Oberösterreich, 39. Jahrgang, Heft 1, 1989

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Inhaltsverzeichnis Schwerpunktthema Zwischen Traun und Enns Prof. Helga LItschel Land und Leute zwischen Traun und Enns 2 Dr. Hannes Etzelstorfer Abt Maximilian Rag! und die Lambacher Klosterlandschaft 9 Dr. Siegfried Haider Die Herren von (Gleink-) Volkersdorf in der oberösterreichischen Landesgeschichte 21 Kari Pangerl Erinnerung an die Traunschiffahrt 33 Dr. Georg Wacha St. Adalbero — sein Grab in Lambach und Epigramme von Konrad Celtis für Oberösterreich 43 Dr. Norbert von Handei Almegg — einst und jetzt 47 Dr. Rudolf Fochler Das Roß im Brauchtum zwischen Traun und Enns 55 Prof. Wolfgang Sperner Wirtschaftsperspektiven des Traunviertels 63 Friedrich Thoma Stuckdecken in Vierkanthöfen des Traunviertels 71 Kunst der Gegenwart Dr. Johann Sturm Die Galerie am Tanglberg in Vorchdorf 77 Oberösterreich aktuell Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck Die Landesausstellungen als Faktor der oberösterreichischen Kulturpolitik 81 Mag. Manfred Mohr Die Botschaft der Graphik — Die OÖ. Landesausstellung 1989 anläßlich 900 Jahre Klosterkirche Lambach 82 Umschlagmotiv: Flußkarte der Traun, Ausschnitt mit Traunkirchen, Salzburger Museum C. A., Inv. Nr. SMCA 238/67. Die Datierung dieser Flußkarte ist schwierig. Die gesamte Darstellung weist in das 17. Jahrhundert, doch ist z. B. im Ab schnitt Hallstätter See der erst 1757 errichtete Gosauzwang eingezeichnet. Dr. F. C. Lipp verdanken wir aber den Hinweis, daß früher oft in alte Karten neue Bauwerke eingezeich net worden sind. Allgemeine Datierung für diese Flußkarte: 17./18. Jahrhundert. Foto: Salzburger Museum C. A. Gestaltung: Herbert Friedl Autoren Heft 1/1989 Dr. Hannes Etzlstorfer, Wien Kunsthistoriker Dr. Rudolf Fochler, Linz Professor, Konsulent der OÖ. Landesregierung Dr. Siegfried Haider, Linz Oberarchivrat, Universitätsprofessor Dr. Norbert v. Handel, Steinerkirchen/Traun Gutsbetrieb Almegg, Kulturforum Schloß Almegg Helga Litschel, Linz Professor, Konsulent der oö. Landesregie rung, Pressereferat der oberösterreichischen Landesausstellungen Mag. Manfred Mohr, Linz Wirkl. Hofrat, Leiter der Kulturabteilung des Amtes der oö. Landesregierung Karl Pangerl, Vöcklabruck Hauptschullehrer, Kulturjournalist Dr. Josef Ratzenböck, Linz Landeshauptmann von Oberösterreich Wolfgang Sperner, Linz Professor, Chefredakter-Stellvertreter „Neues Volksblatt" Dr. Johann Sturm, Linz Hofrat, Pädagogisches Institut des Bundes in Oberösterreich, Abt. ARS Friedrich Thoma, Bad Hall Fachinspektor i. R., Konsulent der oö. Lan desregierung Dr. Georg Wacha, Linz Senatsrat, Direktor des Museums der Stadt Linz Nordico Kulturzeitschrift Oberösterreich 39. Jahrgang, Heft 1/1989 Vierteljahresschrift: Kunst, Geschichte, Fremdenverkehr Erscheinungstermine: März, Juni, September, Dezember. Medieninhaber (Verleger), Herausgeber und Hersteller: LANDESVERLAG Gesellschaft m.b.H. A-4020 Linz, Hafenstraße 1—3. Telefon 0 73 2/27 81 21 ISSN 0253-7435 Bankverbindung: Raiffeisenzentrale Linz 7-01.032.697 Redaktion: Dr. Otto Wutzel, Dr. Elfriede Wutzel, A-4020 Linz, Hafenstraße 1—3. Jahresabonnement (4 Hefte): S 396.—; Einzelverkaufspreis: S 110.— (Alle Preise inkl. 10 % MWSt.) Schwerpunktthema Heft 2/1989 Salzbu rg/Salzkam merg ut Kuiturnotizen Bücherecke 89 91

Mit dem Schwerpunktthema „Zwischen Traun und Enns" stellt sich die Schriftleitung von „Oberösterreich" auch heuer wieder In den Dienst einer oberösterreichischen Lan desausstellung. Das Heft Ist als Ergänzung zur Ausstellungsthematik konzipiert. Die Aus stellungsbesucher sollen über charakteristi sche kulturelle Merkmale dieser Landschaft Informiert werden. Bewußt wurde die Be zeichnung „Traunviertel" vermieden. Das Be nediktinerkloster Lambach liegt wohl Im Her zen des Traunviertels, doch hätte eine Einbeziehung des Salzkammergutes als Landschaftsregion des Inneren Traungaues zu einer redaktionell nicht vertretbaren Um fangerweiterung geführt. Redaktionelles Ziel dieses Heftes Ist es, dieses „Kerngebiet" Oberösterelchs In einer möglichst bunten Vielfalt darzustellen, zu einem Besuch anzuregen, gewonnene Ein drücke zu vertiefen. Ii Deckfarbenminiatur aus dem Rotelbuch, Handschrift 321 In der Stiftsblbllothek Lambach. Darstellung: In der Bildmitte die Muttergottes mit Jesuskind, links kniend der hl. Adalbero, geleitet vom hl. Kilian (stehend), mit 4 männlichen Mitgliedern seiner Familie, rechts kniend 4 weibliche Mitglieder der Familie des Klostergründers. Im Hintergrund Stiftsansicht aus der Zelt vor 1639 (Kirchtürme noch mit Satteldach). — Foto: DIözesanblbllothek Linz, Erich Widder

Land und Leute zwischen IVaun und Enns Helga LItschel Beginnen wir beim „Land". Vertrauensvoll wendet man sich an den Band „Oberöster reich und Salzburg" des Standardwerkes „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild", das weiland „seine kaiserliche und königliche Hoheit, der durchlauchtigste Kronprinz Erzherzog Rudolf", konzipiert und tatkräftigst unterstützt hat und das mit 24 Bänden schon zu seinen Lebzeiten das „Kronprinzenwerk" genannt wurde. Rudolf hatte sich der angesehensten und kompeten testen Mitarbeiter versichert. Für die land schaftliche Schilderung gewann er Adolf Dürrnberger, der das Gebiet der Steyr und das Donautal beschrieb, das Mühlviertel und die Hügelregion südlich der Donau vertraute er Hans Gommenda an, das obere Traungebiet schilderte Friedrich Simony. Was wissen diese profunden Kenner über das Land zwischen Traun und Enns zu be richten? Sie konzentrierten sich vornehmlich auf die großartigen Landstriche, auf die Wun derwelt des Toten Gebirges, auf das Dach steinmassiv und das gesamte Saizkammergut, sowie auf die burgenbewehrten Ufer der Donau. Vom wahren Kernland Oberöster reichs, der Traun-Enns-Platte, erfährt der Le ser wenig, und was er erfährt, ist überspan nen von romantischer Verklärung: So rät der Cicerone, „das untere Ende der Traunebene mit der Kremsthalbahn in raschem Fluge zu durcheilen", die „mächtige Abtei Kremsmün ster" dabei zu grüßen. Das weite Tal von Kirchdorf und Micheldorf hingegen hat es dem Passagier der Kremstalbahn besonders angetan: die Ebene ist reich bebaut, Obstgärten wechseln mit Getreidefeldern und Wiesen, Eichen und Linden, ein Hauptschmuck des Thaies, überragen allent halben die Flur, und aus dem grünen Gewoge blinken die stattlichen Häuser der beiden Nachbarorte, sowie die zahlreichen Sen senschmieden an der Krems freundiich her vor; vom linksseitigen Berghange dräut die Felsenburg Alt-Pernstein herab, und im Hin tergrund schließt ein grün überwachsener Doiomitkegel, dessen Gipfel ein uraltes Kirchlein krönt, der Georgenberg, das Thal".

