Oberösterreich, 38. Jahrgang, Heft 4, 1988

Inhaltsverzeichnis Schwerpunktthema Kunsthandwerk — Handwerkskunst Prof. Hertha Wascher Bemalen von Glas 2 Dr. Helmuth Huemer Heimatwerkgedanke, Heimatwerk-Stil und Volkskultur 11 Dr. Herbert Hofer Das Wachs im religiösen Kunsthandwerk 21 Eva H. Neuburg Arnold Lobisser — Von der Drechselbank zum Dudelsack 27 Prof. Helga Lltschel Die Buchbinder Ammering zu Ried im Innkreis — Spezialisiert auf Vielseitigkeit 35 Dr. Georg Wacha Linzer Keramik 1933—1982 43 Helmut Grassner Johann Schmidberger — Alte Schmiedekunst 51 Autoren Heft 4/1988 Helmut Grassner, Wels Hauptschullehrer, Konsulent der oö. Landesregierung für Volksbildung und Heimatpflege Dr. Herbert Hofer, Weyer a. d. Enns Hofer-Kerzen-Ges. m. b. H. Dr. Helmuth Huemer, Linz Vorsitzender des Vorstandes der reg. Gen. m. b. H. OÖ. Heimatwerk und Präsident des Verbandes der österreichischen Heimatwerke Helga Lltschel, Linz Professor, Konsulent der oö. Landesregierung, Pressereferat der ober österreichischen Landesausstellungen Eva H. Neuburg, Wien Pseudonym Dr. Josef Ratzenböck, Linz Landeshauptmann von Oberösterreich Dr. Georg Wacha, Linz Senatsrat, Direktor des Museums der Stadt Linz Nordico Hertha Wascher, Kremsmünster Mittelschulprofessor i. R., Gründerin Kunstgewerbe Kremsmünster Dr. Erich Widder, Linz Professor, Diözesan-Konservator i. R. Umschlag: Zunftzeichen vom ehemaligen Haus Linz, Kaisergasse 18, um 1830. Das Haus wurde abgerissen, das abgebildete Zunftzeichen befindet sich jetzt im Linzer Stadtmuseum Nordico, Inv.-Nr. P 1005. Zwischen zwei Füllhörnern unten eine Darstellung einer Hafner-Werkstatt mit Drehscheibe und geformten Krügen, oben drei Öfen, wobei am mittleren Ofen von überschlagenerArbeit noch ein Hafner tätig ist. Der Oberbau des rechten Ofens besteht aus fünf Säulen mit einem Querstück und Aufsatzvase, wobei die Säulen als Heizgasdurchgang ausgebildet sind. Von diesem Ofen (mit angenommener Höhe 2,90 m) wurde ein Modell im Maßstab 1:7 von Professor Ferdinand Strasser für das Stadtmuseum hergestellt. Aus derselben Form stammt ein Hafnerzeichen am Haus Eferding, Lederergasse 8. Das Linzer Zeichen, zum Teil farbig gefaßt (Früchte, Blätter) ist mit dem Namen Johann Steinermayr beschriftet, der im Haus Kaisergasse 18 die Hafner-Werkstätte von 1810—1843 betrieb. Text: Dr. Georg Wacha Foto: Franz Michalek Gestaltung: Herbert Friedl Oberösterreich aktuell Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck 10 Jahre Bildungswerk Zell an der Pram 61 Dr. Erich Widder Papst Johannes Paul II. in Oberösterreich — Worte und Fakten 71 Bücherecke 75 Kulturzeitschrlft Oberösterreich 38. Jahrgang, Heft 4/1988 Vierteljahresschrift: Kunst, Geschichte, Fremdenverkehr Erscheinungstermine: März, Juni, September, Dezember. Medieninhaber (Verleger), Herausgeber und Hersteller: LANDESVERLAG Gesellschaft m.b.H. A-4020 Linz, Hafenstraße 1—3. Telefon 0 73 2/27 81 21 ISSN 0253-7435 Bankverbindung: Raiffeisenzentrale Linz 7-01.032.697 Redaktion: Dr. Otto Wutzel, Dr. Elfriede Wutzel, A-4020 Linz, Hafenstraße 1—3. Jahresabonnement (4 Hefte): S 396.—; Einzelverkaufspreis: S 110.— (Alle Preise inkl. 10 % MWSt.) Schwerpunktthema Heft 1/1989 Zwischen Traun und Enns

Kunsthandwerk — Handwerkskunst 7 [t Achtkantige färbige Giasfiaschen mit Zinn schraubverschluß und Schnupftabakfläschchen, bemalt mit Email farben nach alten Motiven „Das Thema dürfte jahreszeitlich richtig ge wählt sein. Advent und Winter sind Zeiten der Besinnung. Besinnung dient unserer Stand ortbestimmung." So lauteten die Sätze der Begründung für die Wahl des Schwerpunkt themas zu Heft 4 des Vorjahres (1987) „Er neuertes Brauchtum" und ebenso können sie für die Schwerpunktthematik von Heft 4/1988 „Kunsthandwerk — Handwerkskunst" als Er klärung und Einführung angewendet werden. „Brauchtum und Kunsthandwerk" sind be nachbarte Lebensbereiche. Beide sind der Tradition verhaftet. Beide sollen aber auch le bendig bleiben. Beide sollen sich ständig im richtigen Sinne erneuern. Wie im Heft „Erneuertes Brauchtum" wird auch in diesem Heft, das sich mit dem Kunst handwerk in unserer Zeit beschäftigt, die Fra ge der Gegenwartsbezogenheit aufgeworfen. Die Abhandlungen führen nicht in volkskund liche Musealsammlungen, sondern weisen auf Werkstätten und Wirkungsbereiche hin, die aktives Kunsthandwerk belegen. Dabei wird versucht, den Nachweis zu erbringen, daß gutes Kunsthandwerk mehr als „Ge brauchsgüter schafft, daß ihm die Qualifika tion „Handwerkskunst" zusteht. Bemaltes Glas, Wachs als religiöses Kunst handwerk, die Faszination des Holzes, des Bucheinbandes, des geschmiedeten Eisens sind lebendig wie eh und je. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Ab handlung über den Stellenwert der österrei chischen Heimatwerke. Das Töpferhandwerk ist repräsentativ mit der Erinnerung an eine Linzer Töpferwerkstätte verbunden, die vielen Linzern noch sehr be wußt ist. Die Thematik regte auch an, in der Sparte „Oberösterreich aktuell" auf das 10-JahresJublläum des Bildungswerkes Zell an der Pram einzugehen. Zeitgeschichtlich ist die Reportage über den Besuch von Papst Johannes Paul II. in Ober österreich zu verstehen. Ein Heft für die Winterzeit - Jahreslauf! ■ die stille Zeit im

