Oberösterreich, 38. Jahrgang, Heft 2/3 1988

Bauhausepoche, wobei sich leicht zwei antipodielle Strömungen, nämlich jene zwischen den zunächst die Oberhand gewinnenden Romantikern Marckhs, Klee und Feininger und den später, zumal nach der Übersiedlung nach Dessau, die Oberhand erreichenden Technokraten Kandinsky und Schlemmer herauskristallisieren. Auf wessen Seite der verschlossen-schwerblütige Breustedt steht, bedarf wohl keiner Erläuterung. Lyonel Feininger nimmt sich als erster des heran wachsenden Künstlers an. Er, eine großartige Doppelbegabung, gleichermaßen als Kla viervirtuose wie als Maler und Grafiker, ver sammelt seine Schüler zu musikalischen Abenden und lehrt sie — zumal an Hand der Bachschen Werke —, diese Kompositionen in bildliche Inhalte zu fassen und zu über tragen. Retrospektiv und auf Dauer betrachtet, ge winnt freilich Paul Klee — eine andere genia le malerische wie musikalische Doppelbega bung —, ohne jemals direkter Lehrmeister gewesen zu sein, einen dominanten, das ge samte spätere, künstlerische Werk Breustedts prägenden Einfluß. Der zweite große Impuls kommt aus der Kalligraphie ostasiati scher Kunst, mit welcher sich die jungen Bau häusler frühzeitig auseinandersetzten. 1921 unterbricht Breustedt seine Studien und geht nach Italien. Fast vier Jahre bleibt er dort, wohnt in Fiesole hoch über Florenz, hei ratet ebendort zum ersten Mal. Hier kommt auch seine Tochter Marysia zur Welt. Der Le bensunterhalt wird hauptsächlich durch das Kopieren von Gemälden alter Meister — größtenteils aus den Uffizien — beschaffen, eine Tatsache, welche all jene überraschen mag, die der Meinung sind, daß abstrakte Maler nicht unbedingt zeichnen können müs sen. Ein Faktum, welches aber für all jene sehr einleuchtend erscheint, die die meister hafte, farbliche Delikatesse der späteren Breustedt-Bilder sowie ihre gestrengen Kom positionsprinzipien zu schätzen wissen. 1924 kehrt der Künstler an das Bauhaus von Wei mar zurück, ohne freilich die ein Jahr später einsetzende Übersiedlung desselben nach Dessau mitzumachen. Stattdessen bleibt er nach einjährigem Italien-Aufenthalt bis 1928 Meisterschüler von Professor Klemm in Wei mar. Später stößt er auf Gustav Wynekens Freie Schulgemeinde Wickersdorf, wo er bis 1932 als Lehrer tätig ist. Die nun folgende glückliche Zeit, in welcher er freischaffend in Weimar lebt, wird mehr und mehr durch die politische Entwicklung getrübt. 1935 erfolgt die Brandmarkung zum entarteten Künstler und das hierauf ausgesprochene Malverbot. Eine versuchte Emigration wird in Warschau unterbrochen und endet mit dem Verlust von Frau und allem Hab und Gut, darunter dem gesamten künstlerischen Werk. In diesen schlimmen Tagen führt ihn ein Portraitauftrag erstmals ins oberösterreichische Vöcklabruck, ehe er 1940 zum Militärdienst einberu fen wird. Sein Einsatz an der Ostfront endet mit der amerikanischen Kriegsgefangen schaft. Ein Wunder, daß er all diese Prüfun gen zumindest körperlich heil übersteht. Bereits im Juni 1945 verschlägt es ihn wieder nach Oberösterreich, wo er in Vöcklabruck — von Familie Aichinger auf das Großzügigste aufgenommen — auf den ebenfalls hier ge landeten Bauhausfreund Werner Gilles stößt. 1

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2