Links unten: Blick in das Kremstai — in „das weite Tal von Kirchdorf und Miecheidorf". Am äußersten linken Bildrand das Zisterzienserstift Schiierbach, in der oberen Bildmitte Kirchdorf und Micheidorf, im Hintergrund die Bergweit des Kremstaies und des Windischgarstener Beckens. — Foto; Gerhard Aigner, Linz. Luftaufnahme freigegeben vom BMLV mitZi. 13083/190 — 1. 6./87 Rechts: „Die mächtige Abtei Kremsmünster" — Oberösterreich „kiösterreich", vor allem im Traunviertei. — Foto: Gerhard Aigner, Linz. Luftaufnahme freigegeben vom BMLV mit Zi. 13080/318 — 1. 6./82 Die Wirklichkeit freilich präsentierte sich in den Tälern der Enns, Steyr und der Krems nicht ganz so rosig. Die Obstgärten und sat ten Felder gehörten in der Mehrzahl wenigen Geschlechtern, den Hammerherren, die den Ton angaben und über internationale Han delsbeziehungen verfügten. Den Alltag der meisten Talbewohner bestimmte das Karge, ja sogar die Armut. Die Losensteiner Na gelschmiede oder die Arbeiter in den Sen senhämmern um Micheidorf schufteten bis zu 15 Stunden am Tag und waren dennoch kaum in der Lage, Frau und Kinder zu ernäh ren. Die soziale Struktur änderte sich oft von Poststation zu Poststation. Einig war man sich nur hinsichtlich der Wallfahrten, da gab es keine Rangunterschiede. Auch der gering ste Taglöhner durfte mitziehen nach Adiwang und St. Blasien, nach Maria Neustift und Christkindl bei Steyr. Anders stellte sich die Situation in der Welser Heide, im Linzer Becken oder gar im Floria ner Land dar. Auch über sie weiß das „Kron prinzenwerk" zu berichten, wenngieich eher lapidar; „Ein alter Kanal führt die Saizschiffe pfeilschnell am wilden Fall (Traunfall) vorbei hinab gegen Kloster Lambach, wo die durch die Ager verstärkte Traun in eine kleine Allu vialebene tritt, welche den Namen Welser Heide führt. Hier war vom uralten Wels ab wärts noch vor hundert Jahren" — mittler weile sind es schon deren zweihundert — „ein ödes Steinfeld, Alpenschutt, den die Traun hier ausbreitete. Rastloser Fleiß hat es jedoch in Gulturland umgewandelt, Föhren gehölz, Felder mit Buchweizen und Kartoffeln trägt die dünne Erdkrume. Oberhalb von Hörsching geht die Heide in das fruchtbare Lin zer Becken über, südlich der Traun lugen über die Terrasse, welche es abschließt, die Thürme von St. Florian." Soweit, so kurz und bündig. Kein Wort vom Zauber der Auen entlang der Traun und der Donau, in denen noch in unserem Jahrhun dert Hirsche, Rehe und Fasane gejagt wurden, kein Wort über die Fruchtbarkeit des Flo rianer Ländchens mit seinen sanften Hügeln, auf deren Kuppen jene imposanten Vierkan ter thronen, die schon im Biedermeier die Reiseschriftsteller zum Vergleich mit Schlös sern anregten. Selbst heute, da die Auen auf weiten Strecken Industriebauten weichen mußten und manch stolzer Bauernhof zwi schen den Neubauten der Pendier zu ver schwinden droht, bietet sich von den Aus sichtspunkten, etwa vom Damberg bei Steyr, von Kirchberg bei Kremsmünster oder vom Magdalenaberg bei Pettenbach ein Panora ma, das das Herz höher schlagen läßt. Mit den Namen St. Florian und Kremsmün ster klingen die Stifte an. Und obwohl die älte ste Klosteranlage Oberösterreichs in der Agi lolfingergründung Mondsee zu finden ist, gilt der Zentralraum zwischen Traun und Enns doch als das eigentliche Land der Klöster. Allein von den heute bestehenden acht Stif ten im Land ob der Enns birgt er deren fünf: Kremsmünster, St. Florian, Lambach, Schlierbach und Wilhering. Sie alle waren von den josefinischen Reformen arg bedroht, aber es gelang doch, das Schwerste zu über winden. Garsten, Gleink und das Koliegiatstift Spital am Pyhrn fielen der Klosteraufhe bung zum Opfer, obwohl gerade Garsten ein geistiges und geistliches Zentrum von hohem Wert fixierte. Die Vormachtstellung liegt eindeutig bei Kremsmünster, manifestiert durch seinen er sten Rang im Prälatenstand und bestimmt durch seine Geschichte, die 777 mit Herzog Tassilo IM. beginnt und weitgehend die Ge schichte Oberösterreichs widerspiegelt. Überdies gilt Kremsmünster als ein Hort des Humanismus, die Lehranstait der Kremsmünsterer Benediktiner —1549 aus der alten Lateinschule geformt — genießt weit über die Grenzen Oberösterreichs hinaus den besten Ruf. Gleichermaßen der Gelehrsamkeit und den wissenschaftiichen Disziplinen seit Jahr hunderten aufs engste verbunden ist St. Flo rian, das zudem dank Anton Bruckner in Eu ropa und darüber hinaus Wertschätzung erfährt. Neben Kremsmünster bemühen sich um Erziehung und Unterricht die Benedikti ner zu Lambach und die Zisterzienser in Wilhering und Schlierbach, wo man es außer dem verstanden hat, in der Glasmalereiwerkstätte die Tradition des sakralen Kunsthand werks mit neuer Technik zu beleben. Als die Klöster dem Raum zwischen Traun und Enns ihren Stempel aufzudrücken be gannen, hatte das Land bereits eine beachtli che Entwicklung hinter sich: Die Kelten sie delten hier und gaben ihren Ansitzen Namen, die noch in den Bezeichnungen von heute fortwirken, mit der Kultur der Hallstattzeit rückte das Land erstmals ins Schlaglicht der Geschichte, und als die Römer in Ufernorikum einzogen, fanden sie eine Bevölkerung von hochstehender Kultur vor. Mit den Römern wurde die Donau zur Gren ze, beschützt vom Limes, an dem zahlreiche Lager, Kastelle und Wachttürme entstanden. Zum bedeutendsten militärischen Stützpunkt wurde Lauriacum, in dem die legio II Italica als „erstes oberösterreichisches Hausregi ment" durch Jahrhunderte garnisonierte.

