Die Herren von (Gieink-)Vöikersdorf in der oberösterreichischen Landesgeschichte Siegfried Haider In der ersten 1863 veröffentlichten Monogra phie über die Herren von Gleink-Volkersdorf — für den zweiten namengebenden, heute amtlich „Volkersdorf" geschriebenen Her kunftsort des Geschlechtes finden sich in den Geschichtsquellen und in den Druckwerken auch die Schreibweisen Volkensdorf, Voickenstorf, Volkenstorf, Volkenstorff, Volchenstorff, Volchensdorf, Volkinstorf, Volchinstorf, Volkerstorf u. ä. — heißt es einlei tend: „Die Geschichte der Herren von Volkensdorf, dieses berühmten Geschlech tes, aus welchem Männer, hervorragend durch Macht und Reichthum, durch Ver wandtschaft mit den edelsten Adelsfamilien Oesterreichs, merkwürdig durch ihren Einfluß auf den Gang der politischen und kirchlichen Verhältnisse von Oesterreich und Salzburg, hervorgingen, verdient ohne Zweifel eine tie fer eingehende Untersuchung." Daß diese Einschätzung heute noch immer Gültigkeit hat, soll die vorliegende geschichtliche Skiz ze zeigen. Der ursprüngliche Stammsitz der Volkersdorfer befand sich in Gleink bei Steyr (heute im Bereich der Stadtgemeinde Steyr). Sie ge hörten zu der Standesgruppe der sogenann ten Dienstleute (Ministerialen) der steirischen Otakare, die seit der Mitte des 11. Jahrhun derts in der Nachfolge der Grafen von Lam bach die ehemalige Kärntner Mark an der mittleren Mur und nachmalig nach ihrer Hauptherrschaft Steyr benannte Steiermark leiteten. Im Dienste der im Laufe des 12. Jahr hunderts zur Landeshoheit gelangten Otaka re, deren Markgrafschaft bekanntlich 1180 zum Herzogtum erhoben wurde, konnten sie ihre Standesqualität aus ursprünglich wohl persönlicher Unfreiheit wesentlich verbes sern. Da sie zu den führenden steirischen bzw. später österreichischen Ministerialenge schlechtern aufstiegen, fanden sie im Zuge der tiefgreifenden sozialen und verfassungs geschichtlichen Veränderungen, die sich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im babenbergischen Donauraum vollzogen, An schluß an die neue politische und herrschaft liche Führungsschichte der Landherren. Als im spätmittelalterlichen Österreich seit dem Ende des 14. Jahrhunderts die vier soge nannten Landstände (Prälaten-, Herren- und Ritterstand, Vertreter der landesfürstlichen Städte) als politisch führende Gruppierungen bzw. als Repräsentanten des Landes in Er scheinung traten, zählten die Herren von Vol kersdorf zum höchsten weltlichen Stand, dem Herrenstand. 1458 erhob Kaiser Fried rich III. die Brüder Georg II. und Hadmar II. ih rer Verdienste wegen zu Reichsfreiherren. Diese Auszeichnung verstärkte das hohe An sehen, das die Volkersdorfer als eines der äl testen Geschlechter des Landes ob der Enns bis zu ihrem Aussterben in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts genossen. Als Ministerialen von Gleink sind die Volkers dorfer seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts urkundlich nachzuweisen. Schon damals müssen sie über nicht unbeträchtlichen Be sitz und eine gewisse Machtposition verfügt haben, da Arnhalm und sein Sohn Bruno 1123 in der Nähe ihres Herrschaftssitzes im Zusammenwirken mit ihrem Oberherrn, dem Markgrafen Leopold I. von Steiermark, sowie mit Bischof Otto I. von Bamberg ein kleines Benediktinerkloster gründeten, das die Rechtsstellung eines bambergischen Eigen klosters erhielt. Als Beweggründe für diese anfänglich bescheidene Stiftung dürften auch religiöse Motive eine Rolle gespielt ha ben, zumal der erste Abt des neuen Klosters Gleink aus dem benachbarten jungkluniazensischen monastischen Reformzentrum Garsten — dessen Abt Berthold I. (1111—1142) wurde später als Heiliger verehrt — berufen wurde. Die weltliche Schutzherr schaft (Vogtei) übten Angehörige der Stifter familie, wahrscheinlich im Auftrag der Otaka re, das heißt der steirischen Markgrafen, aus. Man darf daher annehmen, daß das Kloster Gleink für das gleichnamige steirische Mini sterialengeschlecht die Funktion eines „Hausklosters" mit beispielsweise Gebetsver