Oberösterreich, 38. Jahrgang, Heft 2/3 1988

Das Innviertel — eine magische Kunstiandschaft? Franz Engl Es mag auf den ersten Blick überraschen, im Innviertel eine Reihe hervorragender Künst ler seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert bis heute am Werk zu sehen, lebt doch dieses Gebiet in der ailgemeinen Vorstellung vor allem als eine intensiv landwirtschaftlich genutzte Region ohne die Faszination einer vielseitigen kultureiien Urbanität oder über wältigenden Romantik landschaftlicher Reize. Die starke Affinität der Künstler ist aber keine zufällige und einmalige, sie ist begünstigt in der Eigenart des Landes an Salzach, Inn und Donau, diesem breiten Tor zwischen dem verkehrssperrigen Bayerischen Wald im Nor den und den Ausläufern der Nördlichen Kalkaipen im Süden. Seit Jahrtausenden haben hier Völker eine Helmstatt gefunden, und seit dem sechsten Jahrhundert nahmen bajuwarische Siedler den Boden unter den Pflug und schufen die kraftvolle, von urtümlichem Brauchtum erfüllte Bauernlandschaft, die auch heute noch Raum hat für träumende Moorseen, Heide, dunkle Wälder, leise zie hende Flüsse in enger Talkerbe oder breitem Augürtel. Immer noch steht hoch der Himmel, mit oft schwer lastenden Wolken, über den bunten Äckern und Wiesen. In all das setzten Klöster, Adel, vom Handel begüterte Städte und Märkte sowie besitzstolze Bauern im Wechselspiel der Stile beeindruckende Ak zente in Architektur, Bildhauerei und Malerei, zumeist geschaffen aus heimischer Künstler substanz. Einen neuen Anfang mit kräftigen, schöpferi schen Aktivitäten brachte die „Osternberger Künstlerkolonie", weiche Hugo von Preen (1854—1941) initiierte, der seit seinem Stu dium an der Akademie der bildenden Künste In München Professoren und Kollegen In den Sommerferien auf sein Landgut Osternberg bei Braunau einlud. Hier, in der Vielfalt der Motive an der Enknach, konnten sie der lei denschaftlichen Forderung, nur „en plein air" zu zeichnen und zu malen, voll entsprechen. Ihre Mitglieder waren wesentlich an der Grün dung der Münchner Sezession beteiligt. Nach 1900, vor allem nach der Gründung der Innviertler Künstlergllde 1923, fanden erneut viele Künstler hier ihre Wahlheimat. Heraus gegriffen seien besonders die Graphiker, wel che mit ihren Werken an der aligemeinen Ent wicklung der österreichischen Graphik in unserem Jahrhundert wesentlichen Anteil haben. Alfred Kubin (1877—1959) Auf Anraten seines Vaters, der in Schärding lebte, erwarb Alfred Kubin 1906 den kleinen Ansitz Zwickledt, hoch über der Innenge von Wernstein, auf halbem Wege zwischen Schärding und Passau, mitten im hügeligen Bauernland des Sauwaldes gelegen. Der Blick reicht zu beiden Seiten des Inns nach Süden tief hinein nach Oberösterreich und Niederbayern, nach Norden zu den dunklen Rücken des Bayerischen und des Böhmer waldes, In Landschaften, aus denen Kubin motivisch viel geschöpft hat. Er war nach den unruhigen Studienjahren mit ihren physi schen und psychischen Krisen aus München gekommen, wo er das ihn künstlerisch zu tiefst erschütternde Erlebnis der graphischen Schöpfungen von Klinger, Goya, Rops, Münch, Ensor und Reden hatte. Unter diesem Eindruck, begleitet von einer Sturz flut phantastischer Visionen, zeichnete er .m \ X -S« Alfred Kubin, Authentische Ansicht von Perle, Haupt- und Residenzstadt des Traumreiches, Tusche und Feder, leicht aquarelliert, bezeichnet rechts unten A. Kubin, 1908, ursprünglich im Kubinhaus Zwickledt, jetzt OÖ. Landesmuseum, Kubinsammlung. — Foto: Franz Gangl, Linz

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