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Links: Die Hügellandschaft zwischen Steyrtal und Kremstai. Im Bild die Linie Untergrünburg Wagenhub — Oberschlierbach. — Foto: Gerhard Aigner, Linz. Luftaufnahme freigegeben vom BMLV mit Zi. 13088/795 — 1. 6./87 Links unten: Die Traun oberhalb von Weis. — Foto: Gerhard Aigner, Linz. Luftaufnahme freigegeben vom BMLV mit Zi. 13083/216 — 1. 6./88 Unten: Das Ennstal zwischen Ternberg und Garsten. — Foto: Gerhard Aigner, Linz. Luftaufnahme freigegeben vom BMLV mit Zi. 13083/177 — 1. 6./87 Eine nicht minder hervorragende Stellung nahm während der Römerzeit Ovilava-Weis als Handels- und Verwaltungszentrum ein, Lentia-Linz hingegen verharrte damals noch in vergleichsweise bescheidener Position als Standort von Milizformationen. Das frühe Christentum manifestierte sich in der Gestalt des Florianus, der während der Diokletianischen Christenverfolgung im Jah re 304 in der Enns den Martyrertod erlitt. Mit ihm starben vierzig Gefährten. Ihre Gebeine ruhen nun im Altar der Basilika zu EnnsLorch. Mit diesem einzigartigen Kultkontinuum ist ein zweiter Heiliger verbunden. In den Wirren der späten Römerzeit und der Völker wanderung wirkte in Lorch-Lauriacum nach weislich der hl. Severin, der in der von Fein den bedrohten und zum Teil zerstörten Stadt ein gewaltiges Auffanglager einrichtete und der zum geistlichen und weltlichen Führer und Beschützer der romanischen Bevölke rung wurde. Das Land zwischen Traun und Enns tritt uns in der Folge als Teil des Traungaues entge gen, und Namen wie Raffelstetten — wo mit dem Zollweistum zwischen 903 und 905 das älteste erhaltene Wirtschaftsdokument Österreichs abgefaßt wurde —, Lambach, Steyr und Enns machen nachdrücklich auf die gewichtige Rolle aufmerksam, die diesem Gebiet beim Werden des Landes Oberöster reich zukommt. Die Grafen von LambachWels — erstmals faßbar durch Arnold in einem Vertrag von 992/993 — konnten ihren Einflußbereich bis über die Karantanische Mark hinaus ausdehnen, ihre Herrschafts nachfolger, die Otakare, nannten sich nach ihrer Burg „von Steyr", und die Georgenberger Handfeste, abgeschlossen auf dem Geor genberg von Enns 1186 zwischen dem steieri schen Otakar iV. und dem Babenberger Leopold V., schuf die Voraussetzung für eine Vereinigung der Herzogtümer Steiermark und Österreich. Von da an teilte das Land zwischen Traun und Enns das Geschick mit dem übrigen Ober österreich. Von der Blüte des Mittelalters, das der Eisenstadt Steyr eine für die damalige Zeit weltweite Bedeutung bescherte, über die Religionsfehden und Bauernkriege bis zu Gegenreformation und kirchlicher Erneue rung, als der Barock mit der ihm innewohnen den Kraft und Macht vor allem den Zentral raum Oberösterreichs zum „Barockland" formte. Das ist es den vielen Einbußen zum Trotz bis heute geblieben. Die barocke Lebensiust, das sich Entäußern, die Freude am Schönen, an den Genüssen des Lebens — eine wohlbestellte Tafel nicht ausgenommen —, das alles war eben dem Oberösterreicher wie auf den Leib geschneidert und fand sei nen sichtbarsten Ausdruck in der Kunst. Freilich: Das Künstlerische fiel in Oberöster reich stets auf einen guten, Frucht tragenden Boden, vorwiegend im Landstrich zwischen der Traun und der Enns. Von der Romanik hat sich nicht viel erhalten; für sie zeugen vor allem die großartigen Fresken in der Stiftskir che von Lambach aus dem 11. Jahrhundert, das eindrucksvolle Rundbogentor, das in Wilhering überrascht, und die Linzer Martinskir che. Die Gotik hingegen blieb weitgehend

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Seite 6: Aus dem sogenannten „Kronprinzenwerk": Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Band Oberösterreich und Salzburg, Wien 1889, Abbildung auf Seite 123: „Bauer und Bäuerin aus der Gegend von Kremsmünster", Chromozinkographie von 0. Angerer & Göschl nach einem Kostümbild von Josef Fux. Foto: Franz Gangl, Linz Links: Porträt .P Maurus Lindemayr — „Vater der oberösterreichischen Mundartdichtung" (1723—1783) nach einer Abbildung auf Seite 175 im sogenannten „Kronprinzenwerk", Zeichnung von Johann Klaus nach einem Ölgemälde Im Stift Lambach. — Foto: Franz Gangl, Linz präsent und kann mit solchen Meisterwerken aufwarten wie mit den Madonnenplastiken zu Frauenstein, Inzersdorf und Schlierbach, mit den im Bannkreis von Kremsmünster gelege nen Filialkirchen von Weigersdorf und Ober rohr, mit der Ausmalung des Gotteshauses zu St. Leonhard bei Pucking und schließlich mit dem „Dom" zu Steyr und dem „Bummerl haus", das unter die schönsten und stilrein sten Profanbauten der Gotik in Österreich ge reiht werden kann. Für den Renaissancestil seien — um nur zwei Beispiele zu nennen — der stolze Stadtturm von Enns und das Mar morportal des Landhauses in Linz vermerkt. Doch all dieses Bauen, Malen und Schnitzen wurde von der stürmischen Woge des Ba rocks überflutet, die zuerst die Klöster erfaß te, dann den Adel und das Bürgertum. Be schreibungen und Berichte sparen nicht mit Superlativen: So wird etwa das Stift St. Flo rian den „glänzendsten Leistungen des öster reichischen Barocks" zugezählt, die Ausstat tung der Schlierbacher Klosterkirche kommt einer „Apotheose des Barocks" gleich, und die Innengestaltung der Wilheringer Stiftskir che bezeichnet man als „hervorragendsten kirchlichen Raum des späten Barocks und reifen Rokokos zwischen den Alpen und dem Main". Daneben blitzen — künstlerisch nicht minder bedeutsam — profane Bauten auf: das Rathaus von Steyr, das Jagdschloß Ho henbrunn bei St. Florian, die Fassaden am Welser Stadtplatz. Ein barockes Kunstwerk von ganz besonderer Art steht in Paura bei Lambach: Das kleine Gotteshaus wurde aus dem Gedanken der Dreifaltigkeit geformt, und so bestimmt die Dreizahl alles und jedes, die Türme, die Altäre, die Orgeln und die Tore. Ebenso wie es sich dem Barock willig öffnete, war das Land auch offen für Einflüsse ande rer Art. Es war eben wie ein Tor, durch das seit der Römerzeit Freund und Feind zogen — freudig begrüßt der eine, Leid und Opfer for dernd der andere. So richtete der Österreichi sche Erbfolgekrieg im Land zwischen Enns und Traun arge Schäden an, und die Einfälle der Franzosen 1800, 1805 und 1809 trieben es an den Rand der Katastrophe. Trotzdem und selbst trotz des Bombenhagels zu Ende des Zweiten Weltkrieges hat das Land seinen barocken Charakter bewahrt. Und der Mensch? Betrachtet man das „Costümbild" im schon zitierten „Kronprinzen werk", das ein bäuerliches Paar aus der Ge gend von Kremsmünster darstellt, vermeint man den barocken Überschwang trotz bie dermeierlich hochgezogener Taille und modi schem Zylinder zu spüren. Tatsächlich konn te sich der Traunviertler die sichtliche Freude an den Genüssen des Lebens, dieses „Ich schwing mich über mich hinaus" in eine Zeit hinüberretten, die ihm Entbehrungen und schwere Bürden bescherte. Dem Barock verpflichtet sind auch einige Künstlerpersönlichkeiten, die aus dem Land zwischen Traun und Enns stammen. Allen voran ist hier Johann Beer zu nennen. Den Gastwirtssohn aus St. Georgen im Attergau, der lange Zeit lediglich als Komponist ge schätzt wurde, stellen Literaturwissenschaf ter heute gleichberechtigt neben Christoph von Grimmelshausen. Beer hatte in Lambach die Schule besucht und mußte als protestanti scher Flüchtling sein Glück in Deutschland suchen. Er wurde aber nie müde, sein ba rockes Heimatland in seinen Romanen zu preisen. Mit Lambach sind noch zwei Künst ler zu nennen: Maurus Lindemayr und Kolo man Feiner, Pater Maurus Lindemayr wurde zum „Vater der oberösterreichischen Mund artdichtung" und vollzog in seinen Werken den Übergang zum neuen Volksspiel. Kolo man Feiner bildete sich zu einem vorzügli chen Kupferstecher und Lithographen aus und wurde zum Begründer der berühmten Lambacher Kupferstichsammlung und der Gemäldegalerie. Als Marginal sei vermerkt, daß Pater Koloman 1809 ein Attentat auf Na poleon verhinderte. Die größte künstlerische Persönlichkeit, die das Traunviertel bis jetzt hervorgebracht hat, ist zweifellos Anton Bruckner. Der Schulmelstersohn aus Ansfelden wurde freilich erst in Wien zu dem, was die musikalische Welt an ihm schätzt, doch entfaltete sich das Genie Bruckner bereits in Linz, überprüfbar durch drei Sinfonien und durch die d-Moll-Messe. Anton Bruckner hat seine Heimat nie verges sen, die Melodien des Florianer Landes flös sen In seine Themen ein, und fast jeden Som mer kam er in „sein" Stift St. Florian, nach seinem Tode endgültig, um im Sarkophag un ter der geliebten „Chrismannin" zu ruhen, jener Orgel, die ihm Wegbereiterin und Köni gin war. Barocke Züge, zumindest was Auftreten und Baulust angeht, sind auch jenem Mann nicht abzusprechen, welcher der vielleicht größte Wirtschaftsführer des alten Österreich war: Josef Werndl. Er erblickte 1831 in Steyr das Licht der Welt und formte aus dem beschei denen Betrieb seines Vaters eine Waffenfa brik, in der er zeitweise bis zu 100.000 Ar beitskräfte beschäftigte und mit der es gelang, den Ruf, den Steyr als Elsenmetropo le im Mittelalter genoß, zu erneuern. Die Steyrer Waffenfabrik, die Textilindustrie in Linz oder die Hämmer in der „Eisenwurzen" konnten das Porträt vom Bauernland, das der Raum zwischen Traun und Enns bot, kaum berühren. Bis etwa zur Mitte unseres Jahr hunderts dominierte die Landwirtschaft. In den letzten Jahrzehnten veränderte sich die Situation, das Bäuerliche rückte in den Hin tergrund, das Land präsentiert sich heute als ein krisenanfälliger Industriebezirk, der aller dings noch immer tief mit dem Agrarischen verwurzelt ist. Und die Leute? Auch sie haben sich gewan delt. Der erste Einbruch in eine wohlgeordne te, wenngleich kleinbürgerliche Welt erfolgte ab 1938, als zahlreiche Techniker und vor allem Soldaten aus dem Westen — Preußen, Franken, Hessen, Bayern — kamen, blieben