Bemalen von Glas Hertha Wascher Mein Weg zum Kunstgewerbe Ich bin in Wien geboren, aber schon 1914 bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges nach Wels übersiedelt. Dort habe ich Volks- und Bürger schule absolviert. Von 1926 bis 1930 habe ich in Wien eine Mittelschule besucht und dort maturiert. Auch die folgenden Jahre bin ich noch in Wien geblieben und habe Chemie und Turnen studiert. Meinen ersten Dienst posten habe ich 1934 in Steyr als Turnlehrerin am Bundesrealgymnasium angetreten. Ein Jahr später wurde auch eine Steile für Che mie frei und so habe ich die nächsten Jahre in Steyr als Lehrerin verbracht. In dieser Zeit habe ich auch meine ersten vier Kinder gebo ren. Steyr war in der Kriegszeit kein sicherer Ort für eine schon relativ große Familie und so sind wir nach Kremsmünster zunächst auf einen Bauernhof übersiedelt. Später konnte ich ein Haus mit einem großen Garten erwer ben; die damit gewonnene Freude am Leben auf dem Land und die noch immer wachsen de Familie haben mich bewegen, vom Pend lerdasein, das mit dem Lehrerposten in der Stadt verbunden war, Abschied zu nehmen und eine Beschäftigung zu suchen, die man am Wohnort und auch neben den Kindern ausüben konnte. Es war naheliegend, daß sich meine Gedanken in Richtung Kunst handwerk zu entwickeln begannen. Gemalt habe ich schon immer gerne: Aquarelle, Bau ernmöbel, aber auch Kassetten, die ich selbst hergestellt habe. Und meine Liebe zum Handwerk war so stark, daß ich mit 14 Jahren beinahe eine Tischlerlehre begonnen hätte, wäre es nicht meinem Vater gelungen, mich mit dem Hinweis, daß Tischlerei viel leicht doch kein richtiger Mädchenberuf sei, vorerst zum Mittelschulstudium zu über reden. So habe ich durch das Zusammenwir ken meiner Neigungen mit dem Wunsch, bei meiner Familie am Wohnort zu arbeiten, mei nen ersten kunsthandwerklichen Auftrag an genommen: Das Saizburger Heimatwerk hat bei mir bemalte Spanschachteln bestellt. Bemalte Spanschachteln Die Spanschachteln sollten mit traditionellen Mustern aus früheren österreichischen Werk stätten bemalt werden. Sofort habe ich ein schlägige Museen aufgesucht. Die hier erst mals für mich notwendige Forschertätigkeit in der Volkskunst war der Anfang eines jahr zehntelangen Bemühens, Schönes aus der Vergangenheit in den Museen und privaten Sammlungen zu suchen, aufzuzeichnen und auf der Basis der alten Motive auch Neues zu gestalten. Die dabei gewonnenen Erkennt nisse und Erfahrungen habe ich in einem Büchlein über alte bemalte Spanschachteln niedergelegt. Viele Jahre habe ich für die österreichischen Heimatwerke, insbesondere für das Ober österreichische und das Salzburger Heimat werk, solche Spanschachteln bemalt, in allen verschiedenen Größen und mit verschieden sten Mustern. Natürlich habe ich dabei sehr viel gelernt: Alles, was bei der einen Schach tel nicht gelungen war, konnte bei der näch sten verbessert werden. Besonders lehrreich waren Muster aus der Zeit um 1850, bei de nen man mit einem Pinsel zeichnet und nach Fertigsteliung der Pinselstrich noch zu erken nen ist. Die wenigen Farben sind sehr gut ver teilt, die feine weiße Zeichnung wird dazwi schen frei hingesetzt. Wenn man diese Technik erst einmal erlernt und die traditio nellen Muster mit vielen eigenen Variationen bereichert hat, wird aus dem Bemalen von Spanschachteln eine ermüdende Arbeit, weil man sich zwangsläufig wiederholen muß. Erste Versuche mit Glas Bei meinen häufigen Museumsbesuchen in zwei großen oberösterreichischen Volks kunstmuseen, dem Schloßmuseum Linz und dem Heimathaus Ried, habe ich auch viel und schön bemaltes Gebrauchsglas gese hen. Hauptsächlich Gläser und Flaschen. Die meisten waren in einer ähnlichen Art wie die oben beschriebenen Spanschachteln be malt. So habe ich damals beschlossen, auch das Bemalen von Glas zu versuchen. Die Ein tönigkeit des ewigen Wiederholens, die im Handwerk unvermeidlich ist, habe ich ja schon bei den Spanschachteln erlebt. In der Glasmalerei hoffte ich, dieser Eintönigkeit zu entgehen, da die Vielfalt der Gläser, die in den letzten 200 Jahren entstanden sind, un gleich größer ist. Zum Teil hat sich diese Hoff nung erfüllt. Noch immer finde ich mir bisher unbekannte Maltechniken, die ich sofort ver suchen muß. Leider kommt es auch vor, daß ich eine alte Maltechnik nicht nachvollziehen kann, weil gewisse Techniken der Glaserzeu gung, die für die Maltechnik Voraussetzung sind, heute nicht mehr ausgeführt werden. Trotzdem gibt dieser Aspekt immer wieder einen neuen Ansporn, manchmal auch einen wirtschaftiichen Erfolg. Bemalte Glasflaschen Als ersten bemalten Glasartikel wollte ich den Heimatwerken Glasflaschen anbieten. Diese Flaschen sind mundgeblasen und in einer Holzform geformt. Sie haben einen rechtecki gen Querschnitt mit abgeschrägten Kanten und stark zusammengezogenen Schultern (Abbildung S. 1). Sie sind sehr wahrscheinlich in einer böhmischen Glashütte, aber auch in Bayern und sicher ebenso in der Slowakei er zeugt worden. Die wenigen Stücke mit einem Jahresdatum stammen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Eine bestimmte Hütte ist nicht bekannt. Die Erzeugung solcher Flaschen konnte na türlich nur in einer Glashütte erfolgen, wo noch mundgeblasenes Glas hergestellt wur de. Nach einem Muster aus dem Museum habe ich bei der Salzburger Cristallglashütte 100 Flaschen bestellt. Ich bewundere noch heute meinen Mut, da mir das Risiko wohl be wußt war: Nur fehlerlose Stücke würden ver käuflich sein und es war keineswegs klar, ob auch die gesamte Kette der Herstellungs schritte wirklich fehlerlos funktionieren wür de. Außerdem konnte ich nicht wissen, ob sich überhaupt Käufer für diese Flaschen fin den würden. Hätte mich damals der Leiter des Saizburger Heimatwerkes, Tobi Reiser, nicht so in meinem Vorhaben bestärkt, ich wäre sicher nach genauem Überlegen mut los geworden. In der Salzburger Cristallglashütte habe ich mit Glück einen Partner gefunden, mit dem ich noch die nächsten 30 Jahre gut zusam mengearbeitet habe. Es wurden dort noch viele Sonderaufträge mit Gläsern, Flaschen und Krügen nach alten Formen zu voller Zu friedenheit ausgeführt. Keiner dieser späte ren Sonderaufträge war für die Hütte so schwierig wie dieser erste. Auch für mich war mit der fertigen Flasche aus der Glashütte der Weg zum verkäuflichen Endprodukt noch endlos lang. Es mußte als nächstes ein Hersteller für die zweiteiligen Zinnverschlüsse gefunden wer den. Auch hier konnte ich eine zuverlässige Zinngießerei in Wien finden, die mir schöne Verschlüsse nach einem alten Muster anfer tigte. Das Problem der Befestigung der Zinn verschlüsse auf dem Glas konnte ich selbst mit der modernen Klebstofftechnik lösen. Wie man mit Glasfarben umgeht, war dage gen relativ leicht und einfach zu lösen. Ich habe mich einige Tage nach Wien in die Bi bliothekdes Museumsfür angewandteKunst gesetzt. Dort habe ich auch alles über die Herstellungstechniken aus dem vorigen Jahr hundert gefunden. Bemerkens- und iobenswert an diesem Museum sind die freundli chen Beamten, die sehr gut informiert und wirklich bemüht sind, auch ausgefallene Din ge, die man sucht, zu finden. Dieses Museum und seine Beamten sind mir bis heute ein wertvoller Ratgeber bei neuen Problemen in Sachen Kunst und Erzeugung. Die Maltechnik selbst konnte allerdings nicht eindeutig rekonstruiert werden. Blumen und Figurendarstellungen auf den Flaschen sind eher primitiv und technisch weniger proble matisch als die feinen weißen Linien auf den Kanten, welche die Motive wie in einen Rah men einschließen. Möglicherweise sind sie mit einem feinen Gießkännchen, wie es da-

