Oberösterreich, 39. Jahrgang, Heft 1, 1989

Seite 6: Aus dem sogenannten „Kronprinzenwerk": Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Band Oberösterreich und Salzburg, Wien 1889, Abbildung auf Seite 123: „Bauer und Bäuerin aus der Gegend von Kremsmünster", Chromozinkographie von 0. Angerer & Göschl nach einem Kostümbild von Josef Fux. Foto: Franz Gangl, Linz Links: Porträt .P Maurus Lindemayr — „Vater der oberösterreichischen Mundartdichtung" (1723—1783) nach einer Abbildung auf Seite 175 im sogenannten „Kronprinzenwerk", Zeichnung von Johann Klaus nach einem Ölgemälde Im Stift Lambach. — Foto: Franz Gangl, Linz präsent und kann mit solchen Meisterwerken aufwarten wie mit den Madonnenplastiken zu Frauenstein, Inzersdorf und Schlierbach, mit den im Bannkreis von Kremsmünster gelege nen Filialkirchen von Weigersdorf und Ober rohr, mit der Ausmalung des Gotteshauses zu St. Leonhard bei Pucking und schließlich mit dem „Dom" zu Steyr und dem „Bummerl haus", das unter die schönsten und stilrein sten Profanbauten der Gotik in Österreich ge reiht werden kann. Für den Renaissancestil seien — um nur zwei Beispiele zu nennen — der stolze Stadtturm von Enns und das Mar morportal des Landhauses in Linz vermerkt. Doch all dieses Bauen, Malen und Schnitzen wurde von der stürmischen Woge des Ba rocks überflutet, die zuerst die Klöster erfaß te, dann den Adel und das Bürgertum. Be schreibungen und Berichte sparen nicht mit Superlativen: So wird etwa das Stift St. Flo rian den „glänzendsten Leistungen des öster reichischen Barocks" zugezählt, die Ausstat tung der Schlierbacher Klosterkirche kommt einer „Apotheose des Barocks" gleich, und die Innengestaltung der Wilheringer Stiftskir che bezeichnet man als „hervorragendsten kirchlichen Raum des späten Barocks und reifen Rokokos zwischen den Alpen und dem Main". Daneben blitzen — künstlerisch nicht minder bedeutsam — profane Bauten auf: das Rathaus von Steyr, das Jagdschloß Ho henbrunn bei St. Florian, die Fassaden am Welser Stadtplatz. Ein barockes Kunstwerk von ganz besonderer Art steht in Paura bei Lambach: Das kleine Gotteshaus wurde aus dem Gedanken der Dreifaltigkeit geformt, und so bestimmt die Dreizahl alles und jedes, die Türme, die Altäre, die Orgeln und die Tore. Ebenso wie es sich dem Barock willig öffnete, war das Land auch offen für Einflüsse ande rer Art. Es war eben wie ein Tor, durch das seit der Römerzeit Freund und Feind zogen — freudig begrüßt der eine, Leid und Opfer for dernd der andere. So richtete der Österreichi sche Erbfolgekrieg im Land zwischen Enns und Traun arge Schäden an, und die Einfälle der Franzosen 1800, 1805 und 1809 trieben es an den Rand der Katastrophe. Trotzdem und selbst trotz des Bombenhagels zu Ende des Zweiten Weltkrieges hat das Land seinen barocken Charakter bewahrt. Und der Mensch? Betrachtet man das „Costümbild" im schon zitierten „Kronprinzen werk", das ein bäuerliches Paar aus der Ge gend von Kremsmünster darstellt, vermeint man den barocken Überschwang trotz bie dermeierlich hochgezogener Taille und modi schem Zylinder zu spüren. Tatsächlich konn te sich der Traunviertler die sichtliche Freude an den Genüssen des Lebens, dieses „Ich schwing mich über mich hinaus" in eine Zeit hinüberretten, die ihm Entbehrungen und schwere Bürden bescherte. Dem Barock verpflichtet sind auch einige Künstlerpersönlichkeiten, die aus dem Land zwischen Traun und Enns stammen. Allen voran ist hier Johann Beer zu nennen. Den Gastwirtssohn aus St. Georgen im Attergau, der lange Zeit lediglich als Komponist ge schätzt wurde, stellen Literaturwissenschaf ter heute gleichberechtigt neben Christoph von Grimmelshausen. Beer hatte in Lambach die Schule besucht und mußte als protestanti scher Flüchtling sein Glück in Deutschland suchen. Er wurde aber nie müde, sein ba rockes Heimatland in seinen Romanen zu preisen. Mit Lambach sind noch zwei Künst ler zu nennen: Maurus Lindemayr und Kolo man Feiner, Pater Maurus Lindemayr wurde zum „Vater der oberösterreichischen Mund artdichtung" und vollzog in seinen Werken den Übergang zum neuen Volksspiel. Kolo man Feiner bildete sich zu einem vorzügli chen Kupferstecher und Lithographen aus und wurde zum Begründer der berühmten Lambacher Kupferstichsammlung und der Gemäldegalerie. Als Marginal sei vermerkt, daß Pater Koloman 1809 ein Attentat auf Na poleon verhinderte. Die größte künstlerische Persönlichkeit, die das Traunviertel bis jetzt hervorgebracht hat, ist zweifellos Anton Bruckner. Der Schulmelstersohn aus Ansfelden wurde freilich erst in Wien zu dem, was die musikalische Welt an ihm schätzt, doch entfaltete sich das Genie Bruckner bereits in Linz, überprüfbar durch drei Sinfonien und durch die d-Moll-Messe. Anton Bruckner hat seine Heimat nie verges sen, die Melodien des Florianer Landes flös sen In seine Themen ein, und fast jeden Som mer kam er in „sein" Stift St. Florian, nach seinem Tode endgültig, um im Sarkophag un ter der geliebten „Chrismannin" zu ruhen, jener Orgel, die ihm Wegbereiterin und Köni gin war. Barocke Züge, zumindest was Auftreten und Baulust angeht, sind auch jenem Mann nicht abzusprechen, welcher der vielleicht größte Wirtschaftsführer des alten Österreich war: Josef Werndl. Er erblickte 1831 in Steyr das Licht der Welt und formte aus dem beschei denen Betrieb seines Vaters eine Waffenfa brik, in der er zeitweise bis zu 100.000 Ar beitskräfte beschäftigte und mit der es gelang, den Ruf, den Steyr als Elsenmetropo le im Mittelalter genoß, zu erneuern. Die Steyrer Waffenfabrik, die Textilindustrie in Linz oder die Hämmer in der „Eisenwurzen" konnten das Porträt vom Bauernland, das der Raum zwischen Traun und Enns bot, kaum berühren. Bis etwa zur Mitte unseres Jahr hunderts dominierte die Landwirtschaft. In den letzten Jahrzehnten veränderte sich die Situation, das Bäuerliche rückte in den Hin tergrund, das Land präsentiert sich heute als ein krisenanfälliger Industriebezirk, der aller dings noch immer tief mit dem Agrarischen verwurzelt ist. Und die Leute? Auch sie haben sich gewan delt. Der erste Einbruch in eine wohlgeordne te, wenngleich kleinbürgerliche Welt erfolgte ab 1938, als zahlreiche Techniker und vor allem Soldaten aus dem Westen — Preußen, Franken, Hessen, Bayern — kamen, blieben

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