Oberösterreich, 39. Jahrgang, Heft 1, 1989

Der „Sumerauer Schimmel" aus der Reihe der Roßköpfe an der Nordfrcnt des Freilichtmuseums St. Florian-Sameslelten. Foto: Franz Gangl, Linz Links: Anritt mit der Standarte für den Leonhardl-Rltt In Helligenleiten. — Foto: H. G. PrIIIInger, Gmunden sprechend bekannt geworden: die Leonhardi- und Georglritte. So wie sie sich uns präsentieren (gemeint ist der beiden mehr oder weniger auf optische Wirkung angeiegte Abiauf), sind sie allerdings jünger, als vermutet werden kann. Das Motto „Wir reiten wie zu Vaters Zeiten", ist sicherlich gut ge meint, nicht aber stichhältig. Selbst der älte ste Beleg®, der für das Jahr 1529 die Abhal tung eines „Georgirittes" bezeugt, wird eher einen vorsommerlichen Flurritt betreffen. Diesen Hinweis hatte Ernst Burgstaller für Neukirchen bei Lambach erhoben, wo vom „üblichen Umritt am Sonntag nach Georgi" berichtet wird.® Der Lambacher Albert Binna hatte im Band 4 der „Heimatgaue" über die einstigen Pfarr-Ritte in Fischlham, Steinerkir chen und Rettenbach berichtet, die sich aus Fußprozessionen entwickelt hatten. Dort, nämlich in Fischlham, war man 1623 zum erstenmal „um die Pfarre" am Kreuztage (3. Mai) geritten. Dieser volksfromme Felder brauch fiel neben manch anderem den Ein griffen der Aufklärung zum Opfer. Gemessen an dem frühen Datum für einen Pfarritt zum Georgisonntag, wird über die Abhaltung von Leonhardiritten erst auffallend später ge schrieben. Gustav Gugitz nennt in seinen „Wallfahrten Oberösterreichs"'' Termine, die erst im beginnenden 18. Jahrhundert liegen: Geiersberg nach 1700, Neumarkt/Hausruck 1729, ferner Gunskirchen, Raab und eine Rei he anderer Inn- und Hausruckviertier Wall fahrtsstätten, die von den Betern aufgesucht und umritten worden sind. Bemerkenswert scheint uns sein Hinweis, daß sich für den Leonhardskuit die Stifte St. Florian und Kremsmünster sehr eingesetzt, ja „stark ge macht" hätten. Im großen und ganzen er blickt Gugitz in den Wallfahrtsritten „bayri sche Überkommenheiten", die auch eine Reihe anderer, derart unternommener Kulte (Stephans-, Valentln-Schauerfreitagsritte) an geregt und geprägt hatten. Die ältesten unter den Pferdeumritten gab es — wie Gugitz ver mutet — bei den dem hl. Stephanus zuge dachten Kultorten, unter denen er Hartberg bei Buchkirchen im Bezirk Wels erwähnt. Zum dortigen Tännl-Brunnen wallten nicht nur die Augenleidenden, sondern man ritt am Stephanstag dorthin, um auch den Pferden die Augen mit dem heiisamen Wasser zu waschen. Während eine ganze Reihe einstiger, ausnahmsios ländlich-bäuerlicher Rittaniässe und Pferdesegnungen abgekommen sind, wurden und werden andere Gelegenheiten wahrgenommen und entsprechend gestaltet. Hier ist an die vor etwa dreißig Jahren im Lan de ansetzenden Bräuche zum Martinstag oder den zu Nikolaus zu erinnern, die sich je doch durch eher spieierische Formen von den überiieferten Roßprozessionen zu Kult orten deutlich unterschieden. Haben sich einerseits die kalendarisch oder örtlich zu be gründenden Motive verringert, hat sich dem gegenüber die Zahl der Veranstaltungsorte inzwischen mächtig erhöht. Durchwegs han delt es sich dabei um neue Orte, die in keiner lei Verbindung zu den bisherigen LeonhardsStätten stehen. Noch auffallender ist der Neuzuwachs bei den Georgiritten, deren es in Oberösterreich seit mehreren Jahren nicht weniger als 13 gibt. Fast die Hälfte davon Ist im Gebiet zwischen Traun und Enns anzutref fen. Vor allem ist es die auf einer Anhöhe sich erhebende Filialkirche zum hl. Leonhard in Heiiigenleiten bei Rettenbach.