Abb. 1. zeigt mit Glas-Emailfarben gemalte, alte Motive auf den erwähnten achtkantigen Fiaschen mit Zinnschraubverschiüssen * mals in der Keramik verwendet wurde, oder aber mit einem Gänsekiei gezogen, ich habe auch dafür den Pinsei verwendet mit einer ganz bestimmten Konsistenz der Farbe. Als häufigste Motive finden sich immer weibli che und männliche Figuren aus den ver schiedenen Zeitepochen, vom Rokoko bis Jugendstii. Die Kleidung und Tracht wurde der jeweiiigen Mode angepaßt, das übrige Dekor biieb wie bei den Spanschachtein lange Zeit unverändert. Besonders schöne alte Stücke habe ich im Schloßmuseum in Linz, im Hei mathaus in Ried, aber auch im Wiener Voikskundemuseum und in Innsbruck gefunden. Verwendet wurden diese Flaschen zum Auf bewahren von Schnaps oder Weihwasser, in den Museen finden sich immer wieder fär bige Fiaschen, grüne und hellblaue. Es war aber mühsam, färbige Flaschen zu bekom men, denn es ist für den Giashersteller we sentlich leichter, eine eigene Form herzustei len, als eine neue richtig gefärbte Glasmasse zu bekommen. Letztlich habe ich auch grüne und blaue Flaschen bekommen (siehe Abb. S. 1). Diese sind bei den Kunden wesentlich besser angekommen als die farblosen Fia schen (Abb. 1). Nachdem alle Anfangsschwierigkelten von Glasbeschaffung über Maltechnik, Zinnver schluß und Motivsuche überwunden waren, habe Ich an die österreichischen Heimatwer ke und über die Frankfurter Messe von 1960 bis 1975 viele Hunderte solcher Flaschen ver kauft. Die Ornamente und Blumen hat viel fach meine Schwiegertochter Hedwig Wa scher, die damals bei uns gearbeitet hat, gemacht. Die Figuren habe ich meist selbst gemalt. In den letzten Jahren wurden von den Kundschaften häufig Jägerfiguren oder Heili genfiguren, wie Darstellungen der Heiligen Georg, Martin, Chrlstophorus und Barbara und viele andere besteilt. Dabei habe ich mich bemüht, Vorlagen aus der entsprechen den Zeitepoche zu bekommen. Ich habe auch viele Flaschen bemalt mit Motiven aus Darstellungen von Sprichwörtern und Ge dichten. In Sammlungen und Museen findet man ebenfalls häufig solche wahrscheinlich auch damals auf Sonderbestellung angefer tigte Heiligendarstellungen; diese Einzel stücke wurden aber früher häufig in der Tech nik der sogenannten „Kaltmalerei", mit Ölfarbe, hergestellt. Ich habe diese Einzel stücke entweder mit Giasfarbe gearbeitet oder mit „Schwarzlot", einer Technik, die ich noch später beschreiben werde. In den Abbil dungen 2 und 7 sind solche von mir bemalte Flaschen in farblosem Glas zu sehen. Wahl der Glasfarben und Schwarzlot technik Beim Bemühen, die Schönheit der alten Far ben auch in meiner Glasmalerei zu errei chen, habe ich gelernt, daß es auf eine per fekte Übereinstimmung von Emailfarbe und Glaszusammensetzung ankommt. So mußte Ich durch lange Versuchsreihen jene Farben aus dem Angebot aussuchen, die am besten mit dem Glas meiner Glashütte überein stimmten. Ein kleiner Wechsel der Zusam mensetzung in einer der beiden Komponen ten bedeutet andere Ergebnisse und neues Experimentieren. interessiert hat mich schon sehr früh die Schwarzlottechnik, die ich auf farblosem Glas versucht habe. Dabei wird das Motiv nur in schwarzer Farbe dargestellt. Diese Technik unterscheidet sich aber nicht nur durch die Farbe, sondern auch durch das Malmittei. Bei der normalen Emaiitechnik soll die Farbe fnögiichst schnell trocknen, damit der Färb-

auftrag erhalten bleibt, was am besten In der Abbildung 2 mit dem Täubchen ersichtlich Ist. Bei den schwarz bemalten Gläsern wird die Farbe zunächst flächig aufgetragen und die Zeichnung in haibtrockenem Zustand mit einem spitzen Gegenstand eingraviert. Das ist nur dann möglich, wenn die Farbe dünn aufgetragen werden kann, also sehr deckend ist und nur langsam trocknet, sodaß man in die halbtrockene Farbe gravieren kann. Ich habe dafür bei einer alten Wiener Firma eine Konturenfarbe gefunden, die bei der Schmelztemperatur der Giasfarben noch gut eingebrannt werden kann und auch bei dün nem Auftrag noch gut deckend erscheint. Diese Technik wurde auch häufig bei farblo sen Giasfiaschen zur Darstellung von Voikskunstmotiven oder Heiligenfiguren verwen det, als Musterbeispiel ist in der Abbildung 7 ein Wirtshaus mit einem Schießstand darge stellt. Der bekannte Linzer Maler Fritz Algner hat als Student solche Flaschen bei mir ge malt, die sehr beliebt waren. Besonders ge eignet für diese Technik sind auch alte Holz schnitte von Pflanzen. Darstellungen von Arnlka oder Pfefferminze nach Vorlagen einer Radierung können einen sehr großen Arbeitsaufwand bedeuten, sind aber immer hübsch und lohnend und werden gerne gekauft. Wappengläser und der Schritt zur Goldmalerei Wenn man sich als Glasmaler etabliert hat, gibt es Immer wieder Aufträge, Familienwap pen auf Gläser oder Flaschen zu malen. Ein solches Wappen findet sich in Abbildung 2. Wappen nach schönen Vorlagen zu machen, ist sicher eine lohnende Aufgabe; allerdings nicht alle Motive sind für Wappen geeignet und so kann man auch seine Enttäuschung erleben, wenn man Motive aus heraldischen Gründen in Wappen einbauen muß, obwohl sie dafür nicht geeignet sind. Wer Wappen malt, wird unvermeidlich auch mit dem Wunsch konfrontiert, diese Wappen in Gold auszuführen. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde malbares flüssiges Gold entwickelt. Ich habe das wohl gewußt, aber nicht verwendet, da es auch in der sogenann ten Volkskunst kaum verwendet wurde. Bei noch älteren Gläsern wurde Blattgold ver wendet mit dem noch immer ungelösten Pro blem der FIxatlon. Glas ist prinzipiell zum Vergolden sehr geeig net, weil es glatt ist und nicht erst poliert wer den muß. In dem flüssigen maibaren Gold kommt das Gold kompiexgebunden vor und erscheint daher nicht als Gold. Erst beim Brennen wird diese Verbindung zerstört und das metallische Gold erscheint in seinem vol len Glanz. Das Glanzgold hat eben wegen seiner leichten Verarbeitungstechnik einen Siegeszug Im Glasdekor angetreten, der bis heute währt. Wenn es haltbar sein soll, muß es eigentlich bei gleichmäßiger Temperatur aufbewahrt werden und darf nicht im grellen Licht stehen. Beim Waschen darf es nicht zu stark erwärmt werden, in einen Geschirrspü ler soll man es niemals stecken. In den fünfziger Jahren hat es noch mehrere Maler gegeben, die sich mit dem Maien von Wappengiäsern befaßt haben. Damals hat es auch noch malbares Gold gegeben, das Rechts: Abb. 3 Bierkrüge, zwei mit und zwei ohne Zinndeckel, links Freundschaftsbecher, zwei Spruchgläser mit Rosen, rechts Zunftzeichen eines Schneiders 't-e «.-f / ___.4 "inii Abb. 2 Darstellungen In Schwarzlotmalerei; von links nach rechts: alte Ansicht von Linz, französisches Familienwappen, Schloß in der Nähe von Graz, Moschee Im Stiftsgarten und Stiftsansicht von Kremsmünster