pflichtung, Grablege und Totengedenken er füllt hat. Um 1160 verlegten die Ministerialen von Gleink vermutlich infolge veränderter Herrschaftsstrukturen ihren Sitz aus der Steyrer Gegend in die Umgebung der auf strebenden otakarischen Marktsiedlung Enns nach Volkersdorf (StG. Enns, zwischen dieser Stadt und dem Markt St. Florian), wo nach sie sich in der Folge stets nannten. Die dort neuerrichtete Burg bildete ein Machtzen trum, das bald nicht nur auf Besitz-, sondern wohl mehr noch auf Gerichtsrechten beruht haben dürfte. Denn nach dem Aussterben der Herren von Perg, der Vögte des Stiftes St. Florian (1191), und der Herzöge von Steier mark aus dem Geschlecht der Otakare sowie deren Beerbung durch die österreichischen Babenberger (1192) begegnen uns die steiri schen Ministerialen von Volkersdorf am Be ginn des 13. Jahrhunderts als Inhaber von Gerichtsbarkeit, die sie über den Domvogt Otto von Lengenbach mittelbar von den ba benbergischen Herzögen von Österreich und (seit 1192 in der Nachfolge der Otakare auch von Steiermark) zu Lehen trugen. Spätestens in der Regierungszeit des letzten Babenber gers Herzog Friedrichs II. des Streitbaren (1230—1246) dürften die Volkersdorfer mit den meisten anderen steirischen Ministeria lengeschlechtern des Raumes zwischen Hausruck und Enns um 1236/39 aus politi schen Gründen den steirischen Landesver band, zu dem sie sich bisher bekannt hatten, verlassen und sich für immer dem Land (Her zogtum) Österreich angeschlossen haben. Als nach dem Tode Herzog Friedrichs II. in der Zeit des österreichischen Interregnums im Bereich des heutigen Oberösterreich mehrere festumrissene (sogenannte niedere bzw. untere) Landgerichte (Blutgerichts sprengel) entstanden, vermochten sich die Herren von Volkersdorf als Inhaber des Land gerichtes zwischen Traun und Enns zu be haupten. In dieser Stellung gerieten sie wie andere Adelige auch mit der Politik des neuen öster reichischen Landesherrn König Ottokar II. PfemysI (seit 1251) in Konflikt, da dieser im allgemeinen Klöster, Stifte und Städte auf Ko sten des Adels förderte. Im besonderen hat ten vor allem die Gerichts- und Vogteirechte der Volkersdorfer bereits unter den letzten Babenbergern seit dem Anfang des 13. Jahr hunderts eine ständige Beeinträchtigung er fahren, die es z. B. den im Volkersdorfer Ein flußbereich gelegenen Benediktinerklöstern Gleink, Garsten und Kremsmünster sowie dem Augustinerchorherrenstift St. Florian er möglichten, adelige Zwischeninstanzen aus zuschalten und sich dem unmittelbaren Schutz des Landesfürsten zu unterstellen. Die diesbezüglichen Auseinandersetzungen und Streitigkeiten der Volkersdorfer mit den geistlichen Gemeinschaften, die sich im 13. Jahrhundert in einer ganzen Reihe von Fäl len zur Untermauerung ihrer Rechtsstellung und ihrer Ansprüche des Mittels der Urkun denfälschung bedienten, zogen sich bis in das 14., vereinzelt sogar noch bis in das 16. Jahrhundert hin, endeten aber überall mit einem Sieg des Klosters bzw. des Landesfür sten und des von diesem unterstützten Hauptmannes ob der Enns. Die im Zuge dieses allmählichen Prozesses der soge nannten Entvogtung aufgestauten Spannun gen entluden sich allerdings bereits im Jahre 1255, nachdem König Ottokar II. auch noch das Landgericht der Volkersdorfer dadurch verkleinert hatte, daß er den landesfürstli chen Verwaltungssprengel (Amt) von (Bad) Hall aus dem Landgericht zwischen Traun und Enns herausgelöst und demjenigen der landesfürstlichen Herrschaft Steyr angeglie dert hatte. Am 6. Februar 1255 ermordete nämlich der Landrichter Ortolf II. von Volkers dorf im Speisesaal des Stiftes St. Florian den für die Durchführung der Umorganisation verantwortlichen landesfürstlichen Schreiber von Enns Witigo mit einem Messer und mit seinem Schwert und löste mit dieser Bluttat für sein Geschlecht eine Katastrophe aus, in die aus unbekannten Gründen auch sein Schwager Otto IV. von Rohr hineingezogen wurde. Ortolf II., dessen Bruder Dietrich I. 21
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