O &fWm 'S fe K-H\^ \. 'i'fliV ^ y^« " w r ^ - Romantische Ansicht eines Großbauernhofes aus der Gegend von Bad Hall nach einer Zeichnung im sogenannten „Kronprinzenwerk" — Foto: Franz Gangl, Linz und hier siedelten. Die zweite Welle brandete 1944 heran. Diesmal aus dem Osten. Trecks aus dem Banat, aus Siebenbürgen, der Bu kowina und aus der Batschka ratterten über die Straßen Oberösterreichs, eine Welle des Leides und des Unglücks. In einer dritten Welle strömten ab 1945 Wiener und Nieder österreicher in den „Goldenen Westen" und suchten Arbeit und Heimat in einem Gebiet, das ihnen bis dahin lediglich als Sommerfri sche bekannt war. Sie alle haben die Men schen im Kernland Oberösterreichs mitge prägt, sie haben aber auch wertvolle Impulse von ihnen erhalten. Heute fällt es zuweilen schon schwer, einen Hausruckviertier von einem Traunviertler zu unterscheiden, ihre vordem unverwechselba re Mundart ist einer eher undefinierbaren Umgangssprache gewichen. Trotzdem: Das Gewachsene, die Tradition lebt weiter fort, es manifestiert sich in den liebevoll gepflegten Schätzen der Heimathäuser und Sammlun gen, in Brauchtumspflege durch Heimat- und Trachtenvereine, in Festbräuchen wie Leonhardiritt oder Maibaumsetzen, und manche Traunviertlerin, die zur feierlichen „Aus rückung" stolz ihre Goldhaubentracht anlegt, denkt kaum noch daran, daß man ihre Groß eltern einst „Volksdeutsche" nannte. So ist das Land zwischen Traun und Enns durch alle Epochen das geblieben, was es schon immer war: wandelbar und aufnahmebereit und im besten Sinn des Wortes konservativ.

Abt Maximilian Pagi und die Lambacher Kiosteriandschaft Hannes Etzlstorfer Als Klosterlandschaft verstehen wir gemein hin einen klar begrenzbaren Kulturraum, wel cher sich kontinuierlich um ein dominieren des Kloster gebildet hat und auf verschiedenen Ebenen (besonders auf seelsorgiicher, kultureller und wirtschaftlicher) mit diesem zu einer Einheit verschmolzen ist. Demzufolge manifestiert sich beispielsweise auch der Barock in den Landstiften weit über die jeweilige Klosterkirche hinaus, die entwe der barockisiert oder im barocken Stil neu er richtet wurde. Der Lambacher Abt Maximilian Pagl, dem wir diese Skizze aus Anlaß der heurigen oö. Landesausstellung widmen, entwickelte in seiner Regierungszeit ein künstlerisch höchst anspruchsvolles Bau schaffen, das Stift und Klosterlandschaft nobilitierte. Es gilt deshalb die Persönlichkeit Pagls in das weite Spektrum barocker Bau herren Österreichs zu integrieren, um so die Leistungen dieses Lambacher Abtes auch als bedeutenden Beitrag zum österreichi schen Barock würdigen zu können. Paura, Dreifaltigkeitskirche Ausschnitt vom Altargemälde Martine Altomontes im Gott-Vater-Altar. Im Vordergrund rechts kniet Abt Maximilian Pagl, zur Dreifaltigkeit aufblickend (in diesem Bildausschnitt nicht sichtbar), zeigt er den entrollten Grundriß der Paurakirche. Im Hintergrund Darstellung von Stift Lambach von der Traunseite. — Foto: Hofstetter Dia, Ried 1. Innkreis Bevor wir uns den wichtigsten Bauaufgaben Abt Pagls zuwenden, möchten wir den Kir chenfürsten kurz vorstellen. Johannes (so sein ursprünglicher Vorname) wurde am 21. Mai 1668 in Stadl-Paura als Sohn des Zillen hüters Balthasar Pagl geboren. Er trat in das nahe gelegene Benediktinerstift Lambach ein und nahm dabei den Ordensnamen Maxi milian an. Im Jahre 1705 wurde Pagl zum 44. Lambacher Abt gewählt. Innerhalb seiner Amtsperiode (1705—1725) erlebte das Stift einen außerordentlich kühnen Aufschwung, der sich am offenkundigsten an den zahlrei chen Neubauten ablesen läßt. Der sogenann te „Bauwurmb", der zu dieser Zeit ganz Öster reich erfaßte und weder durch kaiserliche Bauverbote (1715) noch durch finanzielle Pro bleme gebremst werden konnte, hatte also auch den Lambacher Abt erreicht. Wie schon andernorts, müssen wir aber auch im Falle Lambach die Hauptursachen für die mit exor bitanten Kosten verbundene Baufreude in er ster Linie im Seibstverständnis der Stifte su-

mmmm i-f mm chen (nicht ganz frei von Prunksucht, gerie ten die Bauprälaten oft in Wettstreit in Hin blick auf den künstlerischen Aufwand, der die baulichen Unternehmungen begleitete). Die barocken Bauprälaten Österreichs ent stammten primär bäueriichen und bürgerli chen Schichten und bewältigten erst durch ihre teilweise steilen Karrieren den soziaien Aufstieg von Untertanen zu Standesherren und höchsten Staatsämtern. Sichtbare Zei chen einer derartigen psychosozialen Situa tion stellten nicht selten Großbauten dar, die letztiich auch in Kompensation äußerer Män gel (meist die Frage der Herkunft) der Ver herrlichung des Bauherren dienten. Die Wur zeln dieses Denkens reichen ins 17. Jahrhundert zurück und berühren das Pro blem des Übermaßes an Schein bzw. die Schwäche des Seins. So gilt auch noch für Abt Maximilian Pagl, was schon der spani sche Jesuit Baithazar Graciän (1601—1658) seiner Epoche attestierte; „Höchste Weisheit besteht aus der Kunst zu scheinen. Ein biß chen Prahierei ist besser als viel versteckte Wirklichkeit".'' Zu den frühesten baulichen Unternehmun gen Pagls zählt die Errichtung des Kloster nordtraktes. Laut Rechnung vom 20. Dezem ber 1705 erhielt der Baumeister Carlo Antonio Carlone 12 fl. für zwei Risse zum geplanten Bau. Zwischen 1706 und 1707 wurde dann am Ausbau der Flügel an der Nord- und Südseite des hiedurch abgeschlossenen Konventgar tens gearbeitet. Im Nordtrakt wurden das Sommerrefektorium (Speisesaal) und das so genannte Ambulatorium (Sprechzimmer, bei der Erbauung als „Recreations-Zimmer" be zeichnet) untergebracht. Beim Sommerspei sesaal handelt es sich um einen langrecht eckigen Saal, der sich über zwei Stockwerke erstreckt, mit einer flachen Korbbogentonne eingewölbt und an den Längsseiten in je fünf Fensterachsen gegliedert ist. Die Fresken Wolfgang Andreas Heindls (1693—1757) so wie die Stuckarbeiten Diego Francesco Garlones (1674—1750) tragen ganz zur Wirkung dieses Raumes bei (der Prunksaalcharakter verdrängte dabei aber die Komfortqualität). Dieser Typus entsprach völlig den barockzeit lichen Vorstellungen, sollten doch die neuer bauten prächtigen Sommerrefektorien — die mit den kleinen, heizbaren und zweckent sprechenden Räumen älterer Klöster nichts mehr gemeinsam hatten — für die Agape 10