,7 Ä . ^ f -j i langsam getrocknet ist und graviert werden konnte, in Abbildung 4 findet man ein solches Stück mit Biedermeierornamenten. Eine gute Ausführung erfordert sorgfältigen Goidauftrag und große Erfahrung bei der Wahl des Zeitpunktes des Gravierens. Die Anwendung dieser Technik für Einzeistücke macht mir auch heute immer noch Freude. Außer den schon erwähnten Wappen habe ich auch vie le Goidgiäser mit Jagdmotiven, mit Pferden in Lipizzanerposen oder mit Ornamenten gra viert. Von diesen Gläsern muß es einige Hun derte geben. immer wieder habe ich auch die Arbeit mit Blattgold versucht. Die haltbarsten Gläser dieser Art sind Zwischengoidgiäser. Dabei ist über einer in Goldfolie gravierten Szene eine zweite Glasplatte gelegt oder im Falle eines Hohigiases ein zweites Glas geklebt, in diesem Fall ist der Giasschieifer, der das Gias erzeugt, der größere Handwerksmeister. Um das Gravieren auf einer Goldfolie zu erler nen, habe ich mir eine Folie auf eine Glasplat te geklebt und diese graviert. Das ist ein sehr komplizierter Vorgang mit drei oder mehreren Arbeitsgängen. Die wenigen Stücke, die ich in dieser Technik gemacht und auch behalten habe, sind nun über 20 Jahre alt, bestens er halten und glänzen auch ohne Deckplatte wie am ersten Tag. Diese letztgenannten Techniken, die sicher nicht mehr als Volkskunst im engen Sinn zu bezeichnen sind, habe ich aus den Archiven europäischer Museen erfahren und es ist in teressant zu beobachten, wie gleiche Techni ken, aber auch gleiche Motive in verschiede nen Zeiträumen für diese Zeit neu entdeckt, dem Geschmack und den technischen Mög lichkeiten angepaßt werden. Rubingläser Zu allen Zelten waren rubinrote Gläser sehr beilebt. Daher finden sich in allen großen Mu seen rubinrote Gläser, geschliffen, geätzt, graviert oder auch bemalt. Es sind meist klei ne Stücke, immer mundgeblasen, mit gefärb ter Oberfläche, auf der man keinen Farbauf trag sieht. Es hat mich zwei Tage im schon erwähnten Museum für angewandte Kunst gekostet, um herauszufinden, wie diese Glä ser hergestellt wurden. Leider mußte ich zu nächst einsehen, daß der Herstellungsprozeß mit dreifachem Brand in einem Muffelofen, den es heute nicht mehr gibt, sehr aufwen dig, ja viel zu aufwendig war, um an einen Versuch, es selbst zu probieren, denken zu können. Sicher war auch, daß das damals verwendete Glas pottaschehältig und durch den Kaliumgehalt für die Aufnahme der roten Farbe besser geeignet sein mußte als unser heutiges Laborglas. Für die schon vorher erwähnte Schwarzlot technik, bei der die Farbe blei- und eisenhältig ist und daher sehr wenig Abhängigkeit von der Giasmasse zeigt, gibt es heute wie der schöne mundgeblasene Glasformen von guten Laborglasbläsern. Bei dieser meiner Technik, schwarz zu malen und dann zu gra vieren, ist die Hauptwirkung schon beim deckenden Malen festgelegt. Die Gravierung bedeutet mehr eine Betonung oder eine Ver bindung. Wichtig ist, wo der gravierte Strich sitzt.

.'JUKt Leider läßt sich diese Technik für die Rubin farbe nicht verwenden. Dünn aufgetragen, deckt die Rubinfarbe zu wenig, dick aufgetra gen, springt sie beim Gravieren ab. Daher sind die typischen Dekors der Schwarziottechnik nicht verwendbar. Für die Rubinmal technik müssen eigene Dekors verwendet werden. Die Lösung dieses Problems fand ich in der Auseinandersetzung mit der Dia mantgravur. Schon im 17. Jahrhundert gab es Humpen und Teller, die mit einem Diamantspiitter, der so gefaßt war, daß er wie ein Bleistift verwen det werden konnte, geritzt waren. Damit wur den nur Striche, eventuell Ringe und Tupfen erzeugt. Das war nur deshalb möglich, weil Abb. 4 Die Gläser auf diesem Bild sind mit haibtransparenter Emailfarbe gemalt und nachträglich graviert. Sie sind weniger mit den alten Rubingläsern, als mit den Diamantgravuren verwandt Abb. 5 Zwei Ranftlbecher, zwei Spulengläser, ein Cocktaiigias und ein Krug mit Rosendekor das Glas dieser Zeit viel weicher war. ich habe diese Technik auf zwei Teilern, die ich antiquarisch gekauft hatte, versucht. Eine gute Führung erzielt man nur, wenn das Glas etwas benetzt ist. Daher ist auch eine Vor zeichnung nicht möglich, höchstens eine Markierung einzelner Punkte mit einem Röteistift. Das Gravieren dieser beiden Teiler hat mir sehr großen Spaß gemacht, aber es war so arbeitsaufwendig, daß ich sie schon des wegen niemals für den Verkauf hätte machen können. Der Dekor dieser alten Stücke ist sehr einfach, wahrscheinlich von alten Holz schnitten oder alten Kupferstichen. Nun habe ich die Grundformen dieses strichförmigen Dekors in roter Farbe aufgetragen und dann 6

