Oberösterreich, 38. Jahrgang, Heft 2/3 1988

Porträtfoto [Hedwig Ebermann Links: Die „David-Orgei" in der Evangeiiscfien Pfarrkirofte Weis nach ihrer Restaurierung Frau Professor Ebermann, wie stellt sicfi Ih nen das organistische Umfeld Ihrer Jugend aus heutiger Sicht dar? „Verglichen mit unseren heutigen Ansprü chen war alles entsetzlich primitiv. In der Leh rerbildungsanstalt hatten wir elende pneu matische Multiplex-Instrumente: völlig ausgeschlossen, darauf einen guten An schlag oder Sinn fürs Registrieren zu lernen. Wir benutzten die heute völlig veraltete Rinck-Orgelschule. Später habe ich die ,Acht kleinen Präludien und Fugen' bekommen; daran habe ich viel geübt, einfach aus Inter esse an der Sache, aber ohne im Traum dar an zu denken einmal Konzertorganistin zu werden. Das liturgische Orgelspiel war ein Abklatsch all dieser nachbrucknerischen, wenig eigenschöpferischen Kirchenkomponi sten, die einen Gutteil des gängigen Reper toires bildeten. In der stillen Messe spielte die Orgel pausenlos, inständig modulierend, ohne Abwechslung in der Registrierung — ein zähflüssiger Tonbrei ohne rechten Anfang und Schluß." Wann haben Sie zum ersten tJIal eine andere, neue Musik gehört? „Irgendwann Mitte der 30er Jahrel Einmal hab ich von Hindemith reden gehört: ,der ist ein Bürgerschreckl' Eines Tages sagte mir meine Mitschülerin Paula von Mack, die schon Unterricht im Brucknerkonservatorium hatte: ,lch spiel Dir was vor, das hast Du noch nicht gehört!' Sie nahm mich also mit in den Orgelsaal und spielte mir Davids ,rhomme arme', 1929 komponiert, vor. Wirklich: es war wie eine Befreiung — diese Musik unter schied sich in allem, was ich bisher an Orgelgesäusel und -gedröhn gehört hatte, so daß ich einfach nicht begreifen konnte, wie einem Komponisten so was überhaupt einfallen kann. Die spieltechnische Realisierung blieb mir vorerst ein Rätsel. Es war wirklich Avant gardismus!" Wie und wann hatten Sie beschlossen, ernst haft Musik zu studieren? „Durch einen Umweg! Als Mädchen war ich beim BDM, mit Feuer und Flamme habe ich in der NS-Spielschar mitgetan. Daß dort nur hohle Phrasen gedroschen wurden — meine Mutter hatte ganz recht, wenn sie mir immer zu erklären versuchte, daß das 1000jährige Reich keine 1000 Jahre dauern würde . . . — und musikalisch die unteren Stufen auch nicht überschritten werden konnten, habe ich vorerst nicht bemerkt. Die Spielscharleitung hat mir vorgeschlagen, an der Abteilung für Volks- und Jugendmusik der Grazer Musik akademie zu studieren. Dieses Institut wurde gleich nach dem Anschluß geschaffen für musikalisch-ideologische Indoktrination . . . um das Politische habe ich mich nicht ge kümmert ... Mein großes Glück war, daß ich somit bei Franz lllenberger studieren konnte." Sie haben In Graz die Reifeprüfung abgelegt? „Ja, und nach Linz zurückgekehrt wurde ich sofort zur Musikreferentin des BDM ernannt. Ich hatte Sing- und Spieltage, Blockflötenkur se usw. zu organisieren, alles was man zum ,völkisch-gemeinschaftlichen' Musizieren be nötigte ... es erschien mir bald ziemlich un ergiebig zu sein ... Um mich weiterzubilden, habe ich die Studien am Brucknerkonserva torium wieder aufgenommen, mein Lehrer war Isidor Stögbauer. Georg Pirckmayer, ein gebürtiger Salzburger und nachmaliger Rek tor der Wiener Musikhochschule, kam als junger Lehrer ans Konservatorium. Er hat mir heimlich Musik von Hindemith gezeigt, der ja als Kulturbolschewist verfemt war. In diese Zeit fällt auch dieser denkwürdige Hindemithabend, den Direktor Trittinger, ein mutiger Mann, der mit den Nazis nicht konform ging, vorbereitet hatte. Schüler und Lehrer führten in einem gemeinsamen Vortragsabend eini ge Hindemith-Werke auf. Ich war auserse hen, die zweite Orgelsonate zu spielen. Der Abend war gut besucht und wurde ein Erfolg. Die ,Tagespost' berichtete darüber in einer kurzen Notiz. Nun hatte aber Hitler die Ange wohnheit, im fernen Berlin jeden Tag die Lin zer Zeitungen zu lesen, aus irgendeiner sen timentalen Treue zu seiner ,Heimatstadt'. Er soll getobt haben, daß ausgerechnet in Linz und ausgerechnet in einem Institut, das den Namen eines .urdeutschen' Komponisten trägt, Musik aufgeführt würde, die man der Zersetzung des deutschen Wesens bezich tigte. Trittinger wurde sofort seines Amtes ent hoben. Zum Glück blieb ihm aufgrund einer Schlamperei Schlimmeres erspart. . . Pirck mayer riet mir, den ganzen BDM-Krempel hinzuschmeissen und nach Wien zu gehen, um dort weiterzustudieren. Das tat ich und so kam ich in die Klasse Bruno Seidlhofers. Die Wiener Zeit aber war kurz: bald war totaler Kriegseinsatz und die Akademie wurde ge schlossen. Ich bin zurück nach Linz; zu Kriegsende war ich Lehrerin im Böh merwald." Wann haben Sie beschlossen, sich für die Sa che der Neuen Orgelmusik zu engagieren? „Das war um diese Zeit: Zwischen 1945 und 1947 — ich habe mich für alles Neue interes siert. Wahllos habe ich verschlungen, was ich gerade vorgefunden hatte. Ich habe alle

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