Oberösterreich, 38. Jahrgang, Heft 4, 1988

Bemalen von Glas Hertha Wascher Mein Weg zum Kunstgewerbe Ich bin in Wien geboren, aber schon 1914 bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges nach Wels übersiedelt. Dort habe ich Volks- und Bürger schule absolviert. Von 1926 bis 1930 habe ich in Wien eine Mittelschule besucht und dort maturiert. Auch die folgenden Jahre bin ich noch in Wien geblieben und habe Chemie und Turnen studiert. Meinen ersten Dienst posten habe ich 1934 in Steyr als Turnlehrerin am Bundesrealgymnasium angetreten. Ein Jahr später wurde auch eine Steile für Che mie frei und so habe ich die nächsten Jahre in Steyr als Lehrerin verbracht. In dieser Zeit habe ich auch meine ersten vier Kinder gebo ren. Steyr war in der Kriegszeit kein sicherer Ort für eine schon relativ große Familie und so sind wir nach Kremsmünster zunächst auf einen Bauernhof übersiedelt. Später konnte ich ein Haus mit einem großen Garten erwer ben; die damit gewonnene Freude am Leben auf dem Land und die noch immer wachsen de Familie haben mich bewegen, vom Pend lerdasein, das mit dem Lehrerposten in der Stadt verbunden war, Abschied zu nehmen und eine Beschäftigung zu suchen, die man am Wohnort und auch neben den Kindern ausüben konnte. Es war naheliegend, daß sich meine Gedanken in Richtung Kunst handwerk zu entwickeln begannen. Gemalt habe ich schon immer gerne: Aquarelle, Bau ernmöbel, aber auch Kassetten, die ich selbst hergestellt habe. Und meine Liebe zum Handwerk war so stark, daß ich mit 14 Jahren beinahe eine Tischlerlehre begonnen hätte, wäre es nicht meinem Vater gelungen, mich mit dem Hinweis, daß Tischlerei viel leicht doch kein richtiger Mädchenberuf sei, vorerst zum Mittelschulstudium zu über reden. So habe ich durch das Zusammenwir ken meiner Neigungen mit dem Wunsch, bei meiner Familie am Wohnort zu arbeiten, mei nen ersten kunsthandwerklichen Auftrag an genommen: Das Saizburger Heimatwerk hat bei mir bemalte Spanschachteln bestellt. Bemalte Spanschachteln Die Spanschachteln sollten mit traditionellen Mustern aus früheren österreichischen Werk stätten bemalt werden. Sofort habe ich ein schlägige Museen aufgesucht. Die hier erst mals für mich notwendige Forschertätigkeit in der Volkskunst war der Anfang eines jahr zehntelangen Bemühens, Schönes aus der Vergangenheit in den Museen und privaten Sammlungen zu suchen, aufzuzeichnen und auf der Basis der alten Motive auch Neues zu gestalten. Die dabei gewonnenen Erkennt nisse und Erfahrungen habe ich in einem Büchlein über alte bemalte Spanschachteln niedergelegt. Viele Jahre habe ich für die österreichischen Heimatwerke, insbesondere für das Ober österreichische und das Salzburger Heimat werk, solche Spanschachteln bemalt, in allen verschiedenen Größen und mit verschieden sten Mustern. Natürlich habe ich dabei sehr viel gelernt: Alles, was bei der einen Schach tel nicht gelungen war, konnte bei der näch sten verbessert werden. Besonders lehrreich waren Muster aus der Zeit um 1850, bei de nen man mit einem Pinsel zeichnet und nach Fertigsteliung der Pinselstrich noch zu erken nen ist. Die wenigen Farben sind sehr gut ver teilt, die feine weiße Zeichnung wird dazwi schen frei hingesetzt. Wenn man diese Technik erst einmal erlernt und die traditio nellen Muster mit vielen eigenen Variationen bereichert hat, wird aus dem Bemalen von Spanschachteln eine ermüdende Arbeit, weil man sich zwangsläufig wiederholen muß. Erste Versuche mit Glas Bei meinen häufigen Museumsbesuchen in zwei großen oberösterreichischen Volks kunstmuseen, dem Schloßmuseum Linz und dem Heimathaus Ried, habe ich auch viel und schön bemaltes Gebrauchsglas gese hen. Hauptsächlich Gläser und Flaschen. Die meisten waren in einer ähnlichen Art wie die oben beschriebenen Spanschachteln be malt. So habe ich damals beschlossen, auch das Bemalen von Glas