Das Roß im Brauchtum zwischen IVaun und Enns Rudolf Fochler Auch für das Traunviertel gilt die Tatsache, daß an seiner sich über viele Generationen hinziehenden Rodungs- und Besiediungszeit, wie auch an seinem wirtschaftlichen Auf schwung das Pferd einen entscheidenden Anteil hatte. Ohne den Einsatz dieses natürli chen Potentials an Kraft und Ausdauer wäre es kaum gelungen, allein mit menschlicher Kraft die Felder zu pflügen, Wohnstätten, Ber geräume und Ställe zu bauen; kaum wäre es möglich gewesen, Straßen und Wege anzule gen, auf größere Räume auszugreifen, um Handel zu treiben. Ja selbst die in diesem Zu sammenhang betrachtete Flußschiffahrt war ohne die Mithilfe des Resses nicht denkbar. Kurzum, in allen Belangen des bäuerlichen und bürgerlichen Lebens war man auf diesen stattlichen und klugen Vierbeiner angewie sen. Wenn sich nun im Laufe der Zeiten so mancher Gedanke bei der Pferdehaltung, bei Zucht und Pflege, in Alitagsarbeit und beim Festefeiern sichtbar ausdrückte, wird man nicht gleich nach den Gründen dafür in grau er Vorzeit und Mythologie allein suchen müs sen. Des Menschen Abhängigkeit vom Pferd, sein Wert in doppelter Hinsicht und der Stolz seines Besitzers waren jeweils Grund genug, diesen vielfachen Schatz zu behüten und auch ihm, ebenso wie Haus und Hof und Menschen, einen himmlischen Segen angedeihen zu lassen. Was sich da an Bräuchen, die den Rössern zugedacht sind, erhalten konnte und neuerdings wieder gerne gepflegt wird, das ist es, worauf sich unsere Überle gungen nun beziehen wollen. In früheren Zei ten bestand freilich noch jene beinahe unge trübte, naturnahe Verbindung zwischen Mensch und Pferd; ein Verhältnis, das erst der zunehmend stärker beherrschende Mo tor lockerte. „Mit die Rösser kennst nuh re den, mitn Traktor nimmer!" erklärte mir ein mal einer, bei dem ich mich nach einschlägigem Liedgut erkundigt hatte. Da sang man also noch vom Kutschbock herab und hielt Zwiesprache mit dem „Arbeitskame raden" Pferd. Wenngleich es auch nicht mehr in gleicher Weise sein kann, so scheint es doch, daß man in Stadt und Land bemüht ist, die alte erstrebenswerte Verbindung wieder herzustellen; im Sport wie im Brauch, und da und dort auch an mancherlei Arbeitsplätzen, wo der Wendigkeit des Pferdes noch allemal der Vorzug vor dem PS-protzigen Traktor ge geben wird. Im Vergleich mit früheren Tagen mutet jedoch die gegenwärtige Situation doch nur wie ein schwacher Abglanz an. Das wird einem bei einem Blick auf Daten aus älteren Pferdezählungen^ klar: im Jahr 1890 standen in Oberösterreichs Ställen über 60.000 Rös ser. Der Stand verringerte sich bis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges auf 51.000. Diesen „Prahlriemen" von einem Roßkummet mit Roßkamm. Bestimmt waren die mächtigen Roßgeschirre im allgemeinen für Norikerpferde. Hingewiesen wird auf die Sammlung von Roßgeschirren im Freilichtmuseum St. Fiorian-Samesieiten. — Foto: Franz Gangl, Linz Pferdeschwund hatte der ratternde Traktor verursacht. Wie empfindlich dies vor sich ging, ist gleichfails aus einigen Erhebungs daten zu lesen. Als man gegen Kriegsende im Lande noch rund 57.000 Pferde hielt, be trug damals die Zahl der Traktoren kaum 1900. Dieses Verhältnis hatte sich aber in wenigen Jahren nahezu umgekehrt, denn in den siebziger Jahren standen auf einmal kaum 7000 Pferden schon 76.000 Traktoren gegenüber. Eine gewaltige Veränderung vor wiegend im Bauernland, wo ja das Thema „Roß" einmal die Wünsche und Gespräche der Männer bald restlos in Anspruch genom men hatte! Ihr Interesse ging über den Ver wendungszweck des Pferdes als Arbeitskraft weit hinaus. Neben dem in diesem Zusam menhang immer wieder zu zitierenden Inn viertel, wo man — in bayrischer Nähe — zweifellos eine besonders betonte Vorliebe für Pferdezucht und Pferdehaltung zeigte, be stand auch in anderen Landschaften ein be achtliches Interesse auf diesem Gebiet. Dieses mußte wohl durch die Einrichtung der Miiitärgestüte geweckt worden sein, die zu Maria Theresias Zeiten angeregt und von den Grundherrschaften begünstigt worden waren. So hatte das Stift Kremsmünster schon 1769 eine Stuterei geschaffen. Abgesehen vom Innviertei ließ man sich die Pferdezucht auch in Windischgarsten, in Ischl und Mond see angelegen sein. Zwischen Traun und Enns ist die Zucht allerdings nicht in nen nenswertem Ausmaß betrieben worden, doch eben hier war wiederum der Pferdestand am höchsten. Da wurden zusätzlich zur Bauern arbeit kräftige Hengste und Wallachen für den Gegentrieb der Schiffe auf der Traun ge braucht, was allein schon an die 170 Pferde jeweils erfordert hat. Im oberösterreichischen Mundartwörterbuch^ kommt nun die Vokabel „Pferd" gar nicht vor, man kennt nur das Wort „Roß" (mhd. ros, auch ors, engi. horse, d. i. Streit roß). Wie sehr dieser unabdingbare, vierbei nige Arbeitsgehilfe das Leben der Men schen, ihr Denken und ihre Sprache beherrschte, mag schon aus den Verbindun gen zu Familien- und Ortsnamen geschlos sen werden. Man findet Personennamen wie Roß, Rössle, Resse!, Reßler, Roßmann und andere. Noch häufiger treten Ortsbezeich nungen auf: Roßbach, Roßleiten, Roßalpe, Roßgraben, Roßheid und -lauf, Roßmarkt, -wid, -Walch, -Winkel, -zöge! und Roßberg. Da überrascht es sicherlich nicht, wenn das Roß als Gefährte in Haus und Stall, auf Fel dern und Straßen eben seine besondere Un terstreichung durch Dinge und Bräuche er fährt, wie das kaum einem anderen Nutztier zugedacht wurde. Gerade in dem Gebiet un-
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