Johann Schmidberger — Alte Schmiedekunst Helmut Grassner Zahlreiche Gewerke liegen an Ihren Ufern und bei Letten, Neuzeug und Steyr steht sie Im Dienst jener großen Fabriken, welche als Schöpfungen eines Werndl Weitberühmtheit erlangt haben. Kurz vor Steyr wurde sie schon In alter Zelt durch Kunst In mehrere Arme gethellt. Sausend und brausend, bald eingezwängt, bald durch geöffnete Schleußen dringend oder sich über Wehren stürzend, unter Brücken und Stegen dahineilend, vereinigen sich endlich die gethellten Arme wieder zu einem Stro me, welcher noch über zwei lange Wehren mit ma jestätischem Sausen sich stürzt, dem Schlosse und der Stadt seinen Namen überträgt und sich dann mit dem Ennsstrome vermählt. (Rolleder, Heimatkunde der Stadt Steyr. S. 47) Vor nicht einmal einem halben Menschenal ter war das Tal der Steyr, der In obzitlertem Werk reichstes Lob gespendet wird, eine der eigenartigsten und produktivsten Industrie landschaften unserer Heimat. Schon In der vorindustriellen Zelt drehten sich talauf und talab die vielen Wasserräder — umwelt freundliche Energiespender für die Hämmer, unter deren Wucht Eßbestecke, Sensen und vieles andere Ihre Formen erhielten. Im Export gingen diese Gebrauchsgegen stände sodann bald in alle Welt und zeugten vom Fleiß und von der Tüchtigkeit der Bewoh ner eines Tales, dessen Flußlauf auch heute noch von einer lieblichen Landschaft um rahmt wird. Viele namhafte Gewerke hatten Ihren Sitz am Ufer der Steyr, dem lange einzi gen Energieträger. Alle diese Betriebe dräng ten sich förmlich an das Ufer, aber auch die Wohn- und Geschäftshäuser baute man nahe an den Fluß, so daß die Ortschaften (heute noch) dastehen wie das morgenländische Bethlehem In einer alten Kastenkrippe: als Beispiele mögen Neuzeug, Steinbach und Grünburg dienen. Der Autor erinnert sich noch gerne an seine In Neuzeug verbrachte Kindheit, an den Ort mit seinen engen, winkeligen Gäßchen und stellen Stiegen. Doch das alles zeugt nur noch von (einer großen) Vergangenheit. Be denke man allein die modernen Verkehrspro bleme, die durch die engen Ortsdurchfahrten entstanden sind und zum Teil noch weiter be stehen! Lassen wir aber nun die klingenden Namen der Werke Revue passieren! Die Hackwerke In Steyr, die Drahtzugfabrik In Unterhimmel, die Pilswerke In Steinbach, dem einstigen „goldenen" Messererdorf; sie alle wurden gnadenlos von der billig produzierenden asiatischen Konkurrenz eingeholt und überholt. Es Ist müßig, auf die einzigartige Qualität der Steyrtal-Produkte hinzuweisen. Franz Hölzlhuber. Dichter, Musiker und Weltenbummler, möge als Zeuge dienen. Er war der österrei chische Repräsentant bei der großen Londo ner (Welt-) Ausstellung, die Ihn zu einem Ge dicht Inspiriert hat — In dem er auf die Quali tät der Sensen recht deutlich verweist. ... Auf dö ausgstöllt Sensen hab I aufzpassn g'habt Daß s'nöt a niada MItn FIngan antappt Und hiazt hoaßt's auf oamal: D' Prelsrichta wem kemma. Und all unsrö Sachan In Augenschein nehma ... Na endlö sands da. Auf englisch sagt oana: 'Dö Sensn san z'lelchtl' — Da kunnt oana woana. ... I nimm so a Sensn, Hau's tlaf in a Blech, Daß allö vor Schrocka San g'sprunga in d'Höch! I ziags außa, zoags her, Nöt a Schartn war dran. Und sag, daß ma dös Mit a niadn thuan kann! ... Allö Zeltunga warn voll von stelrlschen Stahl, Sogar dö englischen a. Obwohl s' g'habt ham a Gall (Franz Hölzlhuber, Gedichte In oberösterrei chischer Mundart. Steyr o. J.) Doch wer fragt heute noch nach der berühm ten alten Qualität? Der „Krieg" an