® Angeblich sollen bereits um 1860 Bemühun gen unternommen worden sein, einen Ritt zu der Leonhardikirche in Heiligenleiten abzu halten. Doch darüber ist späterhin nichts ver meldet worden.® Die Kirche war 1431 erbaut worden, so daß sich gelegentlich der 500-Jahr-Feier die Möglichkeit anbot, das Fest durch Ritt und Pferdesegnung zu berei chern. Der damalige Pfarrer P. Amilian Mayr hatte dazu die Anregung gegeben und sich einiger oberösterreichischer Vorbilder erin nert. Sein Gedanke fand Anklang und tatkräf tige Mithelfer, so daß bereits der erste Pettenbacher Leonhardiritt 1931 einen be grüßenswerten Neubrauch einleitete. Er wur de auch der bekannteste Leonhardsbrauch, dessen Vorbild andere Orte zur Nachahmung ermunterte. Zwischen 1938 und 1946 war diese Bittprozession zu Pferde dann einge stellt worden. Doch die In den ersten Jahren schon beachteten Momente im Aufbau, Ver lauf und Erscheinungsbild des Rittes sind auch nach der Wiederaufnahme neu aufge griffen worden. So ist für den Pettenbacher Leonhardiritt kennzeichnend der für den „geistlichen Vorreiter" bestimmte Schimmel mit entsprechend ausgewähltem Zaum- und Sattelzeug. Die teilnehmenden bäuerlichen Reiter erscheinen in alter Tracht. Seit 1934 existiert eine eigene Standarte, die eine Dar stellung des Heiligen zeigt. Den Kern des Reiterzuges bilden die rund zwanzig Petten bacher Bewohner auf Norikern und Warmblütlern, aber alljährlich verstärken Reiter gruppen aus Steinbach am Ziehberg, Magdaiena-Schlierbach, Viechtwang, Grü nau und Hofkirchen bei St. Fiorian diesen Zug, der sich von der Pfarrkirche bis zum we nige Kilometer entfernten Heillgenleitenkirchleln bewegt. Zum Vollzug dieses Wallfahrerbrauches ge hört es, daß die Kapelle einmal (früher drei mal) umritten wird und die Rösser ihre „Maul gabe", d. h. geweihtes Brot, erhalten. Früher einmal ist übrigens die Messe im Freien gele sen worden, doch der In letzter Zeit etwas übertrieben und laut geratene Leonhardimarkt nahm Immer mehr einen störenden Einfluß auf diesen Gottesdienst. Früher ein mal soll man auch die Rösser durch die Heili genleitenkirche geführt haben, um sie eines besonderen Segens teilhaftig werden zu las sen. Vermutlich ist das sogar geplant, zumin dest aber dank der breiten Portale begünstigt worden. Die Nachricht über eine solche Ge pflogenheit findet sich allerdings nirgends bestätigt, weil sich auch die oftmals geäußer te Ansicht, der Ritt habe schon in früheren Jahrhunderten stattgefunden, sei aber abge kommen, nicht belegen läßt. Wie oben schon angeführt, war dieser Brauch 1931 als Berei cherung des 500-Jahr-Jubiläums gedacht, damals aber nicht als Dauereinrichtung vor gesehen. Ältere Wallfahrergepflogenheiten sind jedoch bis heute beibehalten worden. Dazu gehört der Gang zu dem unterhalb der Kirche liegenden Leonhardi-Brunnen, den einstmals Graf Engel von Seisenburg hatte errichten lassen. Man netzte dort die Augen mit dem heilsamen Wasser, füllte damit auch die mitgebrachten Flaschen, um daheim das Vieh auf diese Weise mit dem Leonhardi-Segen zu versorgen. An das einstige rege Waiifahrtsleben in Heiiigenieiten, wohin Prozes sionen aus den Pfarren Ried und Kirchham, auch aus Vorchdorf kamen, erinnert immer

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