Abb. 6. Sechs verschiedene, aufwendig bemalte Teegläser mit dem Elsen graviert. Bei guter Verteilung gibt das eine sehr gute Wirkung. Am besten kann man das sehen bei dem kleinen Trinkgiasbild in Abbildung 4. Die danebenstehen de Scheibe habe Ich dazugenommen, well man an diesem Stück am besten erkennen kann, wie schön das Rot wird, wenn es auf einer alten Glasplatte gemalt ist. Auf demsel ben Bild sehen sie noch einige andere In dieser Technik gemachten Stücke, von denen ich viele erzeugt habe, am liebsten auf größe ren Gläsern. Spulengläser und „Ranftlbecher" Anläßlich der 1200-Jahr-Feier des Stiftes Kremsmünster, zu der auch glücklicherweise die Restaurierung meines „Blauen Hauses" abgeschlossen war, haben wir 1977 in den unteren Räumen des Hauses eine Glasaus stellung eingerichtet. Viele der ausgestellten Gläser liehen wir aus Privatbesitz. Angeregt durch die vielen schönen Gläser, haben wir eine Reihe von neuen Artikeln, Formen und Mustern entwickelt. Neben neuen Krügen mit dazupassenden Gläsern wurden hier beson ders die sogenannten Ranftlbecher (Abbil dung 5) erzeugt, trichterförmige Gläser auf solider Grundplatte, die meistens mit Rosen motiven dekoriert und weniger für den Ge brauch, als vielmehr für den Glaskasten als Einzeistück bestimmt waren. Durch das Ro senmaien habe Ich wieder erfahren, wie wichtig die Übereinstimmung von Glasmasse und Farbe ist, weil Rot und Rosa die am schwierigsten zu malenden Farben sind. Be sondere Fertigkeit darin hat meine Mitarbei terin Erika Hofstadler erreicht. Auch Bierkrüge mit schönen Deckeln aus Zinn haben seit dieser Zeit eine Renaissance erlebt. In Abbildung 3 sind meine Kopien von Krügen aus dem 19. Jahrhundert dargestellt, der Krug mit dem Zunftzeichen eines Schnei ders ist noch älter. Teegläser Meine erste Begegnung mit Teegläsern stammt aus meiner Mittelschulzeit in Wien. Zusammen mit meiner Schwester habe ich es damals genossen, in großen Geschäften der Innenstadt Kunstgewerbe und Porzellan anzuschauen, also Dinge, für die ich mich im mer schon interessiert habe. Von den Glas waren sind uns die Teegiäser in Erinnerung geblieben, die es damals überall zu kaufen gab: Meistens aus billigem Wirtschaftsglas hergestellt, oft mit Edelweiß und Enzian be malt, wobei auch die Bemalung eher billig war. Von diesen Gläsern muß es damals sehr viele gegeben haben, man findet sie heute noch bei Antiquaren und Flohmärkten als Sammelstücke, denn diese Gläser wurden mit der Nostalgiewelie der sechziger Jahre wiederentdeckt. Teegläser haben mehrere in teressante Aspekte: Es sind die letzten Glä ser, die von kleinen Handwerkern mit eigenen Entwürfen oder nach abgewandelten Vorla gen bemalt wurden. Die Glasformen stamm ten meist aus nahegelegenen Glashütten. Häufig sind sie von den Glasmalern direkt auf Kirtagen oder Jahrmärkten verkauft worden. Fast immer wurden sie als kleines Geschenk etwa von Kindern an ihre Eltern oder vom Hofgesinde an die Bäuerin verwendet. Manchmal waren die Dekors auch sehr auf wendig, mit Goid oder stark aufgetragener Farbe unterlegt. Um die Jahrhundertwende sind in rascher Folge neue Arten auch zeit sparender Dekors aufgekommen, die auf diesen Gläsern verwendet wurden. Diese bil ligen Serienprodukte waren aber immer noch mit der Hand gemalt, obwohl damals in der Industrie bereits gedruckte Abziehbilder ver wendet wurden. Es ist unvorstellbar, wieviele verschiedene Dekors zu finden sind, vom Biedermeier bis zum Jugendstil. Noch immer bringen Kunden neue, mir bislang unbekann te Muster zum Anschauen oder Nachmalen. Meine Schwiegertochter, Frau Hofstadler und ich haben in den letzten Jahren eine Samm lung von Kopien (Abbildung 6) für die Firma angelegt. Wer sich dafür besonders interes siert, sei auf das schöne Museum für Glas „Zum wilden Mann" in Passau verwiesen, wo Weihnachtsausstellung vom 20. November bis 23. Dezember 1988 HEKTHÄ WASCI-IEK TKK.: HILUEGOIW E WAHCIIER KÜNSTGEWEeiSE 45SO KREMTSMVtVSTER - ICIRCHKERG 1 Diese Verkaufsausstellung findet im münster, Kirchberg 1, statt. .Blauen Haus" in KremsAusgestellt sind Christbaumschmuck und Christbaumdekorationen, Weih nachtsdekorationen sowie viele schöne bemalte Glasobjekte, mit einem Wort, eine wahre Fundgrube für ein gediegenes, persönliches, nive auvolles Weihnachtsgeschenk.

Abb. 7 Verschiedene Jagdmotive in Schwarzlotmalerei auf Gläsern und Flaschen, Wirtshaus mit Schießscheibe und Schützen. — Sämtliche Fotos: Wilfried Wascher, Arnsdorf (Salzburg) es eine reichhaltige Sammlung an Bierglä sern, Krügen und Teegläsern gibt. Ich habe dieses Museum besonders gerne, weil je mand mit sehr viel Verständnis und Liebe die Gläser in der Zeit gesammelt hat, wo sie auch erzeugt wurden. Es finden sich aber auch un zählige ältere, oft sehr schöne Stücke dort, die für den täglichen Gebrauch bestimmt waren und nicht als Prunkstück für die Glas vitrine. Es sind Dinge, die für den kieinen Mann gemacht und auch von ihm gekauft wurden. Mit seinem Interesse und durch den Kauf hat damals der Konsument die Herstellung schö ner Kunstgegenstände gefördert. Bei diesem Gedanken und beim Betrachten der vielen schönen Stücke aus vergangenen Jahrhun derten stelle Ich mir die Frage, ob nicht auch heute die Konsumenten eine gewisse Mitschuid an der Geschmacklosigkeit unseres Jahrhunderts tragen und nicht nur die Erzeu ger. Sicher ist der Qualitätsverfall ebenso durch die Dumpingpreise der im Ausland her gestellten Kopien bedingt. Wein- und Tafelgläser Viele dieser Teegläser und Freundschaftsbe cher, wie sie ja auch genannt wurden, sind Einzelstücke für Geschenkzwecke. Daneben wurden aber auch immer Weingläser und Glasservice für den gedeckten Tisch ge braucht. Der Verwendungszweck ergibt die Forderung, daß die Glasform und das Muster immer wieder nachlieferbar sein sollten. Es mußten also Formen gewählt werden, die in Österreich einfach erzeugbar sind, und Mu ster, die auch von verschiedenen Malern be herrscht werden; obendrein sollten die Glä ser allen gefallen, was wohl die schwierigste Aufgabe daran ist. Der Goldrand wird auf der Ränderscheibe mit flüssigem Gold gemalt, eine Technik, die jeder Anfänger bei der Her stellung von Chrlstbaumkugeln erlernt. Die Musterkollektion, die ich über viele Jahre zu sammengetragen habe, stammt vielfach aus Frankreich und ist technisch nicht sehr an spruchsvoll. Wichtig aber ist, daß der Goldde kor auch auf der Innenseite golden wirkt, was nur bei mundgeblasenem Glas bester Quali tät der Fall ist. Wiederum hat die Zusammen arbeit mit der Salzburger Cristallglashütte zu schönen hochqualitativen Glasformen ge führt, die einerseits bemalt, andererseits aber auch glatt und undekoriert zu bäuerli chen Möbeln und Geschirr verwendet wer den können. Es gibt mindestens vier ver schiedene Muster, die zwar heute von einer anderen Giashütte geiiefert werden, die aber nach wie vor erhältlich sind und nachbesteiit werden können. Die hier dargestellten Methoden der Glasma lerei werden in unserer Firma seit Jahrzehn ten angewandt. Mehrere Generationen von Glasmalschülern wurden ausgebildet und somit haben alte Techniken wieder eine neue Verbreitung erfahren. Mein persönliches In teresse liegt nach wie vor in der Auseinander setzung mit aiten und neuen Methoden, auch wenn sie sich nicht kommerzieli verwerten iassen; so mancher Besucher meines Hau ses wird hier Einzeistücke finden, die auch in Museen nur selten anzutreffen sind. 8

