar am Nord rand Strobls erhebt und die beachtliche Höhe von 730 m erreicht, gehört nämlich bereits zur Gänze zu Oberösterreich. Ein anderes Beispiel: Ich habe ziemlich oft im Bundesin stitut für Erwachsenenbildung, Gemeinde St. Wolfgang, Post Strobl, zu tun. Das in einem herrlichen Park stehende Tagungshaus schließt ganz an das verbaute Gebiet Strobls an, liegt aber bereits jenseits der Ischler Ache und damit auf oberösterreichischem Boden. Südlich von Strobl breitet sich das weitläufige Haufendorf Weißenbach aus. Eine Pestsäule aus der Zeit um 1690 erinnert hier in der Nähe der Koglermühle an den heimtücki schen „Schwarzen Tod". In Weißenbach hat die Postalmstraße ihren Ausgangspunkt. Mit ihr wurde 1971 das weit ausgedehnte Post almgebiet erschlossen. Die durchschnittlich etwa 1500 Meter hoch gelegene Postalm bei Strobl gilt mit einer Fläche von rund 4000 Hektar als größtes Almengebiet Österreichs und ais zweitgrößtes Hochplateau Europas (nach der Seiser Alm in Südtirol). Die nur we nig zerschnittene Hochfläche geht im Süden in die wesentlich höhere und wild zerklüftete Gamsfeldgruppe über, wo das Gemeindege biet von Strobl und der ganze Flachgau ifire höchste Erhebung besitzen: das Gamsfeld mit 2028 m. Auf den weiten Almmatten mit ih rer typischen Vegetation kann man ausge dehnte Wanderungen unternehmen. Die Postalmkapelle, auch Kaiserin-Elisabeth-Gedächtniskapelle genannt, wurde 1865 errich tet und enthält einen neugotischen Altar mit einer geschnitzten Gnadenstuhl-Darstellung. Daß es sich bei der Postalm um ein Land schaftsschutzgebiet handelt und trotzdem dort 1500 Parkplätze und acht Schilifte vor handen sind, scheint ein Widerspruch zu sein. Derzeit ist es noch sehr schön in dieser herrlichen Landschaft, im Sommer und im Winter. Wenn aber das „Skicenter" weiter ausgebaut wird und ein „Skidorf" mit 1200 Gästebetten entsteht? So große Pläne gibt es in der dritten Gemein de des salzburgischen Salzkammergutes, in Fuschl am See, nicht. Mit 1000 Einwohnern ist Fuschl auch wirklich noch eine kleine Ge meinde. Zur Zeit Erzbischofs Arno um 800 gab es hier nichts als Wiesen und Viehwei den, Fisch- und Waldrechte. Daher hieß die

In der Talsenke des Ellmaubaches hin zum Ostende des Fuschlsees trifft man auf dem Moränenboden eine Agrarlandschaft mit prachtvollen Wiesen an, was Im Gemeindegebiet von Fuschl gar nicht so häufig ist, denn zwei Drittel des Areals sind mit Wald bedeckt. Sämtliche Fotos: Oskar Anrather, Salzburg

Gegend damals „In der Wüste". Lorenz Hüb ner nennt Fuschl In der „Beschreibung des Erzstiftes und Reichsfürstenthums Salzburg" 1796 ein Dorf ohne Kirche. In dieser Zeit gab es in Fuschi ein Wagnerhaus, zwei Schmie den, vier Getreidemühlen, eine Sägemühle, sechs Bauern, drei Kleinhäusler und eine Ölbrennerei. Nachdem noch 1793 die Fuschler vergebens um einen eigenen Seelsorger ge beten hatten, wurde 1805 die dem heiligen Erasmus geweihte Vikariatskirche vollendet. Sie ist eine schlichte nachbarocke Saalkir che, die nach einem Brand im Jahr 1880 eini ge Erneuerungen erfahren hat. Seit 1891 ist Fuschi eine selbständige Pfarre; eine Schule besteht seit 1860. Heute zählt Fuschi am See zu den bekanntesten Sommerfrischen im ganzen Flachgau. Das ist kein Wunder, weil der hübsche Ort in einer reizvollen Waldge birgslandschaft und direkt am Ostufer des Fuschlsees liegt. Wie der Wolfgangsee ist auch der Fuschlsee dem Gebiet des eiszeit lichen Traun-Gletschers zuzurechnen, wäh rend die Seen des Saizburger Vorlandes durchwegs in Zweigbecken des ehemaligen Salzachgietschers liegen. Der Fuschlsee ist etwa vier