zu versuchen. Die Ein tönigkeit des ewigen Wiederholens, die im Handwerk unvermeidlich ist, habe ich ja schon bei den Spanschachteln erlebt. In der Glasmalerei hoffte ich, dieser Eintönigkeit zu entgehen, da die Vielfalt der Gläser, die in den letzten 200 Jahren entstanden sind, un gleich größer ist. Zum Teil hat sich diese Hoff nung erfüllt. Noch immer finde ich mir bisher unbekannte Maltechniken, die ich sofort ver suchen muß. Leider kommt es auch vor, daß ich eine alte Maltechnik nicht nachvollziehen kann, weil gewisse Techniken der Glaserzeu gung, die für die Maltechnik Voraussetzung sind, heute nicht mehr ausgeführt werden. Trotzdem gibt dieser Aspekt immer wieder einen neuen Ansporn, manchmal auch einen wirtschaftiichen Erfolg. Bemalte Glasflaschen Als ersten bemalten Glasartikel wollte ich den Heimatwerken Glasflaschen anbieten. Diese Flaschen sind mundgeblasen und in einer Holzform geformt. Sie haben einen rechtecki gen Querschnitt mit abgeschrägten Kanten und stark zusammengezogenen Schultern (Abbildung S. 1). Sie sind sehr wahrscheinlich in einer böhmischen Glashütte, aber auch in Bayern und sicher ebenso in der Slowakei er zeugt worden. Die wenigen Stücke mit einem Jahresdatum stammen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Eine bestimmte Hütte ist nicht bekannt. Die Erzeugung solcher Flaschen konnte na türlich nur in einer Glashütte erfolgen, wo noch mundgeblasenes Glas hergestellt wur de. Nach einem Muster aus dem Museum habe ich bei der Salzburger Cristallglashütte 100 Flaschen bestellt. Ich bewundere noch heute meinen Mut, da mir das Risiko wohl be wußt war: Nur fehlerlose Stücke würden ver käuflich sein und es war keineswegs klar, ob auch die gesamte Kette der Herstellungs schritte wirklich fehlerlos funktionieren wür de. Außerdem konnte ich nicht wissen, ob sich überhaupt Käufer für diese Flaschen fin den würden. Hätte mich damals der Leiter des Saizburger Heimatwerkes, Tobi Reiser, nicht so in meinem Vorhaben bestärkt, ich wäre sicher nach genauem Überlegen mut los geworden. In der Salzburger Cristallglashütte habe ich mit Glück einen Partner gefunden, mit dem ich noch die nächsten 30 Jahre gut zusam mengearbeitet habe. Es wurden dort noch viele Sonderaufträge mit Gläsern, Flaschen und Krügen nach alten Formen zu voller Zu friedenheit ausgeführt. Keiner dieser späte ren Sonderaufträge war für die Hütte so schwierig wie dieser erste. Auch für mich war mit der fertigen Flasche aus der Glashütte der Weg zum verkäuflichen Endprodukt noch endlos lang. Es mußte als nächstes ein Hersteller für die zweiteiligen Zinnverschlüsse gefunden wer den. Auch hier konnte ich eine zuverlässige Zinngießerei in Wien finden, die mir schöne Verschlüsse nach einem alten Muster anfer tigte. Das Problem der Befestigung der Zinn verschlüsse auf dem Glas konnte ich selbst mit der modernen Klebstofftechnik lösen. Wie man mit Glasfarben umgeht, war dage gen relativ leicht und einfach zu lösen. Ich habe mich einige Tage nach Wien in die Bi bliothekdes Museumsfür angewandteKunst gesetzt. Dort habe ich auch alles über die Herstellungstechniken aus dem vorigen Jahr hundert gefunden. Bemerkens- und iobenswert an diesem Museum sind die freundli chen Beamten, die sehr gut informiert und wirklich bemüht sind, auch ausgefallene Din ge, die man sucht, zu finden. Dieses Museum und seine Beamten sind mir bis heute ein wertvoller Ratgeber bei neuen Problemen in Sachen Kunst und Erzeugung. Die Maltechnik selbst konnte allerdings nicht eindeutig rekonstruiert werden. Blumen und Figurendarstellungen auf den Flaschen sind eher primitiv und technisch weniger proble matisch als die feinen weißen Linien auf den Kanten, welche die Motive wie in einen Rah men einschließen. Möglicherweise sind sie mit einem feinen Gießkännchen, wie es da-

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