Oberösterreich, 38. Jahrgang, Heft 2/3 1988

mann (1920) für die unmittelbar In Ihrem Um kreis entstehende Musik unerschrocken und mit Erfolg ein. Ihre Erfahrungen reflektieren ein Stück eigenwilliger, regionaler Musikent wicklung. Herr Professor Doppelbauer, wie war die Kir chenmusik in Oberösterreich zu Beginn der 20er Jahre beschaffen? „Das kirchenmuslkallsche Leben Ist in den üblichen cäcillanlstlschen Bahnen verlaufen. Es hat In Oberösterreich einen eigenen Cäclllenverband gegeben, von J. E. Habert in Gmunden als Reaktion auf den Regensbur ger Verband 1873 gegründet; zum Unter schied von den Regensburgern, die eine strenge A-cappella-MusIk forderten und kom ponierten, dabei jegliche instrumentale Kir chenmusik verteufelten, hat Habert die Mes sen der Wiener Klassik bejaht. An den Feiertagen wurde also Klassik gesungen, an sonsten die Gebrauchsmusik der Cäcillaner." Weiche musikalische Praxis hat David in Weis vorgefunden? „Die bürgerlich-parteiischen Chorvereine wa ren bereits In festen Händen. Ein Vakuum gab's nur In der evangelischen Kirche; Ernst Nadler, Chormeister der Liedertafel, tat dort fallweise Organistendienst, war aber völlig Im deutschnationalen LIedertafelstll verfangen; er hat sich als Meistersinger gefühlt und Ist mit einem Hut a la Richard Wagner umherge laufen. Die Familie Berta Eybis, Davids Frau, war evangelisch, somit ergab sich eine famili äre Bindung zur evangelischen Gemeinde." Der junge David war ja Expressionist, auf wei chen Umwegen hat er zur Kirchenmusik ge funden? „David Ist zwar In der musikalisch-geistigen Welt St. Florians und Kremsmünsters aufge wachsen, wollte aber nie ein ,kirchlicher' Komponist werden. Seine spirituelle Natur drängte zur geistlichen, besser gesagt: gei stigen Kunst, als Sakralkunst Im absoluten Sinn und nicht als angewandte Kirchenmusik Im Sinne einer Gebrauchsmusik. Seine Sin fonien sind ebenso geistlich, wie die schein baren Kirchenwerke. Nach seiner atonalen, von Schönberg beeinflußten Perlode hat er seinen eigenen Weg gesucht. Die aufkeimen de Begeisterung für Bach, für die Orgel, für die Polyphonie dürfte durch die Schriften Al bert Schweitzers, den .linearen Kontrapunkt' Ernst Kurths und Wilhelm Werkers Analyse des ,Wohltemperlerten Klaviers' vertieft wor den sein. Die Tendenz .zurück zu den alten Meistern' lag ja In der Luft: Webern hat über den .choralls constantlnus' dissertiert. David selbst hat In den alten Denkmalbänden ge wühlt und eine geistverwandte Ader ent deckt. die Ihn erkennen läßt: .hier geht mein Weg weiter'. Schönbergs Methode, alles .ex uno' zu entwickeln, spielt mit, nicht aber seine damals ,erfundene' Zwölftontechnik, die David erst viel später modifiziert anwen det. Schönbergs Reihendenken hat sich bei David In ein cantus-fIrmus-Denken verwan delt. Hinzu kommt, daß Pastor Leibfritz, ein Altlutheraner, zusammen mit David die luthe rischen Choräle wieder In der Gemeinde ein geführt hat; das liturgische Liedgut war bis her völlig lledertafelhaft, frömmelnd und weichlich. Nachdem die Welser Gemeinde kulturell an Nürnberg und Württemberg orientiert war — es wurde das Württembergi sche Gesangbuch benutzt —. drangen Nach richten über die Orgelbewegung auch über diese Linie zu David." Wie ist es nun zu diesem legendären Orgeineubau gekommen? „Dem ging In logischer Folge die Gründung des Bach-Chores 1926 voraus, .um Bildungs lücken zu schließen', wie David später sagte. Begonnen hat er mit 18 Sängern, die er sich ziemlich gewaltsam zusammengeholt hatte. Die Novität hat sich bald herumgesprochen. Teilweise hat David Befremden ausgelöst, war als Spinner verschrien, war aber eine fas zinierende Persönlichkeit, Immer glaubwür dig und man hat Ihn schließlich doch ernst genommen." Trotzdem: ein Cho,r der bislang unbekannte Musik von Dufay bis Bach und Moderne singt, hat die Hörerwartungen des Publikums doch sicher enttäuscht. „David stand nie In Feindschaft zur publi kumswirksamen Romantlkl Er hat Schu mann. Brahms, Bruckner, Hugo Wolf aufge führt. Auch die Alte Musik, Ich entsinne mich der Johannespassion von Leonhard Lechner, hat er hochexpressiv interpretiert. Also keine Rede von der Quasl-Objektivität der Singbe wegung, die bis zur Sterilität ging! David hat Brücken gebaut . . . bewußt und unbe wußt . . . beim 30jährigen Jubiläum des Bach-Chores hat sich der Ehrengast David bedankt, well man ihn ertragen und sich Ins Unvermeidliche seiner Aufführungen gefügt hatte." Die Orgel betrachtete er demnach als Medi um, um die Polyphonie, die er bis jetzt im Voka len erprobt hatte, nun auch im instrumentalen adäquat zum Klingen zu bringen. „. . . ja. David fand In der evangelischen Kir che eine kleine Orgel von 1852 vor. mit an Porträtfoto Josef Friedrich Doppeibauer

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