Kilometer lang und nicht ganz einen Kilometer breit, seine Fläche macht damit nur ein Fünftel des Wolfgangsees aus. Sein See spiegel liegt in 664 Meter Meereshöhe, wäh rend der Wolfgangsee nur 538 Meter hoch liegt. An den flachen Uferstellen des Fuschl sees findet man günstige Badepiätze. Aber auch im Winter spielt der See eine große Rol le für Freizeit und Sport, denn die Ostbucht trägt in der Regel eine dicke Eisdecke. Das berühmte Schloß Fuschi am Südwest ufer des Sees gehört schon zur Nachbarge meinde Hof bei Salzburg. Das ehemalige erz bischöfliche Jagdhaus dient heute als komfortables Luxushotel. In der Umgebung des Ortes Fuschi zieren schmucke Bauern höfe die Landschaft, zum Beispiel der Perfailhof in Ellmau mit seinem Schopfwalmdach und dem Zierschrot oder der Schoberbauer in Brunn, wo der Verputz des Hauses eine Scherbenverzierung aufweist. Das Mathiesengut in Eiimau fällt mit seiner bemerkens werten Schlackenverzierung auf. Damit nehme ich Abschied von einer über aus reizvollen Naturlandschaft, von drei lie benswürdigen Gemeinden, die sowohl im Flachgau als auch in den nördlichen Kaikalpen liegen, die den Gerichtsbezirk St. Gil gen und das Salzburgische Saizkammergut bilden. Wenn man diesen Raum verläßt, den schon so viele Menschen liebgewonnen ha ben, der eine abwechslungsreiche See- und Bergiandschaft darstellt, soll man daran den ken, daß das Salzkammergut auch einen Salzburger Anteil besitzt. ormatian ST. GILGEN DAS > ^ AM WOLFGANGSEE Information/Unterlagen Fremdenverkehrsverband Mozartplatz 1 A-5340 St. Gilgen Telefon 0 62 27/348, 72 67 Telex 63 26 07 gil vv

Symbiose von Architektur und Skuiptur Zu den Altären von Meinrad Guggenbichler Franz Fuhrmann Dem Werk des Bildhauers Meinrad Guggen bichler (Einsiedeln 1649—1723 Mondsee) hat man sich auf zwei gegensätzlichen Wegen genähert: Heinrich Decker reiht Werk an Werk in zeitlicher Folge und spürt der stilisti schen Entwicklung — dem künstlerischen Reifeprozeß — des Bildhauers nach.^ Wil fried Lipp „versucht. . den verschränkten künstlerischen Prozeß an Hand der verschie denen Aufgaben exemplarisch darzulegen". Er geht dabei verschiedenartigen „Motiven" im Werk Guggenbichlers nach und fragt nach ihrer künstlerischen Form und Bedeutung an sich und im Rahmen eines größeren Ganzen.^ Dieses größere Ganze an Hand der bedeu tendsten Altäre des Meisters intensiver als bisher in den Blick zu nehmen und auf das Zusammenspiel von Altararchitektur und figuraler wie ornamentaler Skulptur hin zu un tersuchen, ist Anliegen dieses Beitrages. Er konnte erst in Angriff genommen werden, nachdem geeignete Farbaufnahmen vorla gen.^ Wie berechtigt eine solche, auf das Ganze zielende Betrachtungsweise ist, er hellt schon daraus, daß Deckers gehaltvolle Monographie keine einzige Abbildung eines ganzen Altares enthält. Grundsätzlich stellt sich die Frage, da Guggenbichler bzw. seine Werkstatt als Erzeuger der Skulpturen fest stehen, wer die Altararchitektur entworfen hat: ein Architekt, ein Bildhauer — etwa Gug genbichler selbst —, ein Maler oder ein Tischler? Obwohl es nicht in jedem Einzelfall aktenkundig ist, kann man doch mit gutem Grund davon ausgehen, daß es Guggenbich ler selbst war. Gesicherter Ausgangspunkt für diese Annahme ist der Vertrag für den Hochaltar in Michaelbeuern vom 12. April 1690. Zweimal wird dort von „der visier", die „auf der Epistelseithen" aufgestellt (?) war, gesprochen, die aus dem Kontext niemand anderer als Guggenbichler geliefert haben kann. Ferner sollte man beachten, daß der Sohn eines Baumeisters und Steinpiastikers auch baumeisterliche Talente geerbt haben dürfte.'^ Abb. 1: Hl. Margareta, Schreinfigur am Hochaltar der Pfarrkirche Straßwalchen (Bez. Salzburg) s i 11