der „Preis front" geht vielfach auf deren Kosten. Und so gab es im Steyrtal praktisch keine „Überle benden". Einzig die Hackwerke leben weiter als „Museum Arbeitswelt", das anno 1987 die große oberösterreichische Landesaustellung „Arbelt, Mensch, Maschine" beherbergen durfte — und so hoffentlich eine vergangene Welt der Industrie der Bevölkerung ins Ge dächtnis rufen konnte. In Steinbach bestehen ebenfalls museale Pläne. Die ehemaligen Plls-Werndl-Werke wurden „fachgerecht saniert und (bieten) nun vom Steyrfluß aus einen schönen Anblick; In den Fertigungsräumen haben ein Schlosser und ein Hornbesteckerzeuger Ihren Betrieb eröffnet. Im Vorderteil des Werkgebäudes Ist ein Messerermuseum geplant" (Steyrer Zel tung Nr. 31/1988). Man darf sich darauf freu en, zumal dieser Teil des Tales noch durch die Steyrtalmuseumsbahn zu erreichen ist. Fahren wir aber weiter flußaufwärts, gelan gen wir in das Becken von Mölln, das im Tal wahrlich eine Sonderstellung einnimmt, wo bei wir nicht auf das traurige Wlldererdrama In derzeit nach dem Ersten Weltkrieg anspie len wollen. Stets wurden In diesem lieblichen Ort Spezialitäten erzeugt, man denke nur an die allseits bekannte Maultrommel, die Im Volksmund „Mennscherfanger" genannt wird, well sie dem Vernehmen nach häufig beim Fensterin In Gebrauch gewesen sein soll. Heute wie ehedem gehen diese kleinen Mollner Musikinstrumente In alle Welt — und wenn ein Mollner Maultrommelerzeuger auf seinem Haus stolz das Wort „Weltexport" ste hen hat, so besteht dies mit Fug und Recht. Freilich, daß Mölln auch ein Zentrum der Schischuherzeugung werden sollte, daran mochten unsere Vorfahren, die allesamt der Metallindustrie verhaftet gewesen sind, na türlich noch nicht denken. Mölln scheint uns aber noch einen Gedanken zu vermitteln! Bei den Versuchen, die Krisen der regionalen und überregionalen Industrie zu bewäitigen, ruft man, oft vergeblich, nach Ersatzarbeits plätzen — so auch im Steyrtal. Sehr wohl sieht man auch entlang des Steyrflusses manchen neuen Betrieb, der den Be wohnern Arbeit und Verdienst gibt. Allesamt erzeugen sie Produkte, die mit der einstigen Industrie des Tales nichts mehr gemein ha ben. Was hat Mölln damit zu tun? Nun, hier gibt es einen Mann, der die Tradi tion einer ererbten familiären Werkstätte fort setzt •— allerdings mit Erzeugnissen, die pa radoxerweise trotz Ihrer Altertümlichkelt (oder gerade deswegen) der heutigen Kon sumgesellschaft angepaßt sind, und die Ihn als sehr erfolgreich ausweisen. Erlernt hat er das althergebrachte Schmiede handwerk In der Werkstatt seines Vaters, die jetzt die seine ist. Mittlerweile kann man ihn fast nicht mehr als Kunstschmied bezeich nen, sondern im wahrsten Sinn des Wortes als Künstler — Johann Schmidberger Dabei begann alles ganz alltäglich! Der junge Johann Schmidberger (Jahrgang 1951) trat bei seinem Vater, dem „Schmied bei der Lacken", in die Lehre ein, die in durchaus traditionellen Bahnen verlief. 1969 legte er die Gesellenprüfung ab und arbeitete In ver schiedenen metallverarbeitenden Betrieben, Schlossereien. Als Schmidberger 1978 die Meisterprüfung ablegte, dachte niemand dar an, daß der junge Schlossermeister bald die altüberkommenen Bahnen dieses ehrsamen Handwerks verlassen würde. Zwei Jahre später übernahm er die väterliche Werkstatt, die schon erwähnte „Schmiede bei der Lacken". Warum der Name? Nun vor zweihundert Jahren floß der Mollnerbach vor der Schmiede vorbei, ehe er in jüngerer Zeit 51
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2