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Heimatwerkgedanke, Heimatwerk-Stii und Voikskuitur Helmuth Huemer In den Jahren nach dem letzten großen Krie ge sind in allen österreichischen Bundeslän dern „Heimatwerke" entstanden — die bei den ältesten in Graz und Innsbruck wurden schon 1934 gegründet —, die in den vier — bzw. fünf Jahrzehnten ihrer Wirksamkeit für einen großen Teil unserer gegenwärtigen Volkskultur stilbildend geworden sind. Ihr Einfluß erfaßte alle Bereiche des gestalten den Handwerks, die mit den traditionellen Werkstoffen zu tun haben, wie die Metall-, Holz-, Glas-, Tonerde-, Papier-, Wachs-, Flechtmaterialien- und Textil-Verarbeitung, er wurde auch in den Industriebetrieben, die diese Materialien be- oder verarbeiteten, be sonders in der Holz- und in der Textilindustrie, zeitweilig dominant und erfaßt natürlich auch breite Teile des Kunsthandwerks. Dieser — wie er seit längerem auch genannt wird — „Heimatwerk-Stil" ist in seiner besonderen Ausprägung eine Erscheinung der Ostalpen länder, der in Abwandlungen etwa von Grau bünden über das Schwabenland nach Ober bayern bis nach Südtirol und besonders in Österreich zu finden ist. Seine Auswirkungen sind in der gegenwärtigen Volkskultur Öster reichs fast überall zu spüren, man begegnet ihm auf Schritt und Tritt, z. B. in den Trachten der Musikkapellen, der vielen anderen Ver eine und einmal mehr, einmal weniger, der Privatpersonen auf Volksfesten, Messen, po litischen und anderen Gemeinschaftsveran staltungen, teilweise in den festlichen Garde roben bei den verschiedenen auch „hochkarätigen" Festspielen, deren es in Österreich zahlreiche gibt, und immer wieder, einmal mehr, einmal weniger in der Alltags kleidung der Menschen. Man begegnet ihm in zahlreichen Wohnungen der nicht bäuer lichen Bevölkerung auf dem Lande, in den Stuben der Bauern, die „etwas auf sich hal ten" und die noch stolz auf ihren Stand sind, in den Wohnungen vieler Stadthäuser und in Rudimenten bis in die Wohnsilos aus Beton und Glas. Man begegnet ihm häufig auch überall dort, wo für festliche Taufen, berufliche Anlässe, Hochzeiten und Grabgeleite, für Weihnach ten, Fasching, Ostern und Erntedank Zurich tungen getroffen werden. Jede Institution, die Erwachsenenbildung be treibt, seien es die Volksbildungswerke, die Volkshochschulen, die Wirtschaftsförderungsinstitute und die Berufsförderungsinsti tute, die Jugend- und Seniorenclubs der Reli gionsgemeinschaften, der politischen Parteien und der unpolitischen Vereinigun gen bieten neben ihren beruflichen Fort bildungsprogrammen, und natürlich auch die Heimatwerke, Kurse aus dem Bereich der überlieferten Volkskunst, mit der sich das Heimatwerk traditionell identifiziert, ja die ur sprünglich vom Heimatwerk angeregt wur den, an, wie z. B. Hinterglasmalen, Holzbemalung. Kerbschnitzen, Kreuzsticken, We ben, Stricken usw. In den Volks- und Hauptschulen wurden früher viele Handar beitstechniken gelehrt, die zum Teil auch der Volkskunst zugezählt werden können und die andererseits den Menschen praktische Hil fen geben und Freude bereiten sollten, wie z. B. Sticken, Stricken, Häkeln, Nähen u. a. In den letzten Jahren wurden diese leider von einer zentralen Unterrichtsverwaltung stark zurückgedrängt, die der Meinung war, daß solche Arbeiten nicht zur Selbstverwirkli chung, besonders der Frau, beitragen könn ten und die, weil sie für Wien unnütz empfun den, auch für die entfernten Gebiete in den Bundesländern als unnötig erachtet wurden. Viele Erwachsene erlernen aber dann mit de sto größerer Begeisterung und meistens auch mit viel mehr Mühe die Handarbeitsfer tigkeiten, die ihnen in der Schule versagt wur den. Es ist natürlich, daß sich die Arbeit des Heimatwerkes auch immer wieder über seine Randgebiete, z. B. die Fest- und Feiergestal tung, die Volksmusik, das Volkslied, den Volkstanz usw. erstreckt, die eigentlich nicht zu seinem unmittelbaren Aufgabenbereich zählen. Nach dem vorher Gesagten könnte man glau ben, daß unser Land von diesem „Heimatwerk-Stil" vollkommen beherrscht wäre — dem ist natürlich nicht so! Es hat zu allen Zei ten verschiedene Bevölkerungsschichten ge geben, die einmal mehr zur Konservativität oder zur wechselnden Mode geneigt haben, jetzt leben wir im Zeitalter des Pluralismus, in dem Vieles, auch Gegensätzliches, neben einander wirkt und in dem viele Mitbürger der „Moderne" — oder was sie dafür halten — durchaus aufgeschlossen sind. Es muß auch ehrlich eingestanden werden, daß wirklich nicht alles, was mit „HeimatwerkStil" bezeichnet bzw. was diesem unterscho ben wird, gut ist. Manchem Kursteilnehmer mangelt es an technischem Können und Ge schmack, bei manchem Handwerker und bei manchem Kunsthandwerker ist es nicht an ders, was dabei herauskommt, kann ein fürchterlicher Kitsch sein. Wenn dann noch eine sogenannte „Geschmacksgüterindu strie" Produkte im Heimatwerk-Stil erzeugt oder in europäischen oder ostasiatischen Bil ligpreisländern erzeugen läßt, dann ist das Malheur vollständig. Aber seien wir ehrlich: schlechte Produkte hat es immer, auch in der „klassischen" Zeit der Volkskunst gegeben, der Teufel sitzt nur in der Zahl und die durch unser Wirtschaftssystem erzwungene Mas senerzeugung mit der Notwendigkeit des Ab satzes zu wohlfeilen Preisen ist das eigentli che Problem. Zum Beispiel der hölzerne und bemalte „Heimatwerk-Christbaumschmuck", der ursprünglich in einer kunsthandwerkli chen, vom Heimatwerk geförderten Werkstät te in Linz hergestellt wurde, der später aber in einer noch qualitativ vertretbaren Art in den großgewerblichen Werkstätten Grödens ko piert wurde und noch wird und der schließlich von europäischen Auftraggebern in Fernost in Unmengen produziert und bei uns in den großen Handelsketten wohlfeil vertrieben wird. Die Linzer kunsthandwerkliche Werkstätte, die neben einer Großfamilie bis zu 14 Mitar beiter beschäftigte, hat rechtzeitig zuge sperrt, aber die asiatischen Mandeln im euro päischen Gewand haben, trotz erstaunlich genauer Arbeit, eine heimliche chinesische Frisur und geschickt getarnte Schlitzaugen.^ Solch unangenehme Erscheinungen treten bei unserer freien Marktwirtschaft in vielen Artikelgruppen zwangsläufig auf, sie werden provoziert durch eine scharfe Konkurrenz situation, die ja eigentlich der Tod jeder Kunst und auch jeder Volkskunst ist, und gefördert durch die weltweite Kommunikation und den weltweiten Verkehr. Es gibt aber auch eine industrielle Serienpro duktion, die absolut positiv im Sinne des Heimatwerk-Stiles zu werten ist. Hier sei die Tex tilindustrie genannt, die Seidenwebereien, die Baumwoll- und Leinenwebereien und Stoffdruckereien auf dem Sektor Tracht und Heimtextilien. Oder die manchesmal segens reichen Auswirkungen des industrial design auf Produkte der traditionellen Gebrauchsgü ter, wie Tongeschirr, Glas und Sitzmöbel, um nur einige gegensätzliche Sparten zu nen nen. Was sind das nun für Menschen, die diesem „Heimatwerk-Stil" nahe stehen oder zumin dest an einzelnen im Heimatwerk angebote nen Gegenständen ihre Freude haben? Ge nerell gesehen gehören sie allen Schichten unserer Bevölkerung an, es sind Teenagers und Twens, reifere und ältere Jahrgänge dar unter. Die Jugend wird, allerdings nicht nur aus finanziellen Gründen, in den letzten Jah ren spärlicher, da sie es ist, auf die sich die geballten Einflüsse der internationalen Mo detrends am stärksten auswirken. Wir kön nen aber feststellen, daß sich die etwas reife ren Jahrgänge bei ihrem Nestbau manches mal in irgendeiner Form wieder dem gemüt vollen, qualitäts- und zeitbeständigen Ange bot des Heimatwerkes aufschließen. Das beginnt bei der Hochzeit in Tracht, setzt sich eventuell fort bei der Einrichtung des Eßplatzes, wenn das Geld noch nicht für eine ganze Wohnungsausstattung reicht oder er streckt sich bei ganz modern Gesinnten oft nur auf einzelne Ausstattungsstücke, auf ge diegenen Hausrat, eine keramische Vase, ein 11