Abb. 2: Mondsee, ehemalige Stiftskirche, Gesamtansicht des Corpus-Christi-Altares Das harmonische Zusammenwirken von Skulptur und Architektur — bei aller unter schiedlichen Betonung der einen oder ande ren Kunstgattung im Laufe der Entwicklung und der Aufgabenstellung — läßt sich besser aus einem einheitlichen Gestaltungswillen verstehen, wenn auch — wie in unserem Fall — die künstlerische Dominanz des Bildhau ers imstande gewesen wäre, einem fremden Altarbauer seinen Willen aufzuzwingen. Bei unseren Betrachtungen, die die „Form" und „Formzusammenhänge" — als Wesensmerk male der Kunst — und den „Formenwandel" — als Hauptanliegen der Kunstgeschichte — in den Mittelpunkt rücken, gehen wir am be sten chronologisch vor, ohne Inhalte und Auf gaben zu vernachlässigen. Der Hochaltar der Pfarrkirche Straßwalchen Der 1675 errichtete Altar ist das erste urkund lich gesicherte Werk Guggenbichlers, der da mals noch Geselle war.® Man glaubt deshalb, dem Tischler Mathias Steinle aus Mattsee, der den Aufbau anfertigte, auch den Entwurf dafür zuschreiben zu sollen. So sicher läßt sich das meines Erachtens nicht behaupten. Erstens ist der Ende des 19. Jahrhunderts ab getragene und 1919 wieder aufgebaute Altar nicht mehr im Originalzustand erhalten. Das goldgerahmte Altarblatt Ist neu und sichtlich zu groß, das Blau der Säulen ist falsch, das Oberbild fehlt und wird durch eine Statue er setzt, die Bischofsfiguren Im Aufsatz wurden „umgetauft" und der Altar als Ganzes an die Hinterwand des Chores versetzt. Zweitens läßt sich die Frage der Zuschreibung allen falls erst nach Kenntnis des gesamten Altar werkes Guggenbichlers beantworten, eine Aufgabe, die uns noch bevorsteht. Der Umstand, daß die Herstellung einer Farb aufnahme des ganzen Altars unmöglich war, hält mich davon ab, auf die Frage näher ein zugehen. Da aber die beiden den Schrein flankierenden Guggenbichler-Flguren der hl. Margareta (Abb. 1) und der hl. Barbara kaum Platz vor den viel zu schmalen Nischen fin den und die noch aus dem Knorpelstil ent wickelten Ornamente aufgepfropft wirken, dürften jene Kenner recht haben, die die al tertümliche Visierung noch nicht mit Guggenbichler in Zusammenhang bringen. Der Corpus-Christi-Altar in der Pfarrkirche Mondsee Für die ehemalige Benediktiner-Stiftskirche schuf der Bildhauer von Mondsee fünf Altä re.® Das erste, formenglelche Paar — der Heillg-Geist- und der Wolfgang-Altar — ent stand 1679—1681, das zweite — der CorpusGhrlstl- und der Armen-Seelen-Altar — 1682—1684, der Sebastiansaltar 1714. Belm ersten Paar — einem herkömmlichen Typus 12

Abb. 3: Filialkirche Irrsdorf (Bez. Salzburg), Gesamtansicht der Aitarausstattung — Hochaltar und Seitenaitäre ^ «i 'id" — ließe sich das Zusammensein und noch nicht Zusammengewachsene von Architektur und Skulptur bei individueller Ausprägung beider Gattungen und Zu-, nicht Einordnung der durchseelten Heiligengestalten sehr gut aufzeigen. Wir wenden uns aber gleich dem Corpus-Christi-Altar (Abb. 2) zu, weil wir hier einer außerordentlichen „Invention" begeg nen. Die Kühnheit des Entwurfes, der archi tektonische Festigkeit mit wohlbemessenem plastischem Reichtum verbindet, zeugt be reits von souveräner ganzheitlicher Gestal tungskraft. Die bauliche Situation nützend, staffelt sich das von drei gewundenen Säu lenpaaren eingefaßte Hauptgeschoß bis zum Altarblatt zurück; ein mächtiger Tiefenzug, der in der feinteiligen Stufung des Gebälkfrie ses sein Echo