Aloys Wach, Abschied des verlorenen Sohnes aus dem Zyklus mit 6 Holzschnitten „Der verlorene Sohn", 1920, Neue Galerie der Stadt Linz 2827Foto: Kurt Fleischmann, Linz und nach sich ergänzend, ineinander über gingen, hineingeschoben in ein „Zwischen reich", das für Kubin zeitlebens ein reales ge wesen ist. Kubin verließ Zwickledt kaum noch, erfand hier volles Genügen. Trotzdem war er nicht allein: da waren die geliebte Bi bliothek mit 6000 Bänden, der Strom der Briefe, die er mit so vielen bedeutenden Per sönlichkeiten seinerzeit in Wissenschaft und Kunst wechselte, und die Vielzahl der Besu cher, die von Wernstein zu ihm hinaufstiegen in seine Einsiedelei zu freiem Gedankenaus tausch mit dem Weisen, dem Magier von Zwickledt. In SOjähriger, fast minutiöser Arbeitseintei lung schuf er hier ein gigantisches Werk, das fast alle Bereiche menschlicher Existenz, der Natur und der Welt durchmaß, das, über die sichtbaren Erscheinungen hinaus, in die Be reiche des Unterbewußten, des Visionären vorstieß. Überblicken wir heute dieses Schaf fen, wie es in vielen tausenden Skizzen, Blät tern, Lithografien, Mappen, in über 200 Buchillustrationen und anderem vor uns liegt, zum Glück großteils wohl behütet von fachkundigen Händen im Oberösterreichi schen Landesmuseum, in der Albertina zu Wien und im Dr.-Kurt-Otte-Kubin-Archiv in Hamburg, stehen wir staunend vor der genia len Meisterhand, aber auch vor der gewalti gen Schaffenskraft und dem Pflichtgefühl, mit dem die doch so labile und schwächliche Konstitution des Künstlers Kubin ihrer Beru fung bis ins 80. Lebensjahr gedient hatte. Um dies zu vollbringen, bedurfte es einer unge wöhnlichen Konzentration, vollkommener Stille und Ungestörtheit. Das alles gab ihm Zwickledt, seine „Arche", welche die Stürme der Welt wohl umbrandeten, aber nicht zum Sinken brachten, und das gab ihm die Magie der Landschaft rundherum, die er Tag für Tag zu Inspiration und Erholung durchwanderte. Kubin bekennt selbst von Zwickledt: „. . . Der von einem eigenartigen Stimmungszauber unerschöpflich erfüllte Ort und seine wunder bare ländliche Umgebung ist mir nach man cher Richtung zum Schicksal geworden. Ich wünsche mir nichts Besseres, als in diesen alten Mauern und unter den großen Bäumen hier mein Leben zu beschließen . . .". Daß dieses Leben so lange dauerte und nicht früh abbrach, wie das von Feininger, Gerstl, TrakI, die selbst zum Tod griffen, oder Schiele und Kafka, die jung durch Krankheit starben, sie alle wie Kubin ungewöhnlich begabt, ebenso sensibel und selbst-zerstörerisch ver anlagt, das lag am Stimulans Zwickledt. Aloys Wach (1892—1940) Wie Alfred Kubin fand auch Wach nicht über seine schulische Ausbildung zur Kunst, sonm e ■1 dem durch das Erlebnis von Werken ihm ge mäßer Vorbilder, und wie Kubin kam auch er aus der Aufbruchstimmung der neuesten Stil richtungen in den Kunstzentren München und Paris ins Innviertel auf einem Weg des Reifens und der Wandlung. Wach hatte in Berlin 1912, im Umgang mit den radikalen Malern der Gruppe „Der Sturm", und anschließend in München im Kreis „Der blaue Reiter", in dem er später auch ausstellte, viel Anregung und den Schlüssel zu eigener Formulierung gefun den. Noch stärker wirkte 1913/14 Paris auf ihn. Der Künstler setzte sich in seiner grüble rischen Natur in Experiment und Diskussion vehement mit dem Expressionismus sowie Kubismus auseinander, die eben en vogue waren. Daraus resultierte eine Reihe expressionistisch-kubistischer Zeichnungen, Radie rungen, Holz- und Linolschnitte, scharf ak zentuiert, von beeindruckender Aussage und Technik mit verschiedener Thematik. Vor allem stand die menschliche Existenz im Vor dergrund, nicht zuletzt aus dem Elendsmi lieu, in das er selbst geraten war. Daneben entstanden — er war ja auch Maler —
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