Links: Stift Lambach, Refektorium, Wandbild an der westiichen Stirnwand, Thema: Der hi. Adaibero weiht seine Kiostergründung der in Wolken thronenden Gottesmutter. — Foto: Elfriede Wöhry, Linz Unten: Stift Lambach, Ambulatorium, Wappen von Abt Maximilian Pagl über der Rundbogennische an der Westwand. Foto: Elfriede Wöhry, Linz V schenkende Nächstenliebe einen ähnlich be deutenden Raum repräsentieren wie die fest lich gestaltete Kirche. Durch die Tagebuchnotizen des Abtes Pagi sind wir über die Arbeiten des Stukkateurs Carione in Lambach gut informiert. So schreibt der Bauherr am 31. Oktober 1707 „habe mit H. Fr. Carione wegen der Stokhathurarbeit in meinem neuen Refectorio tractiert und ihm 700 fi. wie auch ihm und seinem Compagnon Kost zu geben, ingieichen alle Materialien zu schaffen accordieret".^ Weni ge Tage zuvor, am 13. Oktober 1707, lieferte bereits der Bildhauer Johann Baptist Spaz (t 1729) das Portal für dieses Sommerrefekto rium. Schon ein Jahr später konnte Abt Maxi milian vermeiden: „in dem neuen Refectorio ist die Stokador-Arbeit völlig, in dem Saal oder großen Recreations-Zimmer auf die Hälfte verfertigt worden, und haben sie den oberen Recreations-Zimmer in den Winter gearbeitet, man hat einen Ofen hineingesetzt und eingeheizet. . . Vor das Refectorium habe ich ihm 740 fl., vor das große Recrea tions-Zimmer 600 fl. accordieret".® Der Stuk kateur wählte für Ornament und Grund durchgehend (?) iichtgrau sowie rosa für die Figuralreiiefs in den Fensterlaibungen. Es ist somit Diego Francesco Cariones schöpferi schem Beitrag zu danken, daß der Lamba cher Sommerspeisesaai trotz seiner räumli chen Ausmaße in seiner Gesamtheit leicht und elegant wirkt. Während sich Carlo Anto nio Cariones Beitrag zur Barockisierung des Klosters Lambach bescheiden ausnimmt, er streckt sich seines Bruders Tätigkeit für dieses Benediktinerstift über mehrere Jahre (zwischen 1707 und 1717). Bei den Stuckar beiten Cariones im Sommerrefektorium ha ben wir obendrein einen der wenigen Fälle, wo der Künstler sein Werk signiert hat (auf der Personifikation des „Silentium", einem Tu gendrelief in den Fensternischen steht: „Die go F™ Carione f."). Heindls Fresken bzw. Deckengemälde, in denen eindrucksvoll Expressivität und Dynamik vereint sind, datieren dagegen wohl nicht mehr in Pagls Amtsperio de (nach 1740 ?) und stellen somit spätere, wenn auch wirkungsvolle Zutaten dar. Der Heindl-Experte Ernst Guldan schloß sich der Zuschreibung an den Welser Meister an und sprach sich für die von Hainisch vorgeschla gene Spätdatierung aus. Die angebliche Sig natur „Martine Altomonte" auf einem der Bil der, weiche lange Zeit die Forschung blockierte, konnte als eine von fremder Hand ai secco angebrachte Künstierbezeichnung entlarvt werden. Ungeachtet dessen besteht eine enge stilistische Verwandtschaft zwi schen den beiden Maiern (lediglich als Bei spiel sei hier Heindls Kopie von Altomontes Trinitätsvotivbiid der Paura-Kirche erwähnt, das sich als Aufsatzbild im Pfarramt Weitersfelden erhalten hat). Das im Zusammenhang mit Carione bereits erwähnte Recreations-Zimmer (= Ambulato rium) ließ Abt Maximilian im zweiten Oberge schoß über dem Refektorium errichten. Der Raum wird einerseits von einem reich stuckierten, muldenförmigen Scheingewöibe mit großem Mittelspiegel, andererseits von den Wandpfeiiern zwischen den Fenstern mit je zwei vollen Säulen dominiert. In den bei den Wandnischen befinden sich Statuen der Könige David und Salomen. Während wir den Namen des Stukkateurs kennen (D. F. Cario ne), ist die Frage nach dem Schöpfer der Deckengemälde (alttestamentarische Sze nen) noch ungelöst. Bald nach Fertigstellung des Stucks (1708/1709) erfolgte auch die Mar morierung der Säulen (1713) durch den „Marballier" Michael Schaidthauf. Dieses Recrea tions-Zimmer erscheint uns auch heute noch als geglückte Synthese zwischen repräsenta tivem Anspruch und zweckdienlichen Überle gungen. Im Vergleich mit dem Sommerrefek torium mag uns heute dieser Raum in seinen Proportionen und in manchen Details der Ausgestaltung dem Nutzungsaspekt ange messener erscheinen. Ebenfalls aus der Zeit des Abtes Pagl stammt der kleine Bibliothekssaai (der große Saal entstand bereits unter Abt Severin Blaß, wel cher zwischen 1678 bis 1705 regierte und die Barockisierung Lambachs einleitete), in der baulichen Struktur entsprechen noch beide Säle mit ihren niedrigen Decken dem Raum verständnis des 17. Jahrhunderts. Die Ent11