findet und im Tabernakel den verkleinerten Kontrapunkt. Einzigartig ist die Erfindung der säulentragenden „Kindl", ein Motiv, in welchem die Vermählung von Archi tektur und Skulptur anschaulich zur Geltung kommt. Feierlich wirkt der Zusammenklang von Ebenholzschwarz der Bauteile und Gold des Schmuckes und der Figuren des Aufsat zes, ergänzt vom Braun der gesandelten Säulenschäfte und Inkarnat der „Kindl". Erst die Farbaufnahme macht die im Dunkel der Kirche schlummernden Qualitäten dieses Altares sichtbar. Wäre Guggenbichlerzu Ent würfen nicht fähig gewesen, so hätte man wohl den Tischler Steinle bemüht; ihm würde man aber ein Werk solchen Ranges kaum zu trauen. Guggenbichler hat sich übrigens zur Ausführung der Altäre des einheimischen Tischlers Martin Mayer bedient. Die Altargruppe in der Fiiiai- und Waiifahrtskirche irrsdorf Fast alle Altäre Guggenbichlers stehen in go tischen Kirchen. In Irrsdorf (Abb. 3) wird dies durch die verhältnismäßige Kleinheit des Raumes und Gegenwart gotischer Kleinod ien besonders bewußt. Und Guggenbichler nützte die Gelegenheit zu einem hinreißen den Fest für die Augen zu Ehren der Him melskönigin Maria.'' Er führt das Unter geschoß mit den Opfergangstüren des Hochaltares (1682—1685) bis an die Chor wände heran und läßt den Aufbau, im Auszug sich verjüngend, so schlank zum Gewölbe emporsteigen, daß die Chorfenster den Rand des Altares mit der etwas zurückversetzten Säule transparent erscheinen lassen. Da durch nimmt Guggenbichler dem überreich 13

ausgestatteten Gebilde den Charakter der Schwere und liefert ein Meisterstück raumge rechter Architektur. Vier große Gestalten — die Salzburger Patrone und, freistehend ohne Baldachine, die ritterlichen Schrein wächter St. Georg und St. Florian — beherr schen zusammen mit dem von gewundenen Säulen flankierten Altarblatt der Himmelfahrt Mariens das Hauptgeschoß. Die Rundung des Bildes greift hinein in das Gebälk, sodaß nur das nach den Seiten sich zurückstufende Gesims durchgehend das Hauptgeschoß vom Auszug trennt. Dieser nimmt das Motiv der bildrahmenden Säulen und begleitenden Figuren auf, wobei diese die Achsen der Säu len, jene die der Rahmenleisten vom Haupt geschoß übernehmen. Geschwungene Gie belstücke übergreifen das Gesims des Hauptgebälks, ein weit gesprengter, leicht verkröpfter Segmentgiebel krönt das Ganze. Auf den Giebeln haben sich fünf Engel mit Symbolen aus der Lauretanischen Litanei niedergelassen. Anders stellen sich die etwas später (1689—1691) entstandenen Seitenaltäre dar. Sie werden von der Ausdehnung der Altar blätter des Johann Friedrich Pereth be herrscht, denen Architektur und „Säulenhei lige" als Rahmen dienen. Die „Stützen" des Altaraufbaues verbindet ein flacher Seg mentbogen, hinter dem, verschleiert durch sitzende Engel, der Auszug mit geschwunge ner Kontur aufwächst und das von einem Blattkranz gerahmte Oberbild trägt. Das Ab schwellenlassen des Aufrauschens im Hoch altar gegen die Randzone hin wurde auf diese Weise feinfühlig gelöst. Der Hochaltar in der Stiftskirche MIchaeibeuern Gleichzeitig mit der Ausführung der Irrsdorfer Seitenaltäre durch seine Werkstatt erreichte Guggenbichler der Auftrag für den Auferstehungsaitar in Michaelbeuern (Abb. 4). Polyphonie (Mehrstimmigkeit. Anm. d. Red.) sollte vom Wohllaut der Homophonie (Ein stimmigkeit) abgelöst werden. Dazu kam noch das unwahrscheinliche Giück, daß sich dem Bildhauer, der zum erstenmal im kirchli chen „Ausland" tätig wurde, mit Johann Mi chael Rottmayr ein kongenialer Maler hinzu gesellte. Die Tischlerarbeiten lieferten Georg Wendtner und Mathias Steinle aus Mattsee, die Fassung besorgte Johann Martin Schaumberger aus Salzburg, der ursprüng lich auch das Altarbild „von neuer Invention" hätte malen sollen. Es lohnt, die Studie von Walter Brugger in die Hand zu nehmen;® denn kaum einmal konnte die Entstehungs geschichte eines Kunstwerkes (1690—1692) dank vorzüglicher Quellenlage und -ausschöpfung so anschaulich bis in alle EinzelAbb. 4: Gesamtansicht des Hochaltares in der Stiftskirche von Michaelbeuern (Bez. Salzburg) 14

