gehört dieser Leonhardi-Rltt mit einigen hun dert Pferden zum festen Bestand im Jahres brauch der Pfarr- und Ortsgemeinde. Beim Vergleich der Berichte und Programme für die einzelnen Veranstaltungen fällt auf, daß sich überall gewisse Einzugsbereiche für einen Rittort gebildet haben. Einige Zeit be hinderten die asphaltierten Straßen jeden weiteren Zuritt, was sich auf die Anzahl der erwarteten Reitergruppen nachteilig auswirk te. Die Möglichkeit, Reitpferde nun in Fahr zeugen über größere Entfernungen zu trans portieren, erweiterte bald den Kreis der als Gäste anreitenden Gruppen. Für Neukirchen an der Vöckla zum Beispiel zeigt sich, daß dort alljährlich mit der Teilnahme von Reiter gruppen aus Ampflwang, Kobernaußen, Mettmach, aus Vöcklamarkt, Neumarkt/Köstendorf im Salzburgischen, aus Ottnang und Frankenburg gerechnet werden kann. Rund 130 Pferde bilden den nachmittäglichen Fest ritt, der sich vom Aufstellungsplatz in Welsern über Wimm-Weyr nach Neukirchen und von dort weiter zu der 1968 erbauten Leonhardikapelle bewegt. Sankt Leonhard ist der Neukirchener Pfarrpatron und es bestanden schon früher außerkirchliche Abhaltungen, um diesen Festtag würdig begehen zu kön nen. So ist bereits Mitte der dreißiger Jahre ein Leonhardiritt durchgeführt worden, der aber durch den Krieg unterbrochen worden ist. Erst 1952 ist der Gedanke neu aufgegrif fen worden. Genau dreißig Jahre darauf (1982) hatte man sich schließlich entschlos sen, dem Ritt ein Reiterspiel anzuschließen, das die örtliche Reitergruppe veranstaltet und das sich großer Beliebtheit erfreut. In Neukirchen ist es ebenso wie in Retten bach und in Desselbrunn eine wohl beachte te Gepflogenheit geworden, den Reitern ein Erinnerungsgeschenk als Dank für die Teil nahme und damit für die Pflege des Brau ches zu überreichen. Hier ist es ein Leon hards-Bild, woanders eine Statue oder gar ein Hufeisen, mit dem die entsprechende Be ziehung zum Ort und Festtag hergestellt wird. Abgekommen ist man aber offensichtlich da von, ein sogenanntes Weitbest allen jenen Reitern bzw. Gruppen zu überreichen, die sich der Mühe eines besonders weiten Anrittes unterworfen hatten. Die Kirche der etwas abseits gelegenen Pfar re Weißenkirchen im Attergau ist zwar der hl. Margaritha geweiht, doch seit „unfürdenklichen Zeiten" wird dorthin am St. Leonhards tag eine Wallfahrt unternommen, die dem zweiten Kirchenpatron, dem Ketten-, Viehund vor allem Pferdepatron Leonhard, gilt. In einer Chronik des Pfarramtes in St. Georgen findet sich für 1711 der Hinweis: „Alß mann mit der Prozession wegen Abwendtung der Seuch bey Vieh bey St. Margarethen gewe sen", habe man auch „zwey Musici" zur feier lichen Gestaltung des Gottesdienstes mitge bracht. (Grund genug, daß sich die heutigen Musikanten diesem Hinweis weiterhin ver pflichtet fühlen!) Aus den ursprünglichen Le onhard-Wallfahrten (die Joseph II. 1792 ein gestellt hatte) ist wesentlich später, nämlich 1924, der heute so eindrucksvolle Leonhardi ritt geworden. Die Anregung dazu hatte Pfar rer Grospointner gegeben und ein paar be geisterte Helfer — einen jungen Landwirt und einen Schmiedegesellen — gefunden, die sich wacker ins Zeug legten und Rosse wie Reiter gewinnen konnten. Seither ist der Le onhardiritt alljährlich durchgeführt worden und erst die Motorisierung in der Landwirt schaft schien die eigentliche Gefahr für die weitere Abhaltung des Brauches zu werden. Im Jahr 1965 konnten nur mit knapper Not noch elf Tiere ausfindig gemacht werden.'