schönes, zeitlos geformtes Glas usw. Zu den Kunden des Heimatwerkes zählen z. B. auch moderne Architekten, die hier grobes Natur leinen und Blaudrucke kaufen, zählen die vie len Frauen, die hier das Kreuzsticken und Spitzenklöppeln lernen und sich die Vorlagen und Materialien besorgen, zählen die Frauen und Männer, die sich Trachten oder einzelnes trachtliches Beiwerk, wie Tücher, Taschen, Schmuck usw. kaufen, zählen die Liebhaber guten, bodenständigen Hausrates, zählen die jungen und älteren Menschen, die sich Anregungen für Gegenstände zur Feiergestaitung holen und einzelne Stücke auch kau fen (z. B. Geburtstage, Taufe, Hochzeiten, Ostern und Weihnachten), zählen die Liebha ber von echter Volksmusik, die hier Instru mente, Noten und Schallplatten finden, oder Spezialisten, die Fachliteratur über Volks kunst und Mundart oder Werkbücher suchen. Das Warenangebot des Heimatwerkes ist sehr umfassend und reicht von der Wiege bis zum Grabkreuz. Deshalb kommen Men schen aus allen Lebensbereichen, Städter und Landbewohner, Reiche und Arme, Ein fache und Hochgebildete, Angehörige aller Weltanschauungen von rechts und von links und natürlich auch Gäste aus dem Ausland, die hier bodenständiges Kultur- und Hand werksgut ansehen, und wenn es der Geld beutel erlaubt, auch mitnehmen wollen. Wir haben nun versucht, das Heimatwerk und den von ihm geprägten Stil als eine der Erscheinungsformen im pluralistischen Gefü ge der Kultur unserer Zeit wenigstens andeu tungsweise aufzuzeigen und dabei eine be achtliche Breitenwirkung festgestellt, deren Intensität natürlich den Schwankungen, die von den großen internationalen Modetrends ausgelöst werden, unterliegt. Aus der bisheri gen Schilderung wird leicht begreiflich, daß zwischen dem Heimatwerk — und wir den ken hier an alle Heimatwerke in Österreich — und dem Kunsthandwerk, so weit es sich in seinen Arbeiten um tradierte Formen be müht, eine rege Wechseiwirkung in geistiger und in wirtschaftlicher Hinsicht besteht. Betrachten wir zunächst die wirtschaftiiche Seite. Leider gibt es keine exakten Unterla gen, aber das Folgende kann dennoch einen guten Eindruck vermitteln: Die österreichi schen Heimatwerke besitzen eine eigene Oben: Altes Mieder mit Goldstickerei verziert. — Foto: Archiv OÖ. Heimatwerk Links: Indigo-Blaudruck auf Reinleinen, Schürzenstreifen In Baumwolle, Rotdruck. Sämtliche Fotos: Foto Flelschmann, Linz Rechts: Blick In einen Ausstellungs- und Verkaufsraum des OÖ. Heimatwerkes 12

Zeitschrift, die seit sechs Jahren in einer Aufiage von je 10.000 Stück viermai jähriich er scheint. ihr Inhalt handelt ausschließlich von „Volkskunst, Handwerk, Tracht und Brauch" und gibt den Erzeugern und den Interessen ten ständig Hinweise für ihre Arbeit. Hier fin det man auch die Adressen der Heimatwerke verzeichnet und man stellt fest, daß es in Österreich bundesiänderweise acht Heimat werk-Organisationen gibt, die zusammen 18 Geschäftsstellen betreiben, denen zum Teil Trachtenwerkstätten, ferner eine Spinnerei und eine Weberei angeschlossen sind, in diesen Heimatwerken, die allerdings eine sehr unterschiedliche Größe haben, arbeiten ca. 190 hauptberufliche Mitarbeiter ein schließlich Lehrlinge und Teiizeitbeschäftigte, die im vergangenen Jahre rund 170 Millio nen Schilling netto umgesetzt haben. (Hier ist nicht mitgerechnet der Sonderfall des Salz burger Heimatwerkes mit seinem äußerst ak tiven jährlichen Adventsingen.) Ungefähr 95 Prozent aller verkauften Waren stammen aus Österreich, der kleine Rest verteilt sich auf 13