heiten dargestellt werden, wie am Beispiel dieses Altares. Zwar Ist Im Vertrag mit Guggenblchler vom 12. April 1690 vom Haupt thema des Altares, der „Urstendt Christi", nicht die Rede, es kann aber kein Zweifel be stehen, daß Abt Aemillan Sengmüller späte stens bei Vertragsabschluß den Bildhauer da von unterrichtet hat. Denn das Wissen um dieses Thema könnte Vieles von der beson deren formalen Struktur dieses Altares erklä ren: Klarheit und Ebenmaß, Leichtigkeit und Transparenz, Goldglanz und Licht sind an schauliche Begriffe, die gleichermaßen auf die „Auferstehung des Herrn", das zentrale Glaubensgeheimnis des Christentums, über tragen werden können. Der Farbton des Bau körpers ist leicht ins Schwarzbraun gebro chen, er bindet sich weicher mit dem Gold, kommt aber nur mehr Im Untergeschoß stär ker zur Geltung. Die goldenen Säulenschäfte sind glatt und werden spiralförmig von zarten Blattranken in Silber umwunden. Die Heili gen Rupert und Ulrich stehen trotz breiter Entfaltung locker zwischen den Säulenpaa ren und rufen den Eindruck des Schwebens über Wolken hervor. Sie neigen sich gegen die Mitte des Altares, zu Häupten umfangen von federleichtem Akanthuslaub, das über das Gebälk hinweg eine lose Verbindung zu den Statuen der Heiligen Benedikt und Scho lastika herstellt. Den Auszug bildet ein umkränztes Hochovalbild (Erzengel Michael), gehalten von einem Architekturstück, dessen unterer Teil von knienden Engeln verdeckt wird. Das tempiettoförmige Tabernakel ziert eine eigenhändige Kreuzigungsgruppe. Die stilnähere Einbindung des Altares in den im Kern gotischen Chor wird durch die frühba rocke Stuckierung des Gewölbes von 1622 erreicht: vollendete Harmonie.® Der Kreuzaltar in der Pfarr- und Wallfahrts kirche St. Wolfgang im Salzkammergut Nach längerer Atempause erreichte das Schaffen Guggenbichlers im Jahre 1706 einen weiteren Höhepunkt. Er wird zur Gänze in der Kirche von St. Wolfgang sichtbar, für welche der Antonius- und der Kreuzaltar (Abb. 5), der Rosenkranzaltar, die Kanzel und als Einzelfigur der Schmerzensmann ent standen sind.^° Kreuzaltar und Antonlusaltar in Wandpfeilernischen des nördlichen Schif fes gleichen einander. Beide Altäre leben von der schwingenden Bewegung ihres Umrisses und vom ausge wogenen Wechselspiel der schwarzen Archi tektur mit der goldenen Zier. Als drittes, neu es Element kommt die teilweise farbige Fassung der plastischen Hauptfiguren — Schmerzensmutter und Johannes Evangelist — hinzu, die damit nicht nur inhaltlich, son dern auch kompositionell an der KreuzesdarAbb. 5: Wallfahrtskirche St. Wolfgang am Wolfgangsee, Gesamtansicht des Kreuzaltares, im Vordergrund links Schmerzensmann v7»^ »tu. - ; 15

«•ÜS.UA.B, •öSteaBaE—, ■ -•» ^ -'l . I \ ■ ■ S 'V i