^ In Weißenkirchen, das inzwischen wieder ge nügend Rösser besitzt, treffen alljährlich an dem einem 6. November nächstliegenden Sonntag mehrere Reitergruppen ein. Sie kommen aus Haining/Seewalchen, Neumarkt/Köstendorf, aus Lochen im Innviertel und Zell am Moos. Ihr Sammelplatz liegt zwi schen der Kramer-Säule und der Ortschaft Hölleiten, von wo aus gegen 10 Uhr der Anritt in Richtung Kirche erfolgt. Immer vor dem Ritt findet darin der Festgottesdienst statt und man hat es zum Brauch werden lassen, dabei eine Leonhard-Messe zu singen, die sich al ter Marienmelodien bedient. Bevor man zur Festwiese, die hinter der Kirche liegt, reitet, wird der Kirchenplatz dreimal umritten. Auf der Festwiese ist eine Bühne errichtet, vor welcher an die hundert „Kranze!" zur Seg nung vorbereitet liegen. Dorthin werden sie im Festzug von Buben getragen. Der Leonhardibrauch beschäftigt übrigens in Weißen kirchen schon lange Zeit vorher die Bewoh ner aller Häuser, wo Musiker wohnen. Sie binden die von den Reitern begehrten grünen Gewinde, die als kleines Segenszeichen heimgenommen werden und gleichzeitig ein „Dankeschön" der veranstaltenden Musikka pelle für die Teilnahme und Mitgestaltung des festlichen Rittes darstellen. Der eifrige Pro motor der Weißenkirchener Leonhardiritte ist Herbert Saminger. Er war es, der 1965 — so zusagen als Lockmittel für ansässige und auswärtige Reiter — die Erweiterung des Rit tes ersonnen hatte, indem er als zugkräftigen Programmpunkt Reiterspiele einführte. Die einfach gehaltenen Spiele verlocken im mer wieder die Reiter dazu, ihre Künste beim Kranzlstechen, Faßschlagen (welche die er ste und letzte Aufgabe im Rahmen derartiger Geschicklichkeitsnachweise sind) zu zeigen. Dazwischen liegen dann Türkenstechen, Gickerl- und Hindernisreiten, Jagdspringen und Sechterlreiten. Als Lohn winken Sieger preise, für alle Pferde hält man Erinnerungs geschenke bereit, deren Motive auf den Fest tag, auf den Roßheiligen oder auf den Attergauort bezogen sind. Die seit 1976 vor handene Standarte zeigt den Heiligen mit Pferd vor dem Hintergrund der Pfarrkirche und auf rot-weißem Feld eine goldene Lyra mit dem Namen der veranstaltenden Musik kapelle. Sie wird nicht nur am Leonhardstag dem Zug der geschmückten Pferde und ihren in Tracht gewandeten Reitern vorangetragen, sondern bei allen kirchlichen Anlässen im Jahr, bei Musikfesten und Musikantenhoch zeiten verwendet. Auch das ist ein beschei denes Beispiel dafür, daß sich innovierte Bräuche ihren entsprechenden Formenkreis schaffen können, wenn sie von allen Mitge staltenden verstanden und angenommen werden. Die spätherbstlichen Leonhardiritte sind — andes als ihr Frühlingspendant, die Georgiritte — fast ausnahmslos aus ursprünglichen Fußwallfahrten entstanden. Nun ist es gewiß nur ein persönlicher Eindruck des Schrei bers, wenn er meint, daß die Leonhardiritte dem volksfrommen Wallfahrerbrauch gegen wärtig noch etwas näher stünden. Patrozinium oder Kultbild des Reiterheiligen St. Georg scheinen eher ein willkommener Anlaß zur Abhaltung eines festlichen Rittes, als ein frommes Bedürfnis zu sein. Trotzdem besteht aber auch dabei ein zwingender Zusammen hang mit Festmesse, Pferdesegnung, ge weihter Maulgabe und dem Umreiten des dem Reiterpatron geweihten Heiligtums.
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