Kursraum in der Handarbeitsstube des OÖ. Heimatwerkes SWjso«,«? '£ßit^-:'^TA p ;?:s i» das benachbarte, aber kulturell dazugehö rende Ausland, wie die Bundesrepublik, Oberbayern, Berchtesgaden, Südtirol, Schweiz und teilweise Erzgebirge; im übri gen werden die auswärtigen Produkte in der Regel gekennzeichnet. Die Zahl der inländi schen österreichischen Erzeuger, die an die Heimatwerke liefern, dürfte um die 1500 bis 1600 betragen und es sind nur wenige größe re Betriebe darunter, in der Hauptsache han delt es sich um kleine Gewerbetreibende und kleine kunsthandwerkliche Werkstätten, die naturgemäß auf minimale Betriebsgrößen be schränkt sind, die aber die Zusammenarbeit mit dem Heimatwerk aus wirtschaftlichen Gründen desto mehr benötigen. Ein ehrli ches Bemühen um eine gute Qualität der Ware sowohl hinsichtlich Material, Form, Far be und Verarbeitung ist allen Heimatwerkarti keln gemeinsam, ihre Herstellung erfordert meistens viel Zeit und gerade diese wird bei uns immer kostbarer! Für die wirtschaftliche Existenz der Kunst handwerker muß eine wichtige Nebener scheinung der Heimatwerk-Arbeit erwähnt werden. Besonders in den letzten beiden Jahrzehnten ahmen zahlreiche Geschäfte den Heimatwerk-Stil nach und bemühen sich um ein passendes Angebot, ja Großfirmen haben eigene Abteilungen eingerichtet, die Mitglieder wohltätiger Vereinigungen erzeu gen in Bastelabenden ein ganzes Jahr hin durch Waren, die aus dem Heimatwerk-Bereich kopiert sind, und verkaufen ihre Produkte vor den Festzeiten auf Tischen und Ständen in den Straßen und auf Wohltätig keitsbasaren, ein gleiches tun sehr viele Private. Wieder ein Beispiel: Es ist erwiesen, daß die Strohsterne für den Christbaum Ende der vierziger Jahre zunächst in einer von den Heimatwerken geförderten Kleinwerkstätte, später noch in einer zweiten hergestellt wur den. Durch die Heimatwerke gelangten diese Sterne zu einer weiten Verbreitung. Heute werden sie in Massen von verschiedenen Einzelpersonen und von Jugendgruppen her gestellt und verkauft, ja zu Schleuderpreisen werden sie von Großhandelsketten aus China importiert. Auch hier liegt das Problem wie der in der Zahl. Es wird neben Gutem leider sehr viel Kitsch produziert und verkauft, das Auge wird übersättigt, dem ganzen Stil wird geschadet. Es kann aber doch mit Nach druck festgehalten werden, daß sehr viele kunsthandwerkliche Werkstätten in Öster reich (deren Zahl ist nicht bekannt!) durch die unmittelbare Arbeit der Heimatwerke und durch die äußerst rege Tätigkeit ihrer Nach ahmer in ihrer wirtschaftlichen Existenz sehr 14

Moderne Strohflechtarbeiten für den gedeckten Tisch gefördert wurden und es ist zu hoffen, daß dies, wenn die negativen Übertreibungen nicht zu arg werden, wenigstens einge schränkt auch in der nächsten Zukunft so sein wird. Nun zur weitaus wichtigeren, zur geistigen Seite, zur Zusammenarbeit des Heimatwer kes mit dem Kunsthandwerk auf dem schöp ferischen und dem ästhetischen Gebiet. Hier müssen wir ein wenig aushoien. Die österreichischen Heimatwerke besitzen einen für aiie verbindiichen „Verhaltenskatalog"2, in dem es unter anderem wörtlich heißt: „Aufgabe eines Heimatwerkes ist es, zur Entfaitung der historisch gewachsenen Eigenständigkeit und damit Identität eines Landes oder einer Region beizutragen. Die Heimatwerke treten in diesem Bemühen für die Erhaltung, Entfaltung und Förderung der Volkskultur, hier wieder primär für die sichtba re Volkskultur . . . ein. . . . Das Heimatwerk erfüiit ais Beratungs-, Betreuungs- und Verkaufsstelie eine kulturelle (volksbiidnerische) und eine wirtschaftiiche (handwerksfördern de) Aufgabe. In der Durchführung muß die kulturelle Aufgabe wirtschaftlich und die wirt schaftliche im Hinblick auf den kulturellen Zweck gelöst werden. ... Ein Heimatwerk hat die Aufgabe, die Volks- und Handwerks kunst des kulturgeographischen Raumes, in dem es seine Tätigkeit ausübt, zu pflegen. Im besonderen sind dies: die überlieferte Volks kunst, die traditioneiien Erzeugnisse des Handwerks und die Volkstracht. Richtschnur ist dabei nicht starres Konservieren, sondern lebendige Anpassung und damit ständige Neuformung. . . . Das Warenlager eines Hei matwerkes ist zugleich eine ständige Aussteliung, die den jeweiiigen Stand der Volks- und Handwerkskunst. . . sinnfällig zum Ausdruck bringt. Diese Ausstellung unterscheidet sich jedoch in mehrfacher Hinsicht von musealen Darstellungen, vor allem a) durch die absolu te Gegenwartsbeziehung, b) durch den prak tischen Aspekt, c) durch den unmittelbaren Lebensbezug . . .!" Zunächst steht einmal fest, daß ein Schwer punkt des (österreichischen) Heimatwerkes in der Pflege der tradierten Volks- und Hand werkskunst liegt. Seit dem Beginn unseres Jahrhunderts sind allerdings viele Fachwis senschafter der Meinung, daß die „echte", überlieferte Volkskunst tot sei, weil Ihre Vor aussetzungen aufgehört haben zu bestehen®, und diese sind nach Alois RIegl, dem aus Linz gebürtigen berühmten Wiener Kunsthistoriker'*, die Identität von Erzeuger und Verbraucher in einer autarken Gemein schaft, in der aiie Vormaterialien selbst her gestellt, selbst verarbeitet und das Produkt auch selbst benützt wird. Man vermutete auch, daß das damals (1894) neue westliche f T^XnWiUlWiM Krippe in Kreuzstichtechnik: Entwurf Prof. Alfred Stifter 15

Arbeiten aus Jungholz: Entwurf Prof. Karl Wilhelm Wirtschaftssystem, die Industrialisierung und der Kapitalismus, das Ende der klassischen Volkskunst herbeiführen müsse, da im Zeit alter des „Hausfleißes", der sich bis dahin im östlichen Österreich — Ungarn, am Balkan und im Orient noch in Spuren erhalten hatte, neben vielem anderen als wesentliches Krite rium z. B. die Arbeitszeit nicht in den Preis einkalkuliert werden mußte. Es gibt dann spä ter viele Theorien über die Definition der „Volkskunst", die diese Standpunkte beträcht lich erweitern.® Fest steht, daß der Begriff um die Mitte des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal auftaucht und daß er durch die großen Weltausstellun gen in London 1851, Paris 1867, Wien 1873, sowie durch viele andere damals in Mode ge kommene Industrie- und Gewerbeausstellungen und deren zum Teil sehr bedeutende Folgeliteratur® popularisiert wurde. Man ver glich die Volkskunst mit „einer Blume voll Duft und Farbenpracht, die bescheiden im Verbor genen blüht" (Alois Riegl) und erhoffte sich von ihr ein Wundermittel gegen die Stilverwir rungen und den Niedergang der zeitgenössi schen bildenden Künste. Diese Wertschät zung ist damals von England ausgegangen und hat besonders Frankreich, Deutschland, Österreich und die skandinavischen Länder erfaßt. Die Volkskunst sollte als Ideenspender und als „Kunst" -Dünger besonders für die Er zeugnisse des Handwerks, für die Erzeugnis se des damals neu entstandenen Begriffes des „Kunsthandwerkes" ais eines gehobenen Handwerks und für die Produktionen der Ge brauchsgüterindustrie dienen. Ursprünglich sammelte man — nicht die damals zeitgenös sischen, sondern die damals auch schon ab gelegten Objekte der Volkskunst ais Muster stücke für eine neue gewerbliche Produktion, man erkannte aber gegen Ende des Jahrhun derts, daß ihre Inhalte doch zu bescheiden waren und zu wenig hergaben, daß man sie also zu wenig verwerten konnte. Im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts ent standen auch die großen Spezialmuseen für Volkskunst, z. B. in Wien, Berlin, Hamburg, Basel usw. Mohammed Rassem arbeitete nun in seinem Nachwort, das dem Reprint von Alois Riegls Arbeit angefügt ist^, heraus, daß bereits damals eine wissenschaftliche 16

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