Links: Abb. 6: Detailaufnahme vom Schmerzensmann in der Waiifahrtskirche St. Woifgang Unten: Abb. 7: Waiifahrtskirche St. Woifgang, Gesamtansicht des Rosenkranzaltares Stellung des Altarblattes von Aemllian Rösch teilhaben. Der Goldrahmen des Bildes setzt — wie In den Anfangsjahren — den Rundbo gen wieder leicht ab: wohl eine im Detail noch nicht ganz entsprechende Antwort auf den lebhaften Duktus des Altar-Umrisses.^^ Das Gebälkgesims schmiegt sich an das Bildrund an, sein Scheitel berührt das Hochoval des lorbeerumkränzten Oberblldes, das nicht nur von der Aufsatzarchitektur, sondern auch von zwei knienden Engeln gehalten wird. Die Kreuzesthematik in den Bildern wird erweitert durch die am Kreuzesstamm sich festhalten de Gestalt der seligen Ida von Nivelles als Fürbltterln der Armen Seelen im Fegefeuer und die „vera icon"-Darstellung im Oberbild. Seelische Erschütterung und tiefes Leid be stimmen den Ausdruck der beiden das Kreuzesblld begleitenden Gestalten. Sie bleiben aber eingebunden in das Ganze des Altares. Der „Schmerzensmann" am Wandpfeiler hin gegen bietet sich dem Betrachter aus unmit telbarer Nähe dar. In ihrem ganzen Elend wahrt aber diese wunderbare Gestalt Schön heit und Würde als Zeichen göttlicher Wesen heit. Ein ergreifendes Werk bildnerischer Er findung Guggenbichlers (Abb. 6). Der Rosenkranz-Altar Von den Altären in Oberhofen und vollends in Palting — Alterswerken Guggenbichlers — abgesehen, kommt das bildhauerische Ele ment im Rosenkranzaltar (Abb. 7) am stärk sten zur Geltung. Die Architektur verliert Ihre Statik und versinkt hinter einer Fülle von Fi guren und Ornamenten. Diese beginnen sich nach unten kurvig zu schließen, sodaß man im ersten Augenblick ein Rundbild als Altar blatt vor sich zu haben glaubt, eine vergrößer te Entsprechung zum Aufsatz, der architek turlos nur mehr aus einem Ovalbild Im Strahlenkranz besteht. Bloß der Segmentbo gen zwischen Haupt- und Oberbild spielt als architektonisches Element in diesem allge meinen Rundungsprozeß noch mit. Diesem Willen zur Rundung, Verkörperlichung und Verräumllchung kommt auch das Gemälde von Aemilian Rösch entgegen, sodaß der von beiden Künstlern gewiß bewußt gewollte Ein druck entsteht, reale Plastik des Bildhauers gehe In die illusionäre des Malers über und umgekehrt. Ein Verschmelzungsvorgang wohl ganz im Sinne eines barocken Bildhau ers auf dieser Stilstufe. Derart im Vorder grund stehende bildhauerische Schaffens lust greift unwillkürlich wieder zurück auf eines ihrer dankbarsten barocken Motive, den weichgepolsterten kindlichen Körper. Sie als Putten und Engel In reicher Zahl über diesen Altar zu verstreuen, entsprang sol chem Verlangen und findet auch noch in den Themen Abraham mit Isaak und Raphael mit 17

Unten: Abb. 8: Wallfahrtskirche St. Wolfgang, Kanzel Rechts unten: Abb. 9: Filialkirche Kirchdorf bei Eugendorf (Bez. Salzburg), Gesamtansicht des Hochaltares i .m gangen, die vorstellbar ist, ja man kann sa gen, Architektur hat sich fast zur Gänze in Skulptur verwandelt: ein Triumph des Bild hauers. Der Hochaltar in der Filialkirche Kirchberg bei Eugendorf Als Beispiel aus einer Reihe kleinerer Altäre soll dieser 1706/1707 entstandene Altar (Abb. 9) dienen, der außerdem noch den Typus mit plastischer Schreinszene vertritt. Guggenbichler greift auf die Form seiner er sten Mondseer Altäre mit betonter Architektur in Schwarz, gewundenen Blattranken-Säulen und in „Baldachine" gestellte Schreinwäch terfiguren zurück. Nur das kreisrunde Ober bild, umgeben von Wolken- und Strahlen kranz, und der Illusionismus der Szene mit dem Drachentöter St. Georg entsprechen dem Stil der Entstehungszeit.^'' Der Hochaitar der Pfarrkirche Lochen Dieser mächtige, vorzüglich in den Chorraum eingefügte, 1709 datierte Altar (Abb. 10) fällt in mehrfacher Hinsicht aus dem Rahmen der bisher betrachteten Beispiele.