■ Stift Lambach, kleiner Bibiiothekssaai, Ausschnitt vom Deckenfresko: Entwurf zu einer Dreifaltigkeitskapelle 1711, daneben Waffen. Das Gesamtthema dieses Deckengemäldes ist eine Allegorie auf Kriegswissenschaft und Baukunst. — Foto: Elfriede Wöhry, Linz Wicklung der barocken Bibliothek vom 17. zum 18. Jahrhundert läßt sich auf die zuneh mende Lust am Prunk, wie auch auf die stetig wachsende Anzahl der Bücher zurückführen. Es ist wohl anzunehmen, daß Pagl bei sei nem Bibllotheksvorhaben aus Gründen der Einheitlichkeit bewußt an das ältere Vorbild anzuschließen suchte. Eine ähnliche Situation muß sich auch ab 1710 ergeben haben. Plante doch der ehrgei zige Abt Maximilian eine Neugestaltung des 1656 bereits vollendeten hölzernen Hochalta res. Diese Aufgabe stellte sich weniger aus praktischen Überlegungen, als aus dem ge änderten Geschmack (Orientierung am Hochbarock) und mündete letztlich in eine Neugestaltung des Altares. Zu diesem Zwecke trat man an Johann Bernhard Fi scher von Erlach (1656—1723) heran, wel cher seinerseits lediglich den unglücklichen Zustand des alten Hochaltares konstatierte, Fragen hinsichtlich des zu verwendenden Marmors stellte und dem Lambacher Abt überdies einen Stich des großen Altares in Mariazell übermittelte (Schreiben Fischer von Erlachs an den Salzamtmann in Wien, Carl Bartolli von Bartenfeld, 6. September 1710). Sosehr wir auch den Beitrag der einzel nen Künstler kennen und die stilistische Ver wandtschaft zu Fischers Mariazeller Hochal tar (ab 1694) ersehen, die Frage nach dem Urheber des neuen Altarkonzeptes bleibt dennoch offen. In den Diskussionen zu diesem Problem wurde mehrmals Antonio Beduzzi (1675—1735) erwähnt (besonders in Hinblick auf die 1711 datierten Entwürfe für die Seitenaltäre der Stiftskirche Melk). Unter Beibehaltung von Sandrarts Hochaltarge mälde mit der Darstellung der Himmelfahrt Mariens (1655 datiert) entstand ein klar ge gliederter Marmoraltar. Je zwei auf hohem Unterbau postierte Säulen mit ionischen Ka pitellen flankieren das Altarblatt, wobei durch die der Chorwand angepaßte Säulenstellung (viertelelliptisch einwärts gekrümmt) einer seits die dazwischenliegenden Oratorienfen ster mit ihren feuervergoldeten Gittern op tisch entschärft werden, andererseits die Hochaltarplastiken beidseitig des Altarblat tes (der hl. Kilian links, der hl. Maximilian rechts) an theatralischer Wirkung gewinnen. Gerade letzterer Effekt ließe sich sowohl auf Fischers Konzept für Mariazell, als auch auf Beduzzis Lösungen zurückführen. Die Altar bekrönung umfaßt ein reiches stuckplasti sches Ensemble, bestehend aus einer Trinitätsgruppe, zahlreichen Engelsgestalten und den Statuen der hll. Katharina (links) und Bar bara (rechts). Während das Dreifaltigkeitsen semble sowie die Engel und Wolkengebilde von Paolo dAllio und Diego F. Carlone ge schaffen wurden, konnte Abt Maximilian für die vier großen Statuen des Altares den aus Vicenza gebürtigen kaiserlichen Hofbildhau er Lorenzo Mattielli (um 1688—1748) gewin nen. In einem Vertrag vom 30. Oktober 1713 beauftragte der Lambacher Abt Pagl vorerst Die „Stockhatoren" Diego Francesco Carlone und Paolo dAllio mit der gesamten Ausfüh rung des Hochaltares. Der Auftrag betraf alle anfallenden Arbeiten und sollte ab 1714 reali siert werden. Noch in einem Schreiben Allios an Pagl vom 13. Juli 1717 erbietet sich Carlone alles zu verfertigen, sowohl die vier Statuen, als auch all jenes, was im Riß und Modell an gesprochen worden ist. Aus dieser Zeit (zwi schen dem 27. August 1717 und dem 4. Okto ber 1718) besitzt das Stiftsarchiv aber auch Zahlungsbestätigungen an Mattielli. Diesem Umstand zufolge mußte Pagl bald nach dem ersten Vertragsabschluß mit Carlones Vor stellungen Unzufriedenheit empfunden ha ben. Elfriede Baum datierte stattdessen, wie viele andere Autoren auch, Mattiellis Hochal tarfiguren für Lambach ins Jahr 1714, in dem der Künstler nicht nur den Titel eines kaiserli chen Hofbildhauers verliehen bekam, son dern auch vom Benediktinerstift Melk erst mals für kleinere Aufträge (Attikafiguren und Vasen) herangezogen wurde. Eine derartige Datierung setzt schon eine frühe, archivalisch nicht dokumentierbare Abwendung Pagls von Carlone und letztlich einen Ver tragsbruch voraus. Obwohl von Mattiellis Frühwerk andernorts nichts erhalten blieb (das goldene „Kindl" für Mariazell, das Altar kreuz für Karl VI. und die Bau- und Gartenpla stik für den Schwarzenbergischen Landsitz in Hirschstetten sind allesamt verlorengegan gen), muß dieser Bildhauer ob seiner Her kunft und seines Ranges auf Pagl einen gro ßen Eindruck gemacht haben (Melk als Vermittler?). War es Pagl auch nicht gelun gen, den Hofbaumeister Fischer von Erlach für das Lambacher Altarprojekt zu interessie ren, so hatte er wenigstens in der Person des Hofbildhauers Mattielli eine renommierte Kraft an der Seite. Möglicherweise hat die 1714 nach Mattiellis Entwürfen entstandene Silber-Kreuzigungsgruppe in Mariazell einen entscheidenden Einfluß auf Pagls Künstler12

Lambach, Stiftskirche Innenraum mit Blick auf den Hochaltar nach der Restaurierung. — Foto: Eifriede Wöhry, Linz 13

auswahl ausgeübt. Neben Mattielli, d'Allio und Carlone begegnen wir beim Hochaltar bau noch dem bürgerlichen Bildhauer Jo hann Baptist Spaz (t 1729) aus Linz (er hatte den Salzburger Marmor zu liefern), dem Lam bacher Tischler Sigmund Rassinger (Taber nakelmodell), dem aus Hallein stammenden Steinmetzmeister Niclas Wendlinger (Archi tekturteile des Tabernakels) und dem Bild hauer Domenico Parodi (Alabasterfiguren). Abt Pagl hatte also bei der Auftragsvergabe Können und Begabung vor lokalpatriotische Interessen gestellt, wenngleich sich die Ablö se der italienischen und austro-italienischen Künstler durch heimische Kräfte auch am Beispiel Lambach dokumentieren ließe. Dem Vorbild seiner Amtskollegen folgend, stand Abt Maximilian Pagl in engem Kontakt zu be freundeten Klöstern. Wie schon Abt Anselm Angerer von Garsten (1683—1715) korrespon dierte auch der Lambacher Abt in Kunstfra gen mit dem Prälaten im bayerischen Tegern see (laut Briefkonzept vom 10. April 1711 bestellte Maximilian für den Hochaltar zwei Stück Marmor „im Grundt tunckhl graue mit weisßlichten Tupfen so auf Thiger ahrt herauß khomet")."^ Bald sollte sich herausstellen, daß auch Abt Maximilian das Bauen nicht allein als Le bensaufgabe, sondern als eine große Freude betrachtete. Wie viele andere Bauprälaten hatte er ein Tagebuch angelegt, das in Art eines Baujournals nur Leistungen und Verträ ge vermerkt, nichts aber von den mit den Bauvorhaben verbundenen Sorgen erahnen läßt. Der Bau der Dreifaltigkeitskirche in Paura bei Lambach nimmt nicht nur in diesem Ta gebuch Pagls eine herausragende Stellung ein. Durch die Eintragung der wichtigen Da ten und durch eine Reihe von Kontrakten ist diese Bauschöpfung Johann Michael Prun ners (1669—1739) vom Baukontrakt bis zur Bauvollendung urkundlich nachvollziehbar. Der Hauptanlaß für die von Abt Maximilian schon länger geplante Dreifaltigkeitskirche ergab sich durch ein Gelöbnis im Pestjahr 1713, in dem auch Kaiser Karl VI. aus demsel ben Grunde sein Versprechen zum Bau der Karlskirche gab. Die Pestepidemie der Jahre 1713/14 war zwar die letzte große Pestwelle in Österreich, doch erfaßte sie einen höheren Prozentsatz der Menschen als die der Jahre 1679/80. Da als gerechte Strafe Gottes für das sündige Leben der Menschen angesehen, konnte die Pest unter anderem auch durch Besserung des Lebenswandels („Abstehung von sündigem Leben" und durch regelmäßi ges Beten) abgewandt werden.® Da der Markt und das Stift Lambach von der Seuche verschont geblieben waren, wollte Pagl sein Gelübde rasch einlösen. Er suchte deshalb am 2. Jänner 1714 in Passau (hier lag das zu ständige Fürstbischöfliche Ordinariat) um Baugenehmigung an, welche schon zwölf Tage später (14. Jänner) erteilt wurde. Die theologische Idee, bzw. das ikonographische Programm, Gott durch ein symbolisches Baukunstwerk zu verherrlichen, das in allem die Dreiheit widerspiegeln und doch als Gan zes eine harmonische Einheit darstellen soll te, stammt von Abt Maximilian selbst. Auf dem Altarblatt des Gott-Vater-Altares der Paurakirche (Martine Altomonte 1722) präsentiert der Lambacher Kirchenfürst den Bauplan dieser Kirche demutsvoll der Dreifaltigkeit — und sich selbst in der Pose des Schöpfers sei nes eigenen Denkmals. Dieser Eindruck wird noch durch die Hintergrund-Ansicht der voll endeten Paurakirche und der Lambacher Stiftsanlage (Akzent auf die von Pagl errichte ten Klostergärten) verstärkt. Ist in diesem Ge mälde der Abt noch an der Spitze des Kon vents gegeben, so entspricht das ebenfalls von Altomonte geschaffene Brustbild Pagls (1722, Lambacher Stiftssammlung) noch deutlicher dem neuzeitlichen Typus des Stif terbildnisses: Pagl hält — in Abwandlung der im Mittelalter üblichen Baumodelle — den Bauplan der Paurakirche in seiner Hand. Diese Porträts lassen keinen Zweifel daran, daß die Bautätigkeit die einzig überliefernswerte oder zumindest die in den Augen der Zeitgenossen bedeutendste Leistung dieses Lambacher Abtes bildete. Die künstlerische Qualität der Paurakirche wiegt jedoch im Fal le Pagl die uns heute wohl als überbewertet erscheinende und zu prominent vorgetrage ne Rolle als weltlich orientierter Bauherr auf. Der am 4. März 1715 in Lambach zwischen dem Abt und dem „khunstreichen H. Johann Michael Prunner, Baumeistern zu Lünz" ab geschlossene Baukontrakt verpflichtete Prunner, jeden Frühling „zu rechter zeith" am Bauort zu erscheinen und während der Bau zeit monatlich wenigstens einmal die Arbei ten zu kontrollieren „damit das Gepey dem eingereichten Endtwuerff und Abriss nach ohne Fehler" aufgeführt werde. Prunner schloß mit seinem diffizilen Bauplan schein bar nahtlos an den in der manieristischen Kunst veränkerten Versuch einer symbolisti schen Architektur an. Er hatte wohl auch Kenntnis von Georg Dientzenhofers (1643—1689) Dreifaltigkeitskirche im ober pfälzischen Kappel (zwischen 1685 und 1689 entstanden), die über einem dreipaßförmigen Grundriß errichtet und ebenfalls mit drei Tür men ausgestattet war. Ein noch viel engerer stilistischer Konnex zu Paura ergibt sich durch einen Vergleich mit der dreitürmigen Annakapelle in Jungfern Bfezan/Böhmen. Giovanni Santini Aichel (1667—1723) schuf diesen Sakralbau ab dem Jahre 1705. Da wir von Prunners Beziehungen zu Böhmen wis sen, mögen wichtige Anregungen zum Bau der Paurakirche aus dieser Richtung gekom men sein. Mittels graphischem Material (Ris se, Kupferstiche etc.), das von einzelnen Bau ten angefertigt und von den stolzen Bauherren gerne an Standesgenossen und Kunstfreunde verteilt wurde, ist wohl auch Prunner bei der Bewältigung der heiklen Auf gabenstellung beeinflußt worden. Die Bauar beiten an der Dreifaltigkeitskirche in StadlPaura dauerten vom Juni 1714 bis zum Okto ber 1717, und so konnte bereits 1718 mit der Innenausstattung begonnen werden. Die Zahl drei als Symbol lag nicht nur dem Bau selbst, sondern auch der Einrichtung zugrun de. Schon der Grundriß bildet ein gleichseiti ges Dreieck, das einen Kreis umschließt (nach dem Grundgedanken der Dreifaltigkeit: innen eins, außen drei). Drei Türme, drei Por tale, drei Altäre, drei Orgelemporen usw. kor respondieren mit der Idee dieser im Äußeren auffallend konkav und konvex rhythmisierten Kirche, deren Fassadenkomposition der Pe terskirche Hildebrandts in Wien als Vorbild diente. Am 25. Februar des Jahres 1718 fin den wir in Pagls Aufzeichnungen folgende Paura, Pfarrkirche zur heiligsten Dreifaltigkeit und Pfarrhof, ehemaliges Waisenhaus. — Foto: Gerhard Aigner, Linz. Luftaufnahme freigegeben vom BMLV mit ZI. 13080/385 — 1. 6./83 14

