So hat es begonnen Roman Summereder im Gespräch mit Josef Friedrich Doppeibauer und Hedwig Ebermann über ein Kapitel musikalischer Zeitgeschichte in Oberösterreich. Wels heute: Industrie, Handel, Gewerbe, allzweijährllch eine Landwirtschaftsmesse mit dem Welser Volksfest; schließlich ein glgantomanlsches Betonnetz für Stadtumfahrung und Autobahnzubringer, das die Landschaft zerstört und die Peripherie der Stadt ver schandelt. Kaum jemand weiß, daß vor gut sechzig Jah ren In Wels Tendenzen herangereift sind, die es Im österreichischen Musikleben bislang nicht gegeben hat, die aber der Kirchenmu sik, der Orgelkultur, dem Chorwesen und der Komposition neue Bahnen gewlesen haben. Johann Nepomuk David — geboren 1895 In Eferding, gestorben 1977 In Stuttgart — kam nach kurzfristigen Musikstudien In Wien, die er regulär an der Musikakademie bei Joseph Marx, heimlich und mit neugierigem Inter esse aber In Mödling bei Arnold Schönberg betrieben hatte, 1924 als Volksschullehrer nach Wels, wo eine behäbige Bürgerschaft ein traditionsbewußtes, provinzielles Musikle ben unterhielt — sicher kein Nährboden für Innovationen eines unruhigen Geistes, der Im wahrsten Sinne „Un-erhörtes" ausbrütete. Zelt und Gesellschaft nach dem Ersten Welt krieg lechzten nach geistiger Neuorientie rung. In Deutschland entstand nicht nur jene zerstörerische Bewegung, die geradewegs In den Abgrund führte, sondern es gab auch schöpferische Entwicklungen: In Abneigung gegen In Orgelfabriken Industriell hergestell te Instrumente, die Franz Schmidt als „kraft los brüllende Ungeheuer" bezeichnete, ent deckte man die musikalischen, klanglichen und technischen Qualitäten der alten Orgeln aus Renaissance und Barock. Die so entstan dene deutsche „Orgelbewegung" hat die heu tige Orgelkultur, die aus dem gegenwärtigen Musikleben nicht mehr wegzudenken Ist, vor bereitet und mitgeprägt. David hat diese An regungen aufgenommen und mit Orgelbau melster Wilhelm ZIka aus Ottensheim 1930 die erste gewissermaßen „moderne" Orgel Österreichs In der evangelischen Kirche In Wels gebaut, die In Trakturführung, Mensurlerung und Disposition an die vergessenen handwerklichen Prinzipien des 17. und 18. Jahrhunderts anzuknüpfen suchte, zugleich aber auch Experimentlerfeld für neuartige Klangkombinationen sein sollte. Die „DavidOrgel", die 1985 vor dem drohenden Verfall gerettet und unter Denkmalschutz gestellt wurde, Ist ein ästhetischer und technischer Markstein Im österreichischen Orgelbau. Anton Lutz, Porträt Jotiann Nepomuk David, Öl auf Leinwand, 1931, In Besitz des Künstlers Josef Friedrich Doppelbauer, geboren 1918 In Wels, Ist In dieser musikalischen Atmosphäre aufgewachsen. Durch Berichte seines Leh rers Franz lllenberger (1908—1987), der In Wels bereits als Sechzehnjähriger Davids Unterricht genoß und von 1937 bis 1974 an der Grazer Musikhochschule als Professor für Orgelspiel wirkte, durch Jugendeindrücke wie durch eigene Reflexionen über dieses kulturelle Phänomen Ist er berufen, als „Zelt zeuge" dieses Welser Aufbruchs zu fun gieren. J. N. David hat als Komponist die nachfolgen de Generation In seinen Bann gezogen. In Oberösterreich entstand schöpferisches Po tential, das dem erlauchten Vorbild vorerst nacheiferte, durch andersartige Einflüsse und schließlich eigene Prägungen die zeitge nössische Orgelkomposition aber Impulsiv bereichert: die Komponisten Josef Friedrich Doppelbauer (1918), Helmut Eder (1916), Au gustinus Franz Kropfreiter (1936), Ernst-Lud wig Leltner (1943) seien hier genannt. Der Neuen Musik aufgeschlossene Interpre ten sind rar, denn das Einstudieren Neuer Musik Ist energle- und zeltaufwendig und kei nesfalls nervenschonend. Seit Jahrzehnten setzt sich die Linzer Organlstln Hedwig Eberr •f. 29
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