^® Mögen auch einige restauratorische Veränderungen mit Schuld sein, daß der architektonische Cha rakter des Werkes so vordergründig in Er scheinung tritt, er ist bereits von seiner ur sprünglichen Konzeption her in erster Linie ein architektonisches Gebilde von „klassi schem" Zuschnitt. Alle Einzelformen sind ein fach, klar, bestimmt und voneinander abgeTobias seinen Ausdruck. Daß viele der Engel wieder Symbole der Lauretanischen Litanei tragen, hängt mit dem Hauptbild zusammen, das die Verleihung des Rosenkranzes durch Maria an den hl. Dominikus darstellt. An das Rosenkranzgebet schießt sich häufig diese Marien-Litanei an. Wenn hier die Kanzel von St. Wolfgang (Abb. 8) eingefügt wird, so deshalb, weil sie an einer anderen Aufgabe den Stil der „hohen Reife" ebenso überzeugend doku mentiert wie der Rosenkranzaltar.^® Ein zweitgeteiltes Gebilde — Kanzelkelch und Schalldeckel — erhebt sich vor uns, verbun den durch eine genial erfundene Draperie und angeheftet an den inneren Eckpfeiler der Turmsakristei. Dem in Sechspaßform schwel lenden Körper des Kelches sind gleich riesi gen Halbedelsteinen ovale, bucklige Felder aufgelegt, die von üppigem Akanthuslaub ge rahmt werden und auf denen die Legende des hl. Wolfgang erzählt wird. Zwischen den Feldern stehen — besser schweben auf Wol ken — die Statuetten der vier Lateinischen Kirchenväter, Meisterwerke der Schnitzkunst Guggenbichlers. Dem Formenspiel der Put ten am Rosenkranzaltar entsprechen die Lämmer auf dem reich umkränzten Schall deckel, der in der edlen Gestalt des „Guten Hirten" gipfelt. Architektur und Skulptur sind in diesem Werk die innigste Symbiose eingei 18

Abb. 10: Gesamtansicht des Hochaltares In der Pfarrkirche Lochen (Bez. Braunau) Sämtliche Fotos: Oskar Anrather, Salzburg ¥ K.*'K % r ii ii< ai> 19

setzt, gewissermaßen Paradigmata für Säule, Konsole, Gebälk, Segmentbogen und Rah men, wobei der Aufsatz —verkleinert und an ders proportioniert — das Hauptgeschoß genauest wiederholt. Gemildert wird die für Guggenbichler ungewohnte Betonung des Architektonischen durch die Fassung: Nuß braun statt Schwarz oder Schwarzbraun. Neu, wenn auch nicht im Gesamtschaffen des Meisters, sind auch die skulpturalen „Al tarbilder" im Haupt- und im Obergeschoß. Dabei sind diese plastischen „Bilder" streng gerahmt und — der Grundstruktur des Alta res entsprechend — scharfllnig von der Ar chitektur abgesetzt. Man fühlt sich verleitet, den Proportionen dieses Altares nachzuge hen.^® Allein die Schreinwächter-Figuren auf Konsolen und unter hornartigen Verdachun gen, sowie zwei Engel und die Seitenfiguren im Auszug brechen die lineare Strenge und verleihen dem Altar wohltuend einen beweg teren Umriß. Auch die Figurengruppe vor blauem Hinter grund im Schrein (Abb. 11), die Himmelsköni gin und ihr zu Füßen die Heiligen Katharina und Barbara, gehorcht Proportionsschemata bestimmter Rechtecke und Dreiecke. Dem hl. Bartholomäus Im Oberbild verlieh der Künst ler an Christus als Weltenrichter erinnernde Züge. Wenn Decker das Haupt des Apostels an Zeus gemahnt, so spricht daraus pars pro toto das „Klassisch-Gemessene" und „Ho heitsvolle", das Skulpturen und Architektur dieses letzten großen Altarwerkes Guggenbichlers gleichermaßen prägt und aus zeichnet.^^ Am Schluß dieser Betrachtungen, die uns eine Auswahl der Altäre Guggenbichlers als ganzheitliche Gebilde mit unterschiedlichem Zusammenspiel von Architektur und Skulptur (aber auch Malerei) näherbringen sollte. stehe das ritterliche Standbild des hl. Florian vom Lochener Altar (Umschlagmotiv). Diese der Altarmitte zugewandte sehnige Gestalt mit männlich ernstem Gesicht soll uns nicht vergessen lassen, daß bei allem Respekt vor dem „baumeisterllchen" Können Guggen bichlers seine eigentliche Bedeutung und sein Rang in der fast immer auf eine höhere idealisierende Ebene gehobenen Charakteri sierungskunst von menschlichen Gestalten und anderen organischen Wesen beruht. Er ist ein Bildhauer von hohen Graden. Anmerkungen 1 Heinrich Decker, Meinrad Guggenbichler, Wien 1949; Oers., Barockplastik in den Alpenländern, Wien 1943, 41 ff.; Erich V. Strohmer, Verzeichnis der urkundlich gesicherten Werke Joh. Meinrad Guggenbichlers, in; Beiträge zur Kunstgeschichte Tirols, Festschrift zum 70. Geburtstag Jos. Weingartners, Innsbruck 1955 (Schiernschriften 139, 157—165) 2 Wilfried Lipp, Meinrad Guggenbichler, in: Das Mondsee-Land, Ausstellungskatalog, Linz 1981, 109—128 3 Die Farbaufnahmen stammen von Oskar Anra ther, Salzburg. Trotz ungünstiger Bedingungen an Ort und Stelle erzielte er hervorragende Ergebnis se. Ich danke Ihm für seine große Mühe und den Hütern der Kunstwerke für ihr großes Entgegen kommen. — Zum Altar allgemein vgl. Joseph Braun SJ, Der Christi. Altar, München 1924, Bd. 11/ 5. Abschn., 277—544 4 Walter Brugger, Der Hochaltar von Michaelbeu ern — ein Gianzstück des österreichischen Ba rocks, in: Benediktinerabtei Michaelbeuern, Fest schrift, Michaelbeuern 1985, 173—184 5 Hartwik Schwaighofer, Straßwalchen—Irrsdorf, Salzburg 1963 (Christi. Kunststätten Österreichs, Nr. 44), 2 ff.; in der ÖKT X/1 (Wien 1913) fehlt der Hochaltar noch. — Zu Steinle (Steindl, SteinI) vgl. Lore Pühringer-Zwanowetz, Matthias SteinI, Wien—München 1966. Die Autorin hält es nicht für ausgeschlossen, daß Steinle der Vater des be rühmten Baumeisters und Bildhauers Matthias SteinI ist 6 Walter Kunze, Mondsee OÖ, Salzburg 1988^' (Christi. Kunststätten Österreichs, Nr. 85), mit Abb. des Heilig-Geist-Altares; Ders., Mondsee 5000 Jahre Geschichte und Kultur, Linz 1986, 78—84. — Auch die Farbaufnahme vermag die Tiefenstaffe lung nicht wiederzugeben, da die beiden hinteren Säulen durch die vorderen verdeckt werden. Das Altarblatt stammt von Christoph Philipp List 7 Schweighofer, Straßwalchen—Irrsdorf, 14 ff.; Festschrift „Unserer Lieben Frau von Irrsdorf", Straßwalchen/Irrsdorf 1988, mit vorzüglichen Farb aufnahmen; ÖKT X/1 (Wien 1913), 55 ff. 8 Vgl. Anm. 4 9 P. Werigand Mayr, Abtei Michaelbeuern, Mün chen—Zürich 1971^ (Kunstführer, Nr. 660) 10 Wolfgang Pfarl, Die Wallfahrtskirche von St. Wolfgang am See, Linz o. J. 11 Der rechte Winkel wird im Spätbarock und Ro koko von einem konkaven oder konvexen Bogen oder einer schwingenden Kurve abgelöst 12 Otto Wimmer — Hartmann Melzer, Lexikon der Namen und Heiligen, Insbruck—Wien—Mün chen 1982^ 387 13 Decker, 49 ff. 14 Dehio Salzburg, Wien 1986, 90 f. Decker be schreibt den Altar noch vor dessen Restaurierung 15 R. A. Locicnik, Lochen/Gebertsham/Astätt, Salzburg 1985 (Christi. Kunststätten Österreichs, Nr. 145), 4 f. 16 Der Altarschein dürfte dem Wersinschen Ver hältnis 1:1,236 (= 2 X 0,618), also dem Goldenen Schnitt, entsprechen. Wolfgang von Wersin (Das Buch vom Rechteck, Ravensburg 1956, 41) nennt dieses Verhältnis „Biauron" 17 Decker, 66 Wolfgang Heitzmann Grüße aus den Bergen Eine Auswahl alter Ansichts karten vom Wienerwald bis zum Matterhorn 104 Seiten, Format 16x16 cm, 98 s/w-Abbildungen, brosch. öS 118Eduard Christoph Heinisch Grüße vom Attersee Eine Auswahl alter Ansichts karten vom Attersee und aus Vöcklabruck 76 Seiten, Format 16x16 cm 57 s/w-Abb., 4 Farbb., brosch. ÖS 98,- W. ENNSTHALER VERLAG, A-4402 STEYR, Stadtplatz 26, Tel. 07252 / 22053

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