Notiz: habe mit Carlo Carlone und Fran cesco Carlo Messenta wegen des Frescogemähl In der Neuerbauten Hell. Dreifaltigkeit Capellen ein SpaltzetuI von 4250 fl. aufge richtet, welche von Beeden thelllen gefertigt und extradlret worden". Carlo Carlone (1686—1775), zu dieser Zelt bereits einer der beliebtesten Maler-„Dekorateure" der Monar chie, von Hochadel und Kirche mit Fresken aufträgen überhäuft, arbeitete mit Unterbre chungen für Paura bis 1723 und lieferte zuletzt das Altarbild der Kirche, die „Abnah me Christi vom Kreuz" in einer dann oft wie derholten und In mehreren Skizzenvarianten erhaltenen Komposition (die lange Verzöge rung der Arbelten war durch Carlones Beru fung nach Ludwigsburg verursacht worden; dort schuf er 1720 eine Variante des Kuppel gemäldes In Paura mit dem Thema „Verherrli chung der Hl. Dreifaltigkeit", 1719 begonnen). Der Architekturmaler Messenta stand Carlo ne In Paura, wie auch schon In Linz und Im Schloß Hetzendorf zur Seite. Möglicherwelse geht auch der Gesamtentwurf für die Innen dekoration der Paurakirche auf Messenta zurück. Pagls Porträtist Martino Altomonte (1657—-1745) steuerte das Votivbild beim GottVater-Altar bei. Domenico ParodI schuf das Bild für den Helllg-Gelst-Altar (Geburt Christi) zwischen 1719 und 1724 In Genua, der bereits vom Hochaltarbau bekannte Johann Baptist Spaz, sein Bruder Marc Antonio Spaz und Georg Doppier bearbeiteten und lieferten die Marmorportale, Tabernakelaufbauten und Al tarmensen (Steinmetzarbelten). Der passaulsche Bildhauer Josef Matthlas Götz, sein Mit arbeiter Leopold Mähl und Marc Antonio Spaz übernahmen die anfallenden Bild hauerarbeiten. Ohne auf die Künstler und Bildhauer welter eingehen zu wollen, kann dieses Gotteshaus (Benedizlerung am 10. Juni 1724, Konsekration am 29. Juli 1725) In Pagls Geburtsort als sein künstlerisch überragendstes Lebensvermächtnis bezeich net werden. Die Gründe, weshalb sich Pagl bei dieser Gelöbniskirche für das Trlnltätspatrozlnlum entschied, sind vielfältig. Ganz ge nerell muß hier vorausgeschickt werden, daß trotz der betonten Eucharistie- und Marlen verehrung Im Barock die Dreifaltigkeit das Zentrum der nachtridentlnlschen Frömmig keit repräsentierte. Sie wurde In Österreich und Bayern sowohl In Türken-, als auch In Pestnöten angerufen. Die aus diesem Kult re sultierenden Monumente des Barock sind da für eindrucksvolle Zeugnisse. Als großer Trlnltätsverehrer hatte der Lambacher Abt wohl auch das Vorbild der Wiener Pestsäule ge kannt. Kaiser Leopold I., der Initiator dieser Säule, folgte einer Wiener Patrozlnlumstradltlon, die bis In das Pestjahr 1348 zurück reicht. Das Bild der Dreifaltigkeit trat seitdem Immer dann besonders In den Vordergrund, wenn das Ausgellefertseln an den Allmächti gen am deutlichsten klar wurde. Dem Wiener Vorbild folgend, legte auch Abt Pagl am 30. Juni 1717 den Grundstein zur Dreifaltigkeits säule In Linz. Der Lambacher Abt war somit nicht nur Bewahrer, sondern auch ein beson derer Förderer des Trinitätskultes, dem er In der Paurakirche eine dementsprechende Programmatik gegenüberstellte. Obwohl Abt Maximilian sich durchwegs Im Dunstkreis der Mächtigen aufhielt und auch selbst einen feudalen Lebenswandel bevor zugte (er feierte beispielsweise seinen Na menstag als größten Festtag des Stiftes jähr1 l 15

Paura, Dreifaltigkeitskirche, Gott-Sohn-Altar mit Tabernakelgruppe Christus als Überwinder von Tod und Teufel, Altarbild von Carlo Carlone: Abnahme Christi vom Kreuz. — Foto: Hofstetter Dia, Ried i. Innkreis n I 16

lieh sogar mit 80 bis 100 vielfach adeligen Gä sten), erwies er sich aber auch sensibel ge genüber den Anliegen der sozial Schwäche ren. Einen deutlichen Beweis liefert das westlich neben der Paura-Kirche gelegene Waisenhaus (heute Pfarrhaus). Schon 1720 trug sich der Lambacher Abt mit der Absicht, eine „Stiftung auf 7 Waisenknaben zu Ehren der allerheiligsten Dreifaltigkeit" zu errichten (für die Kinder verunglückter Traunschiffer). Die Grundsteinlegung zum Bau der Pagl'schen Waisenhausstiftung erfolgte je doch erst am 24. Juli 1724. Ein Vergleich dieses Zweckbaus (einem halbelliptisch vor tretenden dreiachsigen Mittelrisalit und ihn flankierenden, vorspringenden, an der Stirn seite dreiachsigen Eckflügeln) mit Arbeiten des Linzer Baumeisters Prunner läßt auch bei diesem Werk die Autorschaft des Meisters der Paurakirche vermuten. Im gleichen Jahr ließ der Abt auch eine Stiftsapotheke errich ten, die sich bis 1794 im Stiftshof links vom Eingangsportal befand. Auf dem Puchberg bei Lambach setzte Abt Maximilian ein weiteres Denkmal tiefer Fröm migkeit, diesmal aber „Unserer lieben Frau" gewidmet. Er verwirklichte damit einen Wunsch eines Mitbruders, des Lambacher Paters Wolfgang Bruckmayr (1649—1722). Diese Mariahilfkapellemit den sieben konkav eingezogenen Seiten und dem glockenför mig ausschwingenden Kuppeldach mit Later ne entstand zeitgleich mit der Dreifaltigkeits kirche in Stadl-Paura. Die Grundsteinlegung erfolgte am 27. Juli 1717, die Weihe jedoch erst am 2. Juli 1736 unter Abt Johannes Seitz (1735—1739). Auch bei dieser Kapelle erweist sich die Architektur als Symbolträger. Noch zu Lebzeiten Pagls erhielt der Welser Maler Johann Georg Abfalterer den Auftrag, für die Kuppel sieben Ölgemälde mit Darstellungen der Sieben Zufluchten Mariens anzufertigen (Arbeitsbeginn im Sommer 1719 — Messenta übernahm die scheinarchitektonische Aus zier der Kuppel). Die konkaven Wand segmente des Außenbaus können so auch als Art Schutznischen Interpretiert werden, welche die Gottesmutter in Kerkersnot (I.), bei Leibesgebrechen (II.), in Feuergefahr (III.), in Kriegsnöten (IV.), bei Wassergefahren (V), bei ansteckenden Krankheiten (VI.) und bei Gewittergefahr (VII.) offenhält (= Zufluchten Mariens). Die am Altar der Kapelle ange brachte Nachbildung des Passauer MariahllfBildes verweist auf eines der beherrschen den Momente barocker Religiosität, überflü gelte doch die vornehmlich von den Kapuzi nern und Franziskanern propagierte Mariahilf-Verehrung alle anderen mariani schen Kulte. Da die Daten der Baugenehmi gung (10. September 1716) und der Grund steinlegung (27. Juli 1717) auch in zeitlicher Nähe zu zwei bedeutenden Türkenschlach ten (Peterwardein am 5. August 1716 und Bel grad am 16. August 1717), stehen, mag der Aspekt der in KriegsnötenbeistehendenGot tesmutter bei der Errichtung Vorrang genos sen haben (zumal Maria auch zur Schutzpa tronin der gegen die Türken zu Felde ziehenden Truppen erkoren wurde). Wollten wir eine Kurzcharakterisierung dieser Kapel lenarchitektur versuchen, so dürfte der Hin weis auf den aus einer Standardvorstellung lombardischer Baumeister entwickelten Zen tralbaugedanken nicht fehlen. Einzelne Bau details ließen sich zudem auch als stilistische Derivate aus Hildebrandts und Prunners Bauformenrepertoire identifizieren. Auf dem benachbarten Pfisterberg östlich der Mariahilfkapelle steht ein weiterer, von Abt Maximilian initiierter Bau: die Kalvarienbergkirche. In Hochlage gegenüber dem Stift (ver gleichbar mit dem 1736/37 errichteten Kalvarienberg des Stiftes Kremsmünster) erhebt sich der über einem griechischen Kreuz ent wickelte Sakralbau mit seiner markanten Doppelturmfassade. Mit Recht hat Bruno Grimschitz diese Kirche ob ihrer Einzelfor men (Portalrahmen mit Kleeblattbogen und schräg gestellten Freisäulen, Fensterrahmungen und die Form der Glockenkuppel) in den Oeuvrekatalog des für Abt Pagl mehr mals tätigen Prunner eingeordnet (zwischen 1719 und 1720 errichtet). Die Zuweisung des Konzepts kann auch durch den Umstand, daß P. Felix Etzinger (1663—1742) als Bauführer oder „Baumeister" erwähnt wird, nicht ernst lich erschüttert werden — Etzingers Anteil am Entwurf ist in keiner Weise festzustellen. Der Innenraum der Kalvarienbergkapelle pro fitiert von der malerischen Dekoration durch den in Zusammenhang mit dem Lambacher Sommerrefektorium bereits erwähnten Maler Heindl. Im Vertrag zwischen Pagl und Heindl (2. Mai 1724) verpflichtete sich zweiterer fol gende Freskenarbeiten zu übernehmen: Fresken in der gesamten Kuppel (Entsen dung Christi zum Erlösungswerk) sowie in den vier kleinen Kapellenanbauten, ferner die Kapitelle und die vier Vorführungen Chri sti — vor Kaiphas, vor Annas, vor Herodes und vor Pilatus). Als Lohn versprach ihm der Lambacher Abt neben Kost und Trunk im Stif te den Betrag von 500 fl. Heindl gelang durch die raffinierte Mischung von dramatisch be wegten Visionen und dekorativ-dynami schem Ornament eine Verfremdung bzw. eine imaginäre Ausweitung der starren Raumfolie. In diesem Bemühen deckten sich Heindls und Prunners Interessen. Die durch gängige Ausstattung mit Malerei (selbst tektonische Glieder wurden ins koloristisch-de korative Gesamtkonzept einbezogen) scheint beinahe einen Wesenszug des Rokoko vor wegzunehmen. Mit der Verlagerung der ge staltenden Phantasie in den Innenraum fin den die einzelnen Künste erst im vollendeten Zusammenspiel ihre eigentliche Bestim mung und Wirkung. Abt Maximilian Pagl war es aber nicht mehr vergönnt, in dieser Kirche Gottesdienste abzuhalten. Als Abt Gotthard von Lambach 1725 und 1728 beim Fürstbi schof von Passau um die Verleihung der MeßLizenz ansuchte, erhielt er diese nur befristet (für drei Jahre). Durch die 1945 zugefügten Bombenschäden ist dieses eindrucksvolle Gotteshaus an den Rande des Ruins gerückt und erst dank einer umfassenden Instandset zung gerettet worden. In unserer Würdigung der baulich-künstleri schen Beiträge Abt Pagls zur Lambacher Klo sterlandschaft müssen wir auch kleinere Auf gaben, wie z. B. die Auszier der Loreto- und Sakramentskapelle, die Barockisierung der Friedhofskirche, sowie den Ankauf von kirch lichen Geräten, Paramenten und Gobelins er wähnen. Einer dieser erhaltenen Bildteppi che stellt den hl. Adalbero dar, welcher das Stift Lambach der Gottesmutter weiht. Abt Pagl hat diese textile Kostbarkeit wohl in Ant werpen anfertigen und am Mariä-Himmelfahrtstag des Jahres 1712 in der Stiftskirche montieren lassen.® Im unteren Bildfeld des Teppichs sehen wir die Stiftsanlage mit den barocken Ziergärten. Von diesen großartigen Gärten und Wasserspielen haben sich erwar tungsgemäß nur mehr Fragmente erhalten. So sind im einstigen Prälatengarten (Traungarten) noch die letzten Reste einer Grotte er kennbar. Pagl folgte demnach ganz der neuen Mode, die sich hierzulande erst im 18. Jahrhundert, also recht spät, für die barocke Gartengestaltung zu interessieren begonnen hat. Auf dem genannten Adalbero-Gobelin wird in der rechten unteren Ecke des Stifts gartens bereits jener italienisch-französische Typus vorgestellt, der sich durch ein reiches, von Bosketten gesäumtes Broderieparterre auszeichnet und bald jede Barockanlage um gab. Neben der erwähnten Grotte stoßen wir auch heute noch auf Reste der einst qualität vollen Gartenplastik. Am vorhandenen Figu renmaterial läßt sich jedoch heute kein ein heitliches Programm, wie wir ein solches auch für Lambach erwarten können, ablesen. Die erhaltenen und ikonographisch als ge schlossen zu bezeichnenden Rgurenensembles, wie z. B. die Personifikationen der vier Elemente, der vier Jahreszeiten (im ehemali gen Prälatengarten) und der vier Erdteile (im Konventgarten), lassen aber ein umfassen des Figurenkonzept vermuten. In welchem Umfang die beiden in der Fachliteratur zur Diskussion gestellten Bildhauer Johann Felix Trintini (Trentini) und Leopold Mähl hier schöpferisch tätig